Freitag, 8. November 2019
Muss man Nazis lieben? - Kurzer Denkanstoß zu Lukas 6, 27- 35 – Predigttext für den drittletzten Sonntag im Kirchenjahr
c. fabry, 11:46h
Der Bibeltext enthält das klare Gebot der Feindesliebe. Auch das bekannte Bild der anderen Wange, die hingehalten werden soll.
Nun kann ich mir vorstellen, Nächstenliebe gegenüber denen zu empfinden, die mich nerven, ja sogar denen gegenüber, die mir übel mitgespielt haben. Das heißt nicht, dass ich mich nach ihrer Nähe sehne wie nach der eines von mir geliebten und begehrten Menschen. Auch nicht, dass ich erlittenen Schaden vergesse, keinen Groll kenne, nicht auch nachtragend sein kann. Wer so etwas von sich behauptet, ist entweder ein großer Wunder oder ein verdammter Lügner. Zumindest belügt man sich selbst, wenn man sich tatsächlich einbildet, frei von negativen Gefühlen gegenüber Mitmenschen zu sein.
Ich kann aber versuchen, die Motive meines „Feindes“ zu verstehen, Empathie zu entwickeln, meinen Verstand benutzen, um abzuwägen, ob meine Verletzung tatsächlich schwerer wiegt, als die Motive, die den anderen dazu getrieben haben, mir zu schaden.
Ich kann dem Täter gegenüber aussprechen, was mich verletzt hat, ihn dazu bewegen, sich bei mir zu entschuldigen und mich dann versöhnen und Verständnis für seine / ihre Situation aufbringen.
Das ist alles ganz toll, modern, friedensfördernd und deeskalierend.
Aber kann ich das auch bei so einer Scheißnazihackfresse? Ich habe jetzt einmal bewusst diese krasse Formulierung gewählt, damit jedem klar ist, was gemeint ist: Einer, der schwache und Andersartige verhöhnt, bedroht, zusammenschlägt und sogar tötet. Der Menschen das Recht auf Leben abspricht. Der glaubt besser zu sein als die Mehrheit und darum das Recht zu haben, rohe Gewalt auszuüben. Der in der Regel nicht viele kluge Gedanken im Kopf hat, andere aufhetzt, gewalttätig herummarodiert, die Schwächen der Demokratie ausnutzt, um ihre Stärken abzuschaffen.
Kann ich nicht lieben. Kann ich mich nicht reinfühlen. Geht einfach nicht. Kommen mir alle vor wie Orks oder Terminatoren oder Saurier. Schon Menschen, aber nicht wirklich menschlich. Wie geht man als Christ*in damit um?
Ich habe rechtsextreme Jugendliche betreut, mit ihnen diskutiert, mich für sie eingesetzt, weil sie wirklich arme Schweine waren. Sind auch etliche wieder in die Spur gekommen, die waren aber nur Mitläufer. Neulich habe ich einen der kleinen Skins aus den Neunzigern gegoogelt. Was sehe ich? Eine Facebookseite mit einem Foto von Hitlergruß zeigenden Konzertbesuchern. Einmal Ratte, immer Ratte. Ja, es gibt auch Aussteiger, aber ich frage mich, warum ich meine Nächstenliebe an diesen Knaben verschwendet habe? Warum hat der so gar nichts kapiert?
Was läuft schief in den Gehirnen von Faschisten?
Ich weiß nicht, ob man sie wirklich lieben muss. Ich weiß nur eines: Man muss mit allen demokratischen Mitteln verhindern, dass sie ans Ruder kommen!!!
Und hier nun der Predigttext:
27 Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! 28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! 29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd! 30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück! 31 Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen! 32 Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. 33 Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr? Das tun auch die Sünder. 34 Und wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern, um das Gleiche zurückzubekommen. 35 Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
Nun kann ich mir vorstellen, Nächstenliebe gegenüber denen zu empfinden, die mich nerven, ja sogar denen gegenüber, die mir übel mitgespielt haben. Das heißt nicht, dass ich mich nach ihrer Nähe sehne wie nach der eines von mir geliebten und begehrten Menschen. Auch nicht, dass ich erlittenen Schaden vergesse, keinen Groll kenne, nicht auch nachtragend sein kann. Wer so etwas von sich behauptet, ist entweder ein großer Wunder oder ein verdammter Lügner. Zumindest belügt man sich selbst, wenn man sich tatsächlich einbildet, frei von negativen Gefühlen gegenüber Mitmenschen zu sein.
