Samstag, 17. August 2019
Anarchie und Selbstkritik – zum Predigttext für den 9. Sonntag nach Trinitatis – den 18. August 2019
c. fabry, 12:44h
Der Predigttext steht im Brief des Paulus an die Philipper im 3. Kapitel:
7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet.
8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne
9 und in ihm gefiunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.
10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden,
11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist,
14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Jesus Christus.
Ein gewönungsbedürftiger Text, eine alles andere als zeitgemäße Sprache, aber ein Paulustext, der mir sympathisch ist, im Gegensatz zu den meisten anderen.
De Autor hat zumindest für sich selbst erkannt, dass uneingeschränkte Gesetzestreue nichts wert ist. Er war ein orthodoxer, radikaler Verfechter seiner Religion, ein gewaltbereiter Fundamentalist, ein Ohne-wenn-und-aber-Macho. Und er hat gelernt: darauf kommt es nicht an. Es geht um viel wesentlicheres, als Regeln einzuhalten oder sich in irgendeiner Hierarchie einzuordnen.
Schwierigkeiten habe ich mit dem immer noch beharrlichen Festhalten an dem naiven Belohnungssystem: Jetzt mache ich alles richtig und dafür komme ich dann in den Himmel. Ich stehe ganz oben auf dem Siegertreppchen, Ziel erreicht, Preis gewonnen. Sowas kann sich auch nur ein Mann ausdenken ;-) - da wird sogar die Religion zum Kräftemessen. Andererseits will er seine Adressaten natürlich erreichen mit Bildern und Vergleichen, die sich ihnen erschließen. Ihr jagt doch immer alle dem Sieg nach, wollt gewinnen, aufs richtige Pferd setzen... und warum? Damit am Ende alles gut wird. Wenn ihr aber wollt, dass am Ende alles gut wird, dann solltet Ihr Euch ausschließlich an dem orientieren, was Jesus Christus der Menschheit mitgegeben hat.
Was mir den Paulus in diesem Text aber besonders sympathisch macht, ist seine ungewohnte Bescheidenheit:
„12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe.“
Er sieht sich selbst noch als Suchenden, als jemanden, der versucht, alles richtig zu machen, aber noch weit davon entfernt ist, weil er merkt, dass er nicht so einfach über seinen Schatten springen kann, dass er an sich arbeiten muss. Diese Selbsterkenntnis: Ich bin unvollkommen, unzulänglich, mangelhaft, dilettantisch und gleichzeitig diese Entschlossenheit: ich gebe alles, um möglichst nah an das Ideal heranzukommen. Ich weiß nicht, ob Paulus von der Vorstellung getrieben war, diese Vollkommenheit eines Tages seines irdischen Daseins zu erreichen oder ob er schon so realistisch war und sich so gut kannte, dass er wusste, dass diese Perfektion nicht zu schaffen ist.
Und schließlich gefällt mir der der kräftesparende, mutmachende vorletzte Halbsatz: „13b Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist“
Die Vergangenheit hinter sich lassen, neu durchstarten, nach vorne Blicken, das Ziel vor Augen und sich dabei nicht durch Altlasten lähmen lassen. Wenn das Ziel dabei ist, so menschlich wie möglich zu werden und mit sich selbst und der Welt ins Lot zu kommen, ist das sicher der richtige Weg.
7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet.
8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne
9 und in ihm gefiunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.
10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden,
11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist,
14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Jesus Christus.
Ein gewönungsbedürftiger Text, eine alles andere als zeitgemäße Sprache, aber ein Paulustext, der mir sympathisch ist, im Gegensatz zu den meisten anderen.
De Autor hat zumindest für sich selbst erkannt, dass uneingeschränkte Gesetzestreue nichts wert ist. Er war ein orthodoxer, radikaler Verfechter seiner Religion, ein gewaltbereiter Fundamentalist, ein Ohne-wenn-und-aber-Macho. Und er hat gelernt: darauf kommt es nicht an. Es geht um viel wesentlicheres, als Regeln einzuhalten oder sich in irgendeiner Hierarchie einzuordnen.
Schwierigkeiten habe ich mit dem immer noch beharrlichen Festhalten an dem naiven Belohnungssystem: Jetzt mache ich alles richtig und dafür komme ich dann in den Himmel. Ich stehe ganz oben auf dem Siegertreppchen, Ziel erreicht, Preis gewonnen. Sowas kann sich auch nur ein Mann ausdenken ;-) - da wird sogar die Religion zum Kräftemessen. Andererseits will er seine Adressaten natürlich erreichen mit Bildern und Vergleichen, die sich ihnen erschließen. Ihr jagt doch immer alle dem Sieg nach, wollt gewinnen, aufs richtige Pferd setzen... und warum? Damit am Ende alles gut wird. Wenn ihr aber wollt, dass am Ende alles gut wird, dann solltet Ihr Euch ausschließlich an dem orientieren, was Jesus Christus der Menschheit mitgegeben hat.
Was mir den Paulus in diesem Text aber besonders sympathisch macht, ist seine ungewohnte Bescheidenheit:
„12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe.“
Er sieht sich selbst noch als Suchenden, als jemanden, der versucht, alles richtig zu machen, aber noch weit davon entfernt ist, weil er merkt, dass er nicht so einfach über seinen Schatten springen kann, dass er an sich arbeiten muss. Diese Selbsterkenntnis: Ich bin unvollkommen, unzulänglich, mangelhaft, dilettantisch und gleichzeitig diese Entschlossenheit: ich gebe alles, um möglichst nah an das Ideal heranzukommen. Ich weiß nicht, ob Paulus von der Vorstellung getrieben war, diese Vollkommenheit eines Tages seines irdischen Daseins zu erreichen oder ob er schon so realistisch war und sich so gut kannte, dass er wusste, dass diese Perfektion nicht zu schaffen ist.
Und schließlich gefällt mir der der kräftesparende, mutmachende vorletzte Halbsatz: „13b Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist“
Die Vergangenheit hinter sich lassen, neu durchstarten, nach vorne Blicken, das Ziel vor Augen und sich dabei nicht durch Altlasten lähmen lassen. Wenn das Ziel dabei ist, so menschlich wie möglich zu werden und mit sich selbst und der Welt ins Lot zu kommen, ist das sicher der richtige Weg.
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