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Samstag, 17. August 2019
Die Frage nach dem höchsten Gebot - Zum Predigttext am 10. Sonntag nach Trinitatis, dem 25.08.2019
c. fabry, 12:44h
Der Predigttext steht in Markus 12
28 Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?
29 Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,
30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5).
31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm;
33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.
34 Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Bei diesem Text sollte man die Vorgeschichte kennen. Es kam zu einer spitzfindigen Auseinandersetzung um die Frage, wessen Frau eine wiederverheiratete Witwe im Jenseits ist. Jesus erwidert, das spiele im ewigen Leben keine Rolle mehr. Die altehrwürdigen Schriftgelehrten versuchten ständig, den aus ihrer Sicht anmaßenden Wanderprediger der Scharlatanerie zu überführen, indem sie ihm Fallen stellten. Aber es gab auch solche unter ihnen, die offen waren für die Gedanken anderer, die nicht jedem ständig beweisen mussten, dass sie schon alles wussten und klüger waren als der Rest. Und so einer hat in dieser Geschichte einfach nur zugehört und in dem Streit verstanden, was Jesus meinte, als er seinen Gesprächspartnern den Spiegel ihrer Kleinbürgerlichkeit vorhielt. Er verstand, dass die vielen tausend Gesetze, die das tägliche Leben bis ins Kleinste reglementierten nicht wirklich wichtig waren. Und nun fragte er offen und neugierig, was aus Jesu Sicht denn wohl das Wichtigste sei.
Die Liebe zu Gott und den Menschen über alles zu stellen, zum Maß aller Dinge zu machen, das ist das Einfachste und das Schwierigste zugleich – und das Wichtigste. Und als der Schriftgelehrte mit eigenen Worten wiederholt, was Jesus gesagt hat, vielleicht, um sich zu vergewissern, ob er ihn auch richtig verstanden hat oder um seinen wahren Worten das angemessene Gewicht zu verleihen, da versichert ihm Jesus, dass er auf dem richtigen Weg ist. Und niemand wagt mehr, Jesus herauszufordern, weil jeder spürt, dass dieser einfachen Aussage, die den höchsten Anspruch an jeden von uns stellt, nichts entgegenzusetzen ist.
Wenn wir alle diesen Anspruch zum Maßstab nehmen würden, dann würde kein Geflüchteter mehr auf dem Mittelmeer ertrinken, dann würden kein Obdachloser mehr erfrieren, dann würde kein alter Mensch mehr einsam in seiner Wohnung sterben. Aber ich gebe zu: das ist verdammt anstrengend. Und die Kraft, die man dafür braucht, bekommt man nur durch Liebe und Wertschätzung, die kann man nicht selbst produzieren. Wenn man also will, dass die Menschheit zu Verstand kommt, muss man anfangen, anderen Gutes zu tun, sonst wird das nie was.
28 Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?
29 Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,
30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5).
31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm;
33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.
34 Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Bei diesem Text sollte man die Vorgeschichte kennen. Es kam zu einer spitzfindigen Auseinandersetzung um die Frage, wessen Frau eine wiederverheiratete Witwe im Jenseits ist. Jesus erwidert, das spiele im ewigen Leben keine Rolle mehr. Die altehrwürdigen Schriftgelehrten versuchten ständig, den aus ihrer Sicht anmaßenden Wanderprediger der Scharlatanerie zu überführen, indem sie ihm Fallen stellten. Aber es gab auch solche unter ihnen, die offen waren für die Gedanken anderer, die nicht jedem ständig beweisen mussten, dass sie schon alles wussten und klüger waren als der Rest. Und so einer hat in dieser Geschichte einfach nur zugehört und in dem Streit verstanden, was Jesus meinte, als er seinen Gesprächspartnern den Spiegel ihrer Kleinbürgerlichkeit vorhielt. Er verstand, dass die vielen tausend Gesetze, die das tägliche Leben bis ins Kleinste reglementierten nicht wirklich wichtig waren. Und nun fragte er offen und neugierig, was aus Jesu Sicht denn wohl das Wichtigste sei.