Ich kann aber versuchen, die Motive meines „Feindes“ zu verstehen, Empathie zu entwickeln, meinen Verstand benutzen, um abzuwägen, ob meine Verletzung tatsächlich schwerer wiegt, als die Motive, die den anderen dazu getrieben haben, mir zu schaden.
Ich kann dem Täter gegenüber aussprechen, was mich verletzt hat, ihn dazu bewegen, sich bei mir zu entschuldigen und mich dann versöhnen und Verständnis für seine / ihre Situation aufbringen.
Das ist alles ganz toll, modern, friedensfördernd und deeskalierend.
Aber kann ich das auch bei so einer Scheißnazihackfresse? Ich habe jetzt einmal bewusst diese krasse Formulierung gewählt, damit jedem klar ist, was gemeint ist: Einer, der schwache und Andersartige verhöhnt, bedroht, zusammenschlägt und sogar tötet. Der Menschen das Recht auf Leben abspricht. Der glaubt besser zu sein als die Mehrheit und darum das Recht zu haben, rohe Gewalt auszuüben. Der in der Regel nicht viele kluge Gedanken im Kopf hat, andere aufhetzt, gewalttätig herummarodiert, die Schwächen der Demokratie ausnutzt, um ihre Stärken abzuschaffen.
Kann ich nicht lieben. Kann ich mich nicht reinfühlen. Geht einfach nicht. Kommen mir alle vor wie Orks oder Terminatoren oder Saurier. Schon Menschen, aber nicht wirklich menschlich. Wie geht man als Christ*in damit um?
Ich habe rechtsextreme Jugendliche betreut, mit ihnen diskutiert, mich für sie eingesetzt, weil sie wirklich arme Schweine waren. Sind auch etliche wieder in die Spur gekommen, die waren aber nur Mitläufer. Neulich habe ich einen der kleinen Skins aus den Neunzigern gegoogelt. Was sehe ich? Eine Facebookseite mit einem Foto von Hitlergruß zeigenden Konzertbesuchern. Einmal Ratte, immer Ratte. Ja, es gibt auch Aussteiger, aber ich frage mich, warum ich meine Nächstenliebe an diesen Knaben verschwendet habe? Warum hat der so gar nichts kapiert?
Was läuft schief in den Gehirnen von Faschisten?
Ich weiß nicht, ob man sie wirklich lieben muss. Ich weiß nur eines: Man muss mit allen demokratischen Mitteln verhindern, dass sie ans Ruder kommen!!!
Und hier nun der Predigttext:
27 Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! 28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! 29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd! 30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück! 31 Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen! 32 Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. 33 Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr? Das tun auch die Sünder. 34 Und wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern, um das Gleiche zurückzubekommen. 35 Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
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mark793,
Freitag, 8. November 2019, 15:50
Da haben Sie ja mal ein richtig schwieriges Dilemma unserer Zeit zum Thema gemacht.
Ich bin kein kein Christ im engeren Sinne, insofern fühle ich mich nicht verpflichtet, Nazis zu lieben oder ihnen die sprichwörtliche andere Wange hinzuhalten. Aber resultierend aus meiner christlichen Prägung bleibt eben doch die Frage, ist es legitim Nazis zu hassen, weil sie Nazis sind? Viele in meinem linksliberal geprägten Umfeld haben damit kein Problem, halten es sogar für geboten. Ich aber frage mich, bin ich als Nazihasser denn so viel besser als der Nazi, der Juden und Muslime hasst? Ich kann mir zwar einreden, bessere Gründe für meinen Hass zu haben, aber so ganz überzeugt mich das nicht davon, dass Hass wirklich die beste (oder gar die einzig denkbare) Antwort auf Nazis ist. Ich kann ihre Einstellung für völlig falsch halten, aber ein Verpflichtung zum Nazihass möchte ich mir auch nicht einreden lassen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Jesus, der mit auch mit Zöllnern, Dirnen und anderen Randgruppen verkehrte, zum Nazihass aufgestachelt hätte.
