Donnerstag, 10. Mai 2018
Vatertagspredigt
Für alle, die das aus dem Blick verloren haben: An Vatertag ist offiziell Christi Himmelfahrt. Als ich ein kleines Kind war, habe ich die Geschichte vom auferstandenen Jesus, der einfach so auf einer Wolke wie im Fahrstuhl zum Himmel rauf fährt, einfach so geglaubt. In der späteren Kindheit hatten wir dann alle eine Ahnung davon, dass sich das womöglich etwas anders zugetragen hatte und in der Bibel schön ausgeschmückt wurde.
Als Jugendliche mit dem Zukunftsplan, Theologie zu studieren, mit dem Anspruch, Religion und Wissenschaft unter einen Hut zu kriegen, erklärte ich mir die Geschichte so, dass Jesus mit den Jüngern auf einen Berg ging, Nebel aufkam, er in der dampfenden Wolke davon ging und dass er, als der Dunst sich verzog, scheinbar plötzlich verschwunden war.
Worüber ich aber lange nicht nachdachte, war, was diese Geschichte überhaupt bedeutet. Mittlerweile interessiert mich nicht mehr, ob sich Dinge, die in der Bibel beschrieben wurden, tatsächlich so oder ähnlich zugetragen haben. Die Theologinnen sind sich weitestgehend einig, dass es sich zum großen Teil um fiktive Literatur handelt, überlieferte Sagen und Mythen, die den Menschen erklären sollen, wie das Leben funktioniert, was förderlich für das Zusammenleben ist und welches Verhalten vermieden werden sollte.
Da ich nicht glaube, dass das nekrotisierende Gewebe des Jesus von Nazareth nach drei Tagen plötzlich wieder stoffwechselte und ich das auch für irrelevant halte, glaube ich natürlich auch nicht, dass er noch einmal 40 Tage mit seinen Jungs um die Häuser zog und dann auf einer Wolke entschwebte.

Liegt hier vielleicht der Ursprung der Vatertags-Tradition? Mit den Jungs um die Häuser ziehen und sich schließlich bierselig der Illusion hingeben, auf einer Wolke all dem Ungemach des irdischen Daseins zu entschweben? Kann da mal bitte jemand zu forschen?

Aber Scherz beiseite. Natürlich enthält die Erzählung von Himmelfahrt eine Botschaft. Zur Erinnerung, hier der Text aus der Apostelgeschichte 1 aus der Einheitsübersetzung:

Weisungen und Himmelfahrt des Auferstandenen
4 Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt!
5 Denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden.
6 Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?
7 Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.
8 Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.
9 Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
10 Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen
11 und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
12 Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück.

Neben der Ankündigung des Pfingstwunders, einer Absage an die präzise Zeitangabe, wann das Reich Gottes auf Erden anbricht und der Zusage, dass Jesus so wiederkommen wird, wie er verschwunden ist – was mich zugegebenermaßen gerade nicht so interessiert – liegt das Wesentliche in dieser Geschichte für mich in ihrem Aufforderungscharakter endlich erwachsen und selbständig zu werden, statt kuhäugig hinter dem großen Meister herzutrippeln und dümmlich an seinen Lippen zu hängen, ihm die Füße zu küssen, die Tasche zu tragen oder sich sonst so wie Kleinkinder an ihn anzubiedern, um die Aufmerksamkeit, Liebe und Anerkennung zu bekommen, nach der man sich sehnt.
Die Jünger (und vermutlich auf die Jüngerinnen) sind nach drei Jahren praktischer Ausbildung jetzt selber fähig, das Gelernte weiterzugeben, damit es sich wie eine Lawine über die ganze Welt ergießen kann. Wäre Jesus einfach dageblieben, wäre das Christentum eine kleine verkackte Sekte verlauster Anhänger im staubigen nahen Osten geblieben.
Ein erwachsener Glaube bedeutet, die guten Ideen, die sich in den Evangelien finden, nicht nur im eigenen Leben umzusetzen, so gut es eben geht, sondern auch, es mitzuteilen. Am besten gelungen ist das J.K Rowling mit den Harry Potter-Büchern, die prall gefüllt mit christlichen Botschaften die weltweiten Verkaufszahlen sogar der Bibel überschritten haben und erst Recht die Zahl der Leserinnen. J.K. Rowling hat nur aufs Copyright geschissen, damit die Säkularen und Andersgläubigen nicht vor der Lektüre zurückschrecken. Wer sich näher damit befassen möchte, dem empfehle ich „Harry Potter trifft Gott – das Evangelium von Hogwarts“ von Peter Ciaccio, einem italienischen, evangelischen Theologen und Pfarrer.
Und wer sich vor dem Verkündigen anlässlich des Gedenkens an den Aufruf dazu, gehörig Mut antrinken muss und dazu mit den Kumpels um die Häuser ziehen will, der soll das meinetwegen tun.

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Habe ihre Ausführungen sehr aufmerksam gelesen. Ich verstehe schon ihren Ansatz. Allerdings stellt sich mir die Frage warum gerade aus der allergrößten Verheißung, das wir mal den Himmel machen werden, wenn der Jesus sich unser erbarmt und zurückkommt, nur was Nebensächliches ist. Wenn das Nix ist, kann ich ja gleich die Existenzialisten lesen und mich am Sartre erfreuen, der den Nobelpreis ablehnte, aber später die Kohle haben wollte.

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Erst einmal Danke fürs Lesen und den Kommentar. Sie haben Recht, die Hoffnung auf die Wiederkehr Jesu, die Erlösung, das Happy End im Himmel oder was auch immer, das ist natürlich nicht nichts, nicht einmal eine Nebensache. Nur ist es nicht das, was mich im Augenblick besonders an diesem Text interessiert. Dass es nicht mein Thema ist, heißt natürlich nicht, dass es kein Thema ist.

Für mich persönlich ist nicht so entscheidend, ob nach dem letzten Atemzug bzw. dem letzten elektrischen Impuls in meinem zentralen Nervensystem eine spannende Fortsetzung folgt oder ob es zappenduster wird. Es nützt nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie sagen Sie immer so schön? Nichts weiß man. Ich glaube diese ganze Vorstellung von Himmel und Hölle ist der naiven Sehnsucht der Menschen nach einer ausgleichenden Gerechtigkeit geschuldet. Auf jeden Fall sind mir die Existenzialisten vermutlich näher als Evangelikale oder Orthodoxe.

Aber ich schließe die Möglichkeit einer heilvollen Ewigkeit auch nicht aus, ebensowenig wie das Erreichen des Paradieses auf dieser Erde - allerdings garantiert nicht mehr in diesem Jahrhundert ;-)

Das Entscheidende an meinem Glauben ist für mich, dass ich mich in diesem Leben getragen fühle, dass jemand meine Schritte lenkt, ohne mich dabei vollständig zu entmündigen, dass es ein großes Geheimnis gibt, dass immer Grund zur Hoffnung besteht und dass Menschen sich ändern können. Auch dass jedes Leben wertvoll ist, auch das desjenigen, den ich nicht ausstehen kann, dass es Regeln gibt, an die man sich halten muss, wenn man nicht in der seelischen Hölle landen will. Und hin und wieder ziehe ich das alles in Zweifel. Ich bin immer noch auf der Suche, unterwegs und ich werde vermutlich nie ankommen oder eben dann, wenn mein Körper aufhört, das Gefäß für meine Seele zu sein.

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