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Sonntag, 23. Dezember 2018
Weihnachten für die Katz
c. fabry, 16:09h
Seit unser Kind Weihnachten bewusst wahrnimmt, machen wir daraus die perfekte Inszenierung: Mythen und Mysterien, viel traditionelle Deko, Musik, Gebäck und Rituale, Rituale, Rituale.
Jetzt ist das Kind erwachsen, wir werden älter, die Kräfte lassen nach und jedes Jahr wird der Wahnsinn der Festvorbereitungen etwas zurückgeschraubt. Wieder zwei Plätzchensorten aus dem Sortiment gestrichen (die schmecken auch im Sommer), die Geschenke dieses Mal in Geschirrtüchern oder selbst gestrickten Socken verpackt und am 1. Feiertag gibt es abends kurz gebratenes Gemüse mit Instant-Nudeln.
Ist alles nicht mehr so wichtig – wäre da nicht unsere Katze. Als sie vor 15 Jahren zum ersten Mal mit ihren zwei Geschwistern Weihnachten bei uns erlebte, gab es nur ein Topfblumen-Bäumchen mit ein paar Kugeln. Ein paar Jahre und ein paar Katzenwechsel später – ihre Geschwister waren verstorben ihre Nichten, Neffen und zwei ihrer drei Kinder an andere Menschen abgegeben worden – stand eine große Blaufichte im endlich fertiggestellten Wohnzimmer, bestückt mit Kerzen, behängt mit Strohsternen, Äpfeln und das Wichtigste: mit knusprigen Sirupplätzchen. Vor allem der Kater – ein Jahr jünger als seine Mama – knabberte jedes Plätzchen in der ersten Etage an. Zuerst wurden sie noch ausgewechselt, irgendwann gewöhnten wir uns an die Bissspuren, das war individuell und die Miezen konnten ihren Spieltrieb ausleben, ohne den Baum mit gezielten Luftsprüngen zum Umsturz zu bringen.
Der Kater wurde leider nur sechs Jahre alt – der Straßenverkehr forderte nicht seinen ersten Tribut. Seine Mama – mittlerweile sieben Jahre alt – knabberte keinen Baumschmuck an, aber sobald der Baum ein bis zwei Tage vorher in die Wohnung kam, wurde er sofort euphorisch begrüßt. Die duftenden Nadeln wurden beschnuppert und zärtlich geküsst (wenn man die Wuchsrichtung beachtet, pieksen sie nicht so). Solange der Baum in der Wohnung war (oft bis Ende Februar, wir sind echte Schlunzen), war er ihr absoluter Lieblingsplatz. Und nun, wo sie allein war, bekam sie zur Bescherung auch ein Weihnachtsgeschenk, meistens eine Spielzeugmaus, die auch sofort dankbar durchmalträtiert wurde, nach allen Regeln der räuberischen Katzenkunst. Vor drei Jahren kam eine konische Geschenkschachtel aus Wellpappe dazu, gefüllt mit Holzspänen, die sie sofort annektierte und dann lag sie darin unterm Baum wie das Kind in der Krippe. Nein, sie wird die Welt nicht vom Elend erlösen, aber man sieht ihr deutlich an, wie sehr sie fühlt, dass sie geliebt wird. Wenn es nur allen Menschen so ginge – natürlich nicht nur zu Weihnachten – dass sie sich geliebt und geborgen fühlen, dass sie gut versorgt sind und dass sie an so einem besonderen Fest wie Weihnachten – wenn es denn ein Fest für sie ist – etwas abbekommen, von der Liebe, die verteilt wird.
Gestern sah ich wieder das orangefarbene Ungeheuer im weißen Haus im Fernsehen, der unbedingt alle von Armut bedrohten aus dem Land jagen und mögliche Zuzüge verhindern will. In jedem Fenster des weißen Hauses hing ein Adventskranz. Und ich wünschte mir plötzlich so glühend, dass Jesus vom Himmel herabsteigt und ihn durchschüttelt und ihn anschreit: „Du hast kein Recht auf Weihnachten, Du hast die Botschaft nicht verstanden, was Du tust, ist das Gegenteil von Weihnachten, hängt Dir doch abgenagte Knochen in die Fenster, oder Dollar-Noten oder Tittenhefte!“
Aber zu mir könnte er auch kommen und sagen: „Du rödelst bis zum Umfallen, damit alles perfekt wird und du fünfzig Leute mit Deinen nutzlosen, symbolischen Geschenken zuspamen kannst, kaufst ein, bäckst, putzt, schreibst Karten, übst Weihnachtslieder aber du hast immer noch nichts an die Kinderhilfe in Afghanistan überwiesen – von den jemenitischen Kindern, an die dich der Schizophrenist immer erinnert, einmal ganz zu schweigen.“
Ja, das ist schlimm, denke ich. Gleich morgen mach ich's und wenn ich es nicht schaffe ist es ein bis zwei Tage nach Weihnachten sicher immer noch nicht zu spät.
Die Katze hat in diesem Jahr den Baum zum ersten Mal vollkommen ignoriert. Er steht noch nicht an der richtigen Stelle, sie ist da sehr pingelig. Ebenso wie kleine Kinder lieben Katzen Rituale. Es muss alles so sein wie immer, sonst machen sie nicht mit. Hoffen wir, dass uns das wichtigste Ritual nicht verloren geht: Die Liebe weiterzugeben.