Ich bin kein kein Christ im engeren Sinne, insofern fühle ich mich nicht verpflichtet, Nazis zu lieben oder ihnen die sprichwörtliche andere Wange hinzuhalten. Aber resultierend aus meiner christlichen Prägung bleibt eben doch die Frage, ist es legitim Nazis zu hassen, weil sie Nazis sind? Viele in meinem linksliberal geprägten Umfeld haben damit kein Problem, halten es sogar für geboten. Ich aber frage mich, bin ich als Nazihasser denn so viel besser als der Nazi, der Juden und Muslime hasst? Ich kann mir zwar einreden, bessere Gründe für meinen Hass zu haben, aber so ganz überzeugt mich das nicht davon, dass Hass wirklich die beste (oder gar die einzig denkbare) Antwort auf Nazis ist. Ich kann ihre Einstellung für völlig falsch halten, aber ein Verpflichtung zum Nazihass möchte ich mir auch nicht einreden lassen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Jesus, der mit auch mit Zöllnern, Dirnen und anderen Randgruppen verkehrte, zum Nazihass aufgestachelt hätte.
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dreadpan,
Freitag, 8. November 2019, 16:04
Sicher muss man Nazis lieben.
Aber nur von hinten.
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c. fabry,
Samstag, 9. November 2019, 00:41
@ mark793
Nee, Nazis hassen müssen ist auch ziemlich flach und populistisch. Sind ja Menschen, deren kruder Haltung entweder eine besondere Prägung oder verletzende Erfahrungen zugrunde liegen.
Natürlich muss man nicht Nazi werden, nur weil man eine schwere Kindheit hatte, aber bestimmte Erfahrungen in der frühen Kindheit erzeugen Empathiefreiheit. Sie können also nichts für ihre Gefühlskälte und die Dummen unter ihnen haben sich ihre Dummheit auch nicht ausgesucht.
Mir war es immer wichtig, wenn ich mit rechtsgerichteten Jugendlichen gearbeitet habe, ihnen deutlich zu machen, dass ich nicht sie ablehne, sondern ihre politische Haltung. Das ist, so glaube ich, auch angekommen.
Als Christin habe ich ja den Anspruch, jeden Menschen zu respektieren und ihm seinen Wert und seine Daseinsberechtigung nicht abzusprechen. Aber ich habe da ein emotionales Problem. Einen wilden Zorn, der in mir aufsteigt, eine Verzeiflung und ein Ekel. Ich würde nie fordern, dass man die Nazis verdrischt oder ihnen noch Schlimmeres antut, aber ich stelle es mir mit Genugtuung vor. Und dann ringen zwei innere Stimmen miteinander. Vielleicht vergleichbar mit dem Dilemma des Tyrannenmordes.
Sicher kennen Sie die Milennium-Trilogie von Stig Larsson. Ich habe die Verfilmung mit Naomi Rapace gesehen und war erschrocken, mit welcher Begeisterung ich zugesehen habe, als sie ihre Peiniger gefoltert hat. Sie war ein Opfer, das sich gerächt hat an wirklich grausamen Menschen, aber dass mir das so eine Befriedigung verschaffte, fand ich bedenklich.
Am Ende sind wir wohl alle Tiere.
Natürlich muss man nicht Nazi werden, nur weil man eine schwere Kindheit hatte, aber bestimmte Erfahrungen in der frühen Kindheit erzeugen Empathiefreiheit. Sie können also nichts für ihre Gefühlskälte und die Dummen unter ihnen haben sich ihre Dummheit auch nicht ausgesucht.
Mir war es immer wichtig, wenn ich mit rechtsgerichteten Jugendlichen gearbeitet habe, ihnen deutlich zu machen, dass ich nicht sie ablehne, sondern ihre politische Haltung. Das ist, so glaube ich, auch angekommen.
Als Christin habe ich ja den Anspruch, jeden Menschen zu respektieren und ihm seinen Wert und seine Daseinsberechtigung nicht abzusprechen. Aber ich habe da ein emotionales Problem. Einen wilden Zorn, der in mir aufsteigt, eine Verzeiflung und ein Ekel. Ich würde nie fordern, dass man die Nazis verdrischt oder ihnen noch Schlimmeres antut, aber ich stelle es mir mit Genugtuung vor. Und dann ringen zwei innere Stimmen miteinander. Vielleicht vergleichbar mit dem Dilemma des Tyrannenmordes.
Sicher kennen Sie die Milennium-Trilogie von Stig Larsson. Ich habe die Verfilmung mit Naomi Rapace gesehen und war erschrocken, mit welcher Begeisterung ich zugesehen habe, als sie ihre Peiniger gefoltert hat. Sie war ein Opfer, das sich gerächt hat an wirklich grausamen Menschen, aber dass mir das so eine Befriedigung verschaffte, fand ich bedenklich.
Am Ende sind wir wohl alle Tiere.
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c. fabry,
Samstag, 9. November 2019, 00:42
@dreadpan
Ich finde von hinten sehen die genauso doof aus.
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