Samstag, 5. September 2020
Antikes Rezept gegen Burnout
Schöner Predigttext am Sonntag in der Apostelgeschichte 6, 1-7 https://www.bibleserver.com/LUT/Apostelgeschichte6%2C1-7
Wenn der Pastor diesen Text als Legitimation für ein: „Ich kann nicht helfen (beim Abwaschen, Tische aufbauen, Getränkekisten schleppen), ich muss repräsentieren.“ missbraucht, möchte ich ihn umgehend mit seinem Beffchen garrottieren. Theologinnen sind da anders, die packen einfach mit an und tun, was getan werden muss. Es gibt auch Ausnahmen beiderlei Geschlechts, aber das sind wirklich Ausnahmen.

Schon in der Antike war den Berufschristen (oder Christen aus Berufung) klar, dass man nicht alles selbst machen kann, nur weil man einsieht, dass es gemacht werden muss.
Es gibt ja unter Pfarrer*inenn und pädagogischen Fachkräften diejenigen, die sich bis zum Burnout verzetteln, weil sie sich für alles verantwortlich fühlen, das ist sehr ungesund. Vor allem angesichts des sich kontinuierlich verschärfenden Pfarrer*innenmangels sollten die Kirchenleitungen endlich aus dem Dornröschenschlaf erwachen.

Ist es nicht verrückt, dass Menschen, die viele Jahre Theologie studieren, am Ende mehr mit Betriebsmanagement befasst sind als mit Verkündigung, Seelsorge und theologischer Fachkompetenz? Nur weil sie meinen, sie müssten in der Hierarchie des Systems Kirche ganz oben stehen? Obwohl sie das alles nie wirklich gelernt haben und viel teurer sind als kompetente Verwaltungsfachkräfte, die das viel besser könnten?

Genauso läuft es mit den pädagogischen Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit. Weil die als Hauptamtliche bezahlt werden und die Hauptverantwortung tragen, schlagen sie sich überwiegend mit administrativen und koordinierenden Tätigkeiten herum, die sie auch eigentlich nie gelernt haben und das, was sie wirklich gut können, nämlich Angebote für Kinder und Jugendliche gestalten, müssen sie an dilettantische Ehrenamtliche übertragen, denen sie nur unzureichend auf die Finger sehen können.

Nun wollen wir ja nicht alle Macht den Verwaltungsfachleuten übertragen, dann werden wir ja noch deutscher, als wir sowieso schon sind. Aber die Arbeit von Grund auf neu verteilen, das wäre schon gut.

Und für alle, die das kircheninterne Gekröse nicht interessiert: Niemand kann die Welt allein retten. Tu das, was du gut kannst und mach deinen Mund auf, wenn du Handlungsbedarf siehst, den du nicht bedienen kannst.

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Sehr interessant
Ich mach so gut wie nichts.Das kann ich am besten.

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Danke,
ich denke, Sie können eine ganze Menge und machen das auch. Denken Sie an den Lungenmann.

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Um Gottes Willen
Der ist unter meinen Händen verstorben;-)

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Schon,
aber nicht, weil Sie unfähig gewesen wären. Seine Zeit war gekommen, das hätte kein Mensch verhindern können. Ohne Sie hätte er einen deutlich unwürdigeren Abschied gehabt. Ich finde das, was Sie da geleistet haben, mehr als großartig. Nicht, weil es besonders aufwändig gewesen wäre, sondern weil Sie ein beeindruckendes Beispiel von Nächstenliebe gegeben haben. Ich weiß nicht, ob ich dazu fähig gewesen wäre.

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Schwieriges Thema
Ich habe zu dem Vorkommnis mit dem Lungen-Mann bis jetzt keine Haltung oder einen Standpunkt entwickeln können, vom der ich sagen kann. Hier fühle ich mich wohl, hier bin ich zu Hause. Eventuell ist mein Zugang völlig unwürdig. Der Lungen-Mann hatte eine Brieftasche, so dick gefüllt, dass sich sein Erb-Girl und seine Familie in England genötigt sahen, dort herumzukreisen wie Wespen um einen Topf Honig. Und mich ließ der Mann auf knapp 9 Euro an Ausgaben sitzen. Und das nach ungefähr 5 Monaten Dienstleister der Menschlichkeit, der immer alles pünktlichst lieferte wie Amazon bei seinen Prime Kunden.

Muss man als Helfender ganz viel Demut aufbringen? Sind Erwartungen da eher fehl am Platz.

