Montag, 12. August 2019
Ausgerechnet Zion – Gedanken zum Predigttext vom vergangenen Sonntag
Der Predigttext für den 11. August, den 8. Sonntag nach Trinitatis, steht beim Propheten Jesaja, im 2 Kapitel und geht so:

1 Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem:
2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen,
3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.
4 Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!

Diejenigen, die Texte und Lieder für diesen Sonntag zusammengestellt haben, hatten vor allem das Thema Licht im Sinn: Das Lied „Sonne der Gerechtigkeit“, das Evangelium von Salz und Licht (Mt. 5,13-16) und auch im Ephesertext (5, 8b-14) ist von Kindern des Lichts und Frucht des Lichts die Rede. Nur Psalm 4 tanzt etwas aus der Reihe.

Mir fiel an diesem Text sofort etwas Anderes auf: „Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.“
Ausgerechnet der Zionsberg soll der Ort sein, von dem aus alle Menschen auf der ganzen Welt das Rezept für den Frieden erhalten? Ausgerechnet dieser ewige Krisenherd und Hexenkessel soll die Quelle des Weltfriedens werden? Das wäre in der Tat ein gewaltiges Wunder.

Ich stieß mich auch ein wenig an der zionistischen Selbstherrlichkeit: der Zionsberg höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, da lachen ja die Hühner, da haben wir in unserem kleinen, verkackten Deutschland ja schon höhere Berge.

Oder: „Von Zion wird WEISUNG ausgehen.“ Hey, wir sind Chef, ihr müsst alle machen, was wir wollen. So was können sich auch nur Männer ausdenken und zwar jene, die nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind.
Und dann ist da zunächst die Rede von allen Völkern, die ihre Waffen zu Ackergeräten umbauen, aber im Schlusssatz richtet sich der Aufruf, im Licht des Herrn zu wandeln, dann nur an jene aus dem Hause Jakobs. Schon sehr exklusiv.

Doch vielleicht hat der Prophet das gar nicht so gemeint, gehörte das nur zum allgemeinen Sprachgebrauch, um jene zu erreichen, die gerade mal wieder – wie so viele Male – den Anschluss an die Religion verloren, sich abwandten, ihren Geschäften nachgingen und den lieben Gott einen guten Mann sein ließen.

Wäre doch phantastisch, wenn Jesajas Prophezeihung sich erfüllen würde, am besten schon morgen. Und wer weiß, vielleicht bringt der Klimawandel am Ende keine Kriege der Völker mit sich, sondern einen solidarischen Kampf ums Überleben, weil es einfach nicht mehr anders geht, weil zum Kämpfen keine Zeit mehr bleibt.

Sehr schwer vorstellbar, aber man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben. Es steckt nicht nur Böses in der Menschheit. Und die Anweisung zum Frieden, ist ja tatsächlich von Zion ausgegangen und hat sich überall auf der Welt verteilt, nur leider bis jetzt nicht durchgesetzt. Also, Angehörige der Menschheit: macht Eure Waffen zu Ackergeräten, investiert in die Welternährung statt in Bomben und Raketen, verlernt das Kriegshandwerk und kommt zurück ins helle Licht von Gerechtigkeit, Frieden und Liebe.

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Samstag, 3. August 2019
Kindergottesdienst-"Predigt" zu Johannes 21,1-14
Wegen Stress und Migräne wird heute mein jüngster religionspädagogischer Beitrag recycelt. :-)

Nacherzählung des Bibeltextes:

Unsere Geschichte spielt am See Tiberias. Dort tauchte Jesus zum dritten Mal auf, nachdem er auferstanden war.
Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus, Natanaël aus Kana in Galliläa, Johannes, Andreas und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen.
Simon Petrus sagte zu seinen Freunden: Ich gehe fischen. Die Freunde antworteten: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts.
Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Jesus sagte: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden.
Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. Da sagte Johannes zu Petrus: Es ist Jesus, der Herr!
Als Simon Petrus das hörte, sprang er in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.
Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot liegen. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt!
Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern traute sich zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es Jesus war.
Jesus nahm das Brot und verteilte es unter ihnen, ebenso den Fisch. Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern zeigte, seit er von den Toten auferstanden war.

