Samstag, 28. Mai 2022
Der Heilige Geist wird's schon richten - Vier Gedanken zum Predigttext am 29. Mai 2022
Diesen Text musste ich mehrfach lesen, in allen verfügbaren Übersetzungen und tue mich noch immer schwer damit.

https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C.NLB/R%C3%B6mer8%2C26-30

Vier wesentliche Aussagen finde ich darin, zu denen mir das nun Folgende durch den Kopf gegangen ist:

1. Christ*innen oder Gläubige müssen keine gewieften Theolog*innen sein, da kann ruhig Chaos im Kopf herrschen, Unsicherheit, Zweifel, Unverständnis? der gute Geist wirkt von ganz allein, man muss es nur zulassen - gegenüber der schöpferischen Kraft muss man keine Angst haben sich zu blamieren oder es beim Beten zu vergeigen und damit Schaden anrichten.

Im gelebten Glauben in christlichen Kirchen, vorzugsweise in den Evangelischen, gibt es zwei ungesunde Extreme: Das eine ist die perfektionistische kleinkarierte Theologie des blasierten Bildungsbürgertums, das die meisten ausgrenzt, demütigt und heimlich verhöhnt. Hier findet eine zutiefst unchristliche Selbstüberhöhung der "Eingeweihten" statt, die einen nicht unerheblichen Anteil am Sinken der Mitgliederzahlen hat.
Das andere Extrem ist die Banalisierung der Religion. Hauptsache, ich habe Spaß, es ist was los, ich fühle mich wohl, die Musik ist cool, die Ausstattung ansprechend, die Aktionen spannend? Inhalte sind egal. Da füllen sich plötzlich Gotteshäuser mit Menschenmassen, weil die Musik von einer Band begleitet wird, der Altarraum mit bunten Scheinwerfern ausgeleuchtet ist und es am Ausgang pfiffige Give-aways gibt. Inhaltlich kommt man hier oft nicht über das hinaus, was wir schon in den Fünfzigerjahren für überwunden hielten. Es ist nichts als der alte Kack im neuen Frack. Theologisches Fastfood fürs blöde Volk. Das kann es doch auch nicht sein.

Können wir nicht klugen Gedanken Raum geben, in einer Kirche, in der Menschen sich wieder aufs selber Denken einlassen? Leider haben die meisten dazu keine Lust, obwohl die Mehrheit der Kirchenmitglieder durchaus nicht aus gedankenlosen Trotteln besteht. So bleibe ich frustriert und ratlos zurück.


2. Für diejenigen, die im Einklang mit Gott, mit der Schöpfung leben, nimmt jede Entwicklung ein gutes Ende.

Ich kenne dieses Gefühl, dass sich am Ende irgendwie alles fügt, wenn ich so auf mein bisheriges Leben zurückblicke. Auch sehr schwierige Zeiten, in denen ich zutiefst verzweifelt war, haben ihren Anteil an dem Schönen und Guten, was danach kam. Aber ich lebe auch in einer privilegierten Welt. Einem jemenitischen Kind muss so eine Aussage doch vorkommen wie der blanke Hohn.
Andererseits ist eine solche Haltung vielleicht ein guter Plan, um ein Leben lang durchzuhalten.


3. Gott hat Menschen ausgesucht, die am Ende genauso werden sollen wie Jesus, so wie kleine Geschwister, die erst ein angemessenes Sozialverhalten lernen müssen.

Und was ist mit dem Rest?
Ich mag dieses paulinische Elitedenken nicht. Warum sollte Gott Einzelne auswählen und den Rest in der Hölle verrotten lassen? Warum sollen wir uns anstrengen, wenn sowieso schon alles vorherbestimmt ist?
Aber mir gefällt der Gedanke, dass wir alle Gottes Kinder sind, unterwegs um das Niveau unseres großen Bruders Jesus zu erreichen, ohne den Anspruch, von vorneherein schon alles drauf zu haben. Wir müssen ein Leben lang an uns arbeiten - aber wir haben alle das Zeug dazu. Und wenn ich "wir" sage, dann meine ich ausnahmslos alle Menschen.


4. Wo diese Menschen nun schon einmal ausgesucht wurden, hat Gott auch vor, sie für alle Ewigkeit bei sich zu behalten. Es kann also gar nichts schiefgehen.

Ich gehe davon aus, dass wir alle ausgesucht wurden, einfach weil wir Menschen sind, von denen jede/r Einzelne von Gott gewollt und geliebt ist. Vielleicht müssen wir uns alle mal etwas mehr entspannen. Uns schon anstrengen, das Richtige zu tun, für andere da zu sein, die Schöpfung zu bewahren, niemandem zu schaden usw., aber nicht an uns zu verzweifeln, wenn wir an unsere Grenzen stoßen. Bedauern, ja, aber nicht mit uns selbst hadern. Das schadet nicht nur uns sondern auch allen anderen, denn das macht uns unleidlich, leistungsschwach und unkreativ.

Wir kriegen es schon irgendwie hin. Lassen wir uns helfen. Öffnen wir uns für den Heiligen Geist.

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