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Ja, schwierig,
vielleicht könnte man eine Entschädigung wegen groben Undanks einklagen, aber da hätten Sie im Verhältnis zum ungewissen Erfolg vemutlich einen viel zu hohen, nervenaufreibenden Aufwand. Den Lungenmann sollten Sie vielleicht als Verlust abschreiben, aber Sie haben noch was gut bei der Menschheit. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass man Ihnen auch mal so richtig was Gutes tut, ohne dass Sie sich zu einer Gegenleistung genötigt sehen.

Vielleicht haben Sie bei Ihrem Einsatz ja etwas für Ihre Seele gewonnen. Wenn Sie sich nämlich gesagt hätten: Was geht mich der alte Grantler an? Der ist ein Faschist, nicht mein Freund, nicht mit mir verwandt und bezahlen wird er mich auch nicht. Wenn er Hilfe braucht, soll er sich wen kaufen. Und dann wäre er jämmerlich und unwürdig verreckt und Sie hätten vielleicht keine ausgewachsenen Schuldgefühle entwickelt, aber so einen kleinen, lästigen Schatten auf der Seele.

Meine Schwester und mein Schwager haben den Schwiegervater meiner Schwester bis ins hohe Alter tatkräftig unterstützt. Zum Dank hat er sie abgewertet, beschimpft und sich ständig beklagt. Der andere Sohn hat sich um nichts gekümmert, ebensowenig seine Familie, war aber der Lieblingssohn. Dessen Kinder wurden im Studium finanziell vom Großvater unterstützt, obwohl die Eltern mehr als genug Geld haben, während der andere Enkel nichts bekommen hat und dabei finanziell viel schlechter dastand. Das Erbe wurde zwischen den Brüdern geteilt, da gab es keinen Versorgerbonus.
Die beiden haben damit abgeschlossen und sind froh, dass der Alte Mann nicht mehr nervt - und der Bruder auch nicht. Aber sie haben ein ruhiges Gewissen und das ist oft mehr wert als man glaubt.

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Ich möchte ihnen das Thema nicht länger
aufzwingen. Eventuell diesen Kommentar noch, wenn sie erlauben. Ob jeder eine tatkräftiges Gewissen hat weiß ich nicht zu beantworten. Aber so falsch liegen sie in ihrer Einschätzung wohl nicht. Wenngleich man sich die Wirklichkeit schon gerne a bissl ausschmückt. Ich habe mich bald mal im Leben entschieden niemanden willentlich abzuzocken. Mit leichten Gepäck reißt es sich leichter.

Die 9 Euro. Okay. Dass ich da fünf Monate machte und nicht mal verständigt wurde wo er begraben wurde etc. Auch okay. Davon bin ich ausgegangen. Das ich mehr ein Dienstbote der Menschlichkeit war. Niemand hat mich dazu gezwungen.

Eventuell wäre alles anders gewesen, wenn der Mensch nicht gar so sehr seine Realität verdrängt hätte. Und zwar auf allen Ebenen der Wahrnehmung.

Bezahlt eine junge Frau 10 Jahre lang für ihre sexuellen Dienste. Und macht sie dann hinten hinaus zu seinem "Erb-Girl". Auch okay. Da sollte man nicht zu kleinstbürgerlichen werden in seiner Einschätzung. Geht einen auch nix an. Aber sie dann als seine Freundin bezeichnen, auch mir gegenüber, die in echt mit einem anderen Mann verheiratet ist, und dann so zu tun, als ob die ihn alle zwei Wochen ein Schnitzel aus freien Stücken vorbeibringt, weil sie ihn für einen unglaublich tollen Kerl hält der ihr am Herzen liegt. Brutal. Logisch dass der auch in Verschwörungen aller Couleur machte, schwer nach Luft ringend, sein Sauerstoffgerät neben den geschwollenen Füßen. Wie in einem Horrorfilm. Der schmiss ja mit Lebensmittel um sich, weil keine Gurken in seinem Kornspitz waren. Völlig bekloppt.

Wir machen hier ja Kapitalismus. Ohne Geld oder ein paar Rücklagen kommt man hier nicht sehr weit. Ist eine Tatsache. Ich sowieso nicht. Und für wen es nix zu erben gibt außer vielleicht ein paar kindliche Traumata hat natürlich den Scherben auf. Auf der Mikro wie auf der Makroebene spielen sich da schlimme Dramen ab, wenn man sich die weltweite Vermögensverteilung ansieht. Wir hier profitieren sogar von den Früchten des Kolonialismus. Wohlstand im Austausch für ein paar erbeutete Kulturgüter die wir wieder zurückgeben. 200 Jahre später. Ist doch ein klasse Deal. Finden sie nicht auch?

Gerechtigkeit ist ein Mangelwesen. Auf die hoff(t)en Christen ja hinten hinaus auf die Smartwatch ihrer Hoffnungen starrend.

Danke noch mal für die Unterhaltung.

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Immer gern :-)

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