"Kurzpredigt"
Ich glaube, diese Geschichte wird in der Bibel erzählt, um zu zeigen, dass es normal ist, keine Hoffnung zu haben, auch wenn man ein Mensch ist, der an Gott glaubt. Es funktioniert nicht immer alles perfekt, aber die Kraft, die auch durch Jesus gewirkt hat, kann uns in unserem Leben helfen. Und Jesus hat die Menschen zusammengebracht. Gemeinsam kann man viel mehr schaffen, als wenn jeder für sich allein herumpröddelt. Bestimmt habt ihr etwas mitbekommen, von dem Klima, das sich auf der ganzen Welt verändert und dass unsere Zukunft bedroht ist. Aber ihr habt auch mitbekommen, dass ganz viele Schüler Freitags demonstrieren, um die Politiker zu zwingen, das Richtige zu tun. Wenn es ein Problem gibt, müssen alle mithelfen, dann gibt es auch eine Lösung. Und wenn Gott uns dabei hilft, klappt es noch besser.

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Samstag, 27. Juli 2019
Inklusion oder Abgrenzung? Dialog mit dem Predigttext des 6. Sonntags nach Trinitatis – 1. Petrus 2,2-10
2 UND SEID BEGIERIG NACH DER VERNÜNFTIGEN LAUTEREN MILCH WIE DIE NEUGEBORENEN KINDLEIN, DAMIT IHR DURCH SIE ZUNEHMT ZU EUREM HEIL,

Wenn man wie im vorangegangenen Vers alles Boshafte ablegt, niemanden über den Tisch zieht, nicht heuchelt, nicht lästert und den Neid aus dem Herzen verbannt; wenn man sich stattdessen von menschlicher Korrektheit und Vernunft leiten lässt, geht es einem dann wirklich besser? Liegt darin unsere Heilung?
Vielleicht fühlt es sich so an, als würde man sich die Falten aus der Seele bügeln, zumindest für einen Moment, aber Lästern macht Spaß, ist ein prima Ventil, bevor einen Zeitgenossen, die einen bis zum Erbrechen nerven, explodieren lassen.
Und wenn alle immer nur grundgut sind, ist es auch ganz schön langweilig. Wenn es kein Schwarz mehr gibt, kann das Weiß gar nicht leuchten. Warum sollten wir uns so in unseren Möglichkeiten beschneiden?

3 DA IHR JA GESCHMECKT HABT, DASS DER HERR FREUNDLICH IST.

Um ehrlich zu sein: Beim Abendmahl schmecke ich, dass die Oblate pappig, nährstoffarm und leicht salzig ist, der Traubensaft dagegen viel zu süß und entsetzlich alkoholfrei. Aber ich spüre die Gemeinschaft, die Bereitschaft zum Frieden und zu gegenseitiger Fürsorge und Wertschätzung.

4 ZU IHM KOMMT ALS ZU DEM LEBENDIGEN STEIN, DER VON DEN MENSCHEN VERWORFEN IST, ABER BEI GOTT AUSERWÄHLT UND KOSTBAR.

Warum wählt Gott einen aus, die Menschen zu lehren, den sie nicht anerkennen, weil sie ihn nicht verstehen?

5 UND AUCH IHR ALS LEBENDIGE STEINE ERBAUT EUCH ZUM GEISTLICHEN HAUSE UND ZUR HEILIGEN PRIESTERSCHAFT, ZU OPFERN GEISTLICHE OPFER, DIE GOTT WOHLGEFÄLLIG SIND DURCH JESUS CHRISTUS.

Sollen wir alle spirituelle Snobs werden, die das Heil für sich gepachtet haben, die aber niemand versteht?

6 DARUM STEHT IN DER SCHRIFT (JESAJA 28, 16): „SIEHE, ICH LEGE IN ZION EINEN AUSERWÄHLTEN, KOSTBAREN ECKSTEIN; UND WER AN IHN GLAUBT, DER SOLL NICHT ZUSCHANDEN WERDEN.“

Die Menschen sind ja frei und mündig, selbst zu entscheiden, an was oder wen sie glauben wollen und so hat Jede*r die Chance auf Heilung oder Rettung. Freie Entscheidung ist gut, aber wäre es nicht unser Auftrag, als lebendige Steine darauf hinzuwirken, dass die Botschaft verstanden wird, statt uns auf unser Auserwähltsein etwas einzubilden?

7 FÜR EUCH NUN, DIE IHR GLAUBT, IST ER KOSTBAR; FÜR DIE UNGLÄUBIGEN ABER IST „DER STEIN, DEN DIE BAULEUTE VERWORFEN HABEN UND DER ZUM ECKSTEIN GEWORDEN IST, 8 EIN STEIN DES ANSTOßES UND EIN FELS DES ÄRGERNISSES“ (PSALM 118,22, JESAJA 8,14); SIE STOßEN SICH AN IHM, WEIL SIE NICHT AN DAS WORT GLAUBEN, WOZU SIE AUCH BESTIMMT SIND.