In diesem Sinne: fröhliche und gesegnete Weihnachten, besonders all denen, die es brauchen.
Jetzt ist das Kind erwachsen, wir werden älter, die Kräfte lassen nach und jedes Jahr wird der Wahnsinn der Festvorbereitungen etwas zurückgeschraubt. Wieder zwei Plätzchensorten aus dem Sortiment gestrichen (die schmecken auch im Sommer), die Geschenke dieses Mal in Geschirrtüchern oder selbst gestrickten Socken verpackt und am 1. Feiertag gibt es abends kurz gebratenes Gemüse mit Instant-Nudeln.
Ist alles nicht mehr so wichtig – wäre da nicht unsere Katze. Als sie vor 15 Jahren zum ersten Mal mit ihren zwei Geschwistern Weihnachten bei uns erlebte, gab es nur ein Topfblumen-Bäumchen mit ein paar Kugeln. Ein paar Jahre und ein paar Katzenwechsel später – ihre Geschwister waren verstorben ihre Nichten, Neffen und zwei ihrer drei Kinder an andere Menschen abgegeben worden – stand eine große Blaufichte im endlich fertiggestellten Wohnzimmer, bestückt mit Kerzen, behängt mit Strohsternen, Äpfeln und das Wichtigste: mit knusprigen Sirupplätzchen. Vor allem der Kater – ein Jahr jünger als seine Mama – knabberte jedes Plätzchen in der ersten Etage an. Zuerst wurden sie noch ausgewechselt, irgendwann gewöhnten wir uns an die Bissspuren, das war individuell und die Miezen konnten ihren Spieltrieb ausleben, ohne den Baum mit gezielten Luftsprüngen zum Umsturz zu bringen.
Der Kater wurde leider nur sechs Jahre alt – der Straßenverkehr forderte nicht seinen ersten Tribut. Seine Mama – mittlerweile sieben Jahre alt – knabberte keinen Baumschmuck an, aber sobald der Baum ein bis zwei Tage vorher in die Wohnung kam, wurde er sofort euphorisch begrüßt. Die duftenden Nadeln wurden beschnuppert und zärtlich geküsst (wenn man die Wuchsrichtung beachtet, pieksen sie nicht so). Solange der Baum in der Wohnung war (oft bis Ende Februar, wir sind echte Schlunzen), war er ihr absoluter Lieblingsplatz. Und nun, wo sie allein war, bekam sie zur Bescherung auch ein Weihnachtsgeschenk, meistens eine Spielzeugmaus, die auch sofort dankbar durchmalträtiert wurde, nach allen Regeln der räuberischen Katzenkunst. Vor drei Jahren kam eine konische Geschenkschachtel aus Wellpappe dazu, gefüllt mit Holzspänen, die sie sofort annektierte und dann lag sie darin unterm Baum wie das Kind in der Krippe. Nein, sie wird die Welt nicht vom Elend erlösen, aber man sieht ihr deutlich an, wie sehr sie fühlt, dass sie geliebt wird. Wenn es nur allen Menschen so ginge – natürlich nicht nur zu Weihnachten – dass sie sich geliebt und geborgen fühlen, dass sie gut versorgt sind und dass sie an so einem besonderen Fest wie Weihnachten – wenn es denn ein Fest für sie ist – etwas abbekommen, von der Liebe, die verteilt wird.
Gestern sah ich wieder das orangefarbene Ungeheuer im weißen Haus im Fernsehen, der unbedingt alle von Armut bedrohten aus dem Land jagen und mögliche Zuzüge verhindern will. In jedem Fenster des weißen Hauses hing ein Adventskranz. Und ich wünschte mir plötzlich so glühend, dass Jesus vom Himmel herabsteigt und ihn durchschüttelt und ihn anschreit: „Du hast kein Recht auf Weihnachten, Du hast die Botschaft nicht verstanden, was Du tust, ist das Gegenteil von Weihnachten, hängt Dir doch abgenagte Knochen in die Fenster, oder Dollar-Noten oder Tittenhefte!“
Aber zu mir könnte er auch kommen und sagen: „Du rödelst bis zum Umfallen, damit alles perfekt wird und du fünfzig Leute mit Deinen nutzlosen, symbolischen Geschenken zuspamen kannst, kaufst ein, bäckst, putzt, schreibst Karten, übst Weihnachtslieder aber du hast immer noch nichts an die Kinderhilfe in Afghanistan überwiesen – von den jemenitischen Kindern, an die dich der Schizophrenist immer erinnert, einmal ganz zu schweigen.“
Ja, das ist schlimm, denke ich. Gleich morgen mach ich's und wenn ich es nicht schaffe ist es ein bis zwei Tage nach Weihnachten sicher immer noch nicht zu spät.
Die Katze hat in diesem Jahr den Baum zum ersten Mal vollkommen ignoriert. Er steht noch nicht an der richtigen Stelle, sie ist da sehr pingelig. Ebenso wie kleine Kinder lieben Katzen Rituale. Es muss alles so sein wie immer, sonst machen sie nicht mit. Hoffen wir, dass uns das wichtigste Ritual nicht verloren geht: Die Liebe weiterzugeben.
In diesem Sinne: fröhliche und gesegnete Weihnachten, besonders all denen, die es brauchen.
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