Die Liebe zu Gott und den Menschen über alles zu stellen, zum Maß aller Dinge zu machen, das ist das Einfachste und das Schwierigste zugleich – und das Wichtigste. Und als der Schriftgelehrte mit eigenen Worten wiederholt, was Jesus gesagt hat, vielleicht, um sich zu vergewissern, ob er ihn auch richtig verstanden hat oder um seinen wahren Worten das angemessene Gewicht zu verleihen, da versichert ihm Jesus, dass er auf dem richtigen Weg ist. Und niemand wagt mehr, Jesus herauszufordern, weil jeder spürt, dass dieser einfachen Aussage, die den höchsten Anspruch an jeden von uns stellt, nichts entgegenzusetzen ist.
Wenn wir alle diesen Anspruch zum Maßstab nehmen würden, dann würde kein Geflüchteter mehr auf dem Mittelmeer ertrinken, dann würden kein Obdachloser mehr erfrieren, dann würde kein alter Mensch mehr einsam in seiner Wohnung sterben. Aber ich gebe zu: das ist verdammt anstrengend. Und die Kraft, die man dafür braucht, bekommt man nur durch Liebe und Wertschätzung, die kann man nicht selbst produzieren. Wenn man also will, dass die Menschheit zu Verstand kommt, muss man anfangen, anderen Gutes zu tun, sonst wird das nie was.
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Anarchie und Selbstkritik – zum Predigttext für den 9. Sonntag nach Trinitatis – den 18. August 2019
c. fabry, 12:44h
Der Predigttext steht im Brief des Paulus an die Philipper im 3. Kapitel:
7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet.
8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne
9 und in ihm gefiunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.
10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden,
11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist,
14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Jesus Christus.
Ein gewönungsbedürftiger Text, eine alles andere als zeitgemäße Sprache, aber ein Paulustext, der mir sympathisch ist, im Gegensatz zu den meisten anderen.
De Autor hat zumindest für sich selbst erkannt, dass uneingeschränkte Gesetzestreue nichts wert ist. Er war ein orthodoxer, radikaler Verfechter seiner Religion, ein gewaltbereiter Fundamentalist, ein Ohne-wenn-und-aber-Macho. Und er hat gelernt: darauf kommt es nicht an. Es geht um viel wesentlicheres, als Regeln einzuhalten oder sich in irgendeiner Hierarchie einzuordnen.
Schwierigkeiten habe ich mit dem immer noch beharrlichen Festhalten an dem naiven Belohnungssystem: Jetzt mache ich alles richtig und dafür komme ich dann in den Himmel. Ich stehe ganz oben auf dem Siegertreppchen, Ziel erreicht, Preis gewonnen. Sowas kann sich auch nur ein Mann ausdenken ;-) - da wird sogar die Religion zum Kräftemessen. Andererseits will er seine Adressaten natürlich erreichen mit Bildern und Vergleichen, die sich ihnen erschließen. Ihr jagt doch immer alle dem Sieg nach, wollt gewinnen, aufs richtige Pferd setzen... und warum? Damit am Ende alles gut wird. Wenn ihr aber wollt, dass am Ende alles gut wird, dann solltet Ihr Euch ausschließlich an dem orientieren, was Jesus Christus der Menschheit mitgegeben hat.
Was mir den Paulus in diesem Text aber besonders sympathisch macht, ist seine ungewohnte Bescheidenheit:
„12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe.“
Er sieht sich selbst noch als Suchenden, als jemanden, der versucht, alles richtig zu machen, aber noch weit davon entfernt ist, weil er merkt, dass er nicht so einfach über seinen Schatten springen kann, dass er an sich arbeiten muss. Diese Selbsterkenntnis: Ich bin unvollkommen, unzulänglich, mangelhaft, dilettantisch und gleichzeitig diese Entschlossenheit: ich gebe alles, um möglichst nah an das Ideal heranzukommen. Ich weiß nicht, ob Paulus von der Vorstellung getrieben war, diese Vollkommenheit eines Tages seines irdischen Daseins zu erreichen oder ob er schon so realistisch war und sich so gut kannte, dass er wusste, dass diese Perfektion nicht zu schaffen ist.