Warum stoßen sich so viele an diesem Jesus von Nazareth? Damals waren es vor allem die, die um den Erhalt ihres gesellschaftlichen Status bangten. Heute gibt es da verschiedene Fraktionen: zum einen die, die ihre überwiegend berechtigte Kritik an den verfassten Kirchen pauschalisieren und alles in einen Topf werfen.
Natürlich auch die Hedonist*innen, die sich bei ihrer Jagd nach Spaß, Konsum und Superlativen von nichts und niemandem zurückhalten lassen wollen.
Aber auch viele kluge, mutige Menschen mit hohem moralischem Anspruch und ausgeprägtem Sozialverhalten, bei denen in der Konfrontation mit Religion und Spiritualität eine derartige Abscheu zutage tritt, dass ich mich frage, was genau das eigentlich ist?
Angst, vom einmal eingeschlagenen Weg, für den man sich entschieden hat, abzukommen?
Eine tief sitzende Überzeugung, dass alles Religiöse in die Welt der naiven, entwicklungsverzögerten Realitätsverweigerer gehört?
Eine Wut auf erlittene Verletzungen, Nötigungen und Bevormundungen?
Eine Angst, mit den Geächteten in einen Topf geworfen zu werden, sodass der religiöse Makel an einem klebt, wie der schwarze Dreck an der Pechmarie?
Und was unterscheidet diejenigen, die sich ihre religiöse Musikalität bewahrt haben, von denen, die das kategorisch ablehnen?

9 IHR ABER SEID DAS AUSERWÄHLTE GESCHLECHT, DIE KÖNIGLICHE PRIESTERSCHAFT, DAS HEILIGE VOLK, DAS VOLK DES EIGENTUMS, DASS IHR VERKÜNDIGEN SOLLT DIE WOHLTATEN DESSEN, DER EUCH BERUFEN HAT VON DER FINSTERNIS ZU EINEM WUNDERBAREN LICHT;

Ich will zu keiner Elite gehören, die andere ausschließt. Ich will, dass alle mit ins Licht kommen. Was ist das für ein Scheißkonzept: Hier wir, die Kinder des Lichts, dort die, die Kinder der Finsternis? Warum hat ER mich berufen, so viele andere aber nicht?

10 DIE IHR EINST „NICHT EIN VOLK“ WART, NUN ABER „GOTTES VOLK“ SEID, UND EINST NICHT IN GNADEN WART, NUN ABER IN GNADEN SEID (HOSEA 2,25)

Na, das ist immerhin etwas, die Auflösung fremdbestimmter Strukturen. Nationalität, sozialer Status, das soll bei denen, die an Jesus glauben, keine Rolle mehr spielen. Sicher muss man das auch auf dem Hintergund lesen und verstehen, dass der christlichen „Sekte“ eine exklusive, jüdische Kultur vorausging: man verstand sich als Volk Gottes qua Geburt durch eine jüdische Mutter. Man musste zwar auch nach Gottes Geboten handeln, um nicht in Verdammnis zu geraten, aber grundsätzlich war man auserwählt, so der Glaube. Alle anderen gehörten nicht dazu, von denen hielt man sich fern. Dieses Muster wurde zwar auch im Alten Testament immer wieder bewusst durchbrochen, aber es gibt auch genug Geschichten, in denen die Abgrenzung gegenüber anderen besonders betont wird. Und diese Grenzen werden durch den neuen, christlichen Glauben überwunden.

Man könnte fordern, dass wir alle eine große Familie sind aufgrund unser Spezies, weil wir uns diese Welt teilen und gemeinsam unser Überleben sichern müssen. Aber vielleicht brauchen Menschen etwas oder jemanden, zu dem sie gehören können. Und da ist eine selbst gewählte Glaubensgemeinschaft gegenüber dem, was vorher war, ein großer Fortschritt.
(Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich sehe im Christentum eher ein reformiertes Judentum als eine „bessere“ Religion.)
Nur selbst gewählt muss sie sein, diese Religionszugehörigkeit. Wenn Christsein zur gesellschaftlichen Normalität und Selbstverständlichkeit wird, ist es nichts mehr wert, sondern nur noch eine andere Spielart von Nationalität, Sippe oder gesellschaftlicher Schicht. Man muss sich täglich entscheiden. Ein Leben lang.

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