Und schließlich gefällt mir der der kräftesparende, mutmachende vorletzte Halbsatz: „13b Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist“
Die Vergangenheit hinter sich lassen, neu durchstarten, nach vorne Blicken, das Ziel vor Augen und sich dabei nicht durch Altlasten lähmen lassen. Wenn das Ziel dabei ist, so menschlich wie möglich zu werden und mit sich selbst und der Welt ins Lot zu kommen, ist das sicher der richtige Weg.
7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet.
8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne
9 und in ihm gefiunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.
10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden,
11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist,
14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Jesus Christus.
Ein gewönungsbedürftiger Text, eine alles andere als zeitgemäße Sprache, aber ein Paulustext, der mir sympathisch ist, im Gegensatz zu den meisten anderen.
De Autor hat zumindest für sich selbst erkannt, dass uneingeschränkte Gesetzestreue nichts wert ist. Er war ein orthodoxer, radikaler Verfechter seiner Religion, ein gewaltbereiter Fundamentalist, ein Ohne-wenn-und-aber-Macho. Und er hat gelernt: darauf kommt es nicht an. Es geht um viel wesentlicheres, als Regeln einzuhalten oder sich in irgendeiner Hierarchie einzuordnen.
Schwierigkeiten habe ich mit dem immer noch beharrlichen Festhalten an dem naiven Belohnungssystem: Jetzt mache ich alles richtig und dafür komme ich dann in den Himmel. Ich stehe ganz oben auf dem Siegertreppchen, Ziel erreicht, Preis gewonnen. Sowas kann sich auch nur ein Mann ausdenken ;-) - da wird sogar die Religion zum Kräftemessen. Andererseits will er seine Adressaten natürlich erreichen mit Bildern und Vergleichen, die sich ihnen erschließen. Ihr jagt doch immer alle dem Sieg nach, wollt gewinnen, aufs richtige Pferd setzen... und warum? Damit am Ende alles gut wird. Wenn ihr aber wollt, dass am Ende alles gut wird, dann solltet Ihr Euch ausschließlich an dem orientieren, was Jesus Christus der Menschheit mitgegeben hat.
Was mir den Paulus in diesem Text aber besonders sympathisch macht, ist seine ungewohnte Bescheidenheit:
„12 Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe.“
Er sieht sich selbst noch als Suchenden, als jemanden, der versucht, alles richtig zu machen, aber noch weit davon entfernt ist, weil er merkt, dass er nicht so einfach über seinen Schatten springen kann, dass er an sich arbeiten muss. Diese Selbsterkenntnis: Ich bin unvollkommen, unzulänglich, mangelhaft, dilettantisch und gleichzeitig diese Entschlossenheit: ich gebe alles, um möglichst nah an das Ideal heranzukommen. Ich weiß nicht, ob Paulus von der Vorstellung getrieben war, diese Vollkommenheit eines Tages seines irdischen Daseins zu erreichen oder ob er schon so realistisch war und sich so gut kannte, dass er wusste, dass diese Perfektion nicht zu schaffen ist.
Und schließlich gefällt mir der der kräftesparende, mutmachende vorletzte Halbsatz: „13b Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist“
Die Vergangenheit hinter sich lassen, neu durchstarten, nach vorne Blicken, das Ziel vor Augen und sich dabei nicht durch Altlasten lähmen lassen. Wenn das Ziel dabei ist, so menschlich wie möglich zu werden und mit sich selbst und der Welt ins Lot zu kommen, ist das sicher der richtige Weg.
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