Sonntag, 25. Oktober 2020
Korinthenkacker - Zum Predigttext am 25.10.2020
Ist Ihnen das auch schon einmal aufgefallen? Diese Erbsenzählerei bei der Einhaltung von Regeln? So wie in der folgenden Geschichte:
https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Markus2%2C23-28

Die Botschaft dieser Geschichte ist nicht schwer zu verstehen: Regeln werden gemacht, um das Zusammenleben zu organisieren und zu erleichtern. Solange sie ihren Zweck erfüllen, sind sie einzuhalten. Wenn sich aber die Voraussetzungen ändern, ist die Lage neu zu bewerten und sind die Prioritäten gegebenenfalls zu verschieben. Das gilt sogar für heilige Gebote. Was hat einer von der Sabbatruhe, wenn er nebenbei verhungert?

In unserem Kulturkreis ist das beharrliche Festhalten an Regeln leider nach wie vor sehr verbreitet. In schlecht organisierten Staaten tun das nur die Behörden – aus Faulheit, Dummheit und Angst. Bei uns hingegen geben die Faulen, Dummen und Ängstlichen offenbar den Ton an. Hat man einmal verstanden, dass es so falsch, so hingegen richtig ist, wird diese Erkenntnis mit der Erbarmungslosigkeit eines Folterknechts hochgehalten. Ich nenne mal ein Beispiel aus meiner länger zurückliegenden beruflichen Praxis:

In einem Alten- und Pflegeheim erhielt eine Bewohnerin laut Pflegeplan zur Dekubitus-Prophylaxe täglich ein Gemisch aus fettiger Heilsalbe und Mentholhaltiger Wärmesalbe – um einerseits die Haut geschmeidig zu halten und gleichzeitig für gute Durchblutung zu sorgen – eine gängige und sinnvolle Behandlung.
In ihrem besonderen Fall kam es allerdings doch zu offenen Stellen, kleine nässende Wunden, die höllisch schmerzen. Einige Angehörige des Pflegepersonals setzten die Therapie fort. Als der Pflegedienstleiter bei der Übergabe entsetzt fragte, wie sie das hätten tun können, die Mentholsalbe sei doch ätherisch, lautete die lapidare Antwort: Das stand auf dem Pflegeplan.
- Zu dumm, die veränderten Voraussetzungen einzuordnen und neu zu bewerten.
- Zu faul, sich bei geänderter Lage um etwas zu kümmern oder auch nur darüber nachzudenken.
- Zu große Angst, einen Fehler zu machen. Aus Dienst nach Vorschrift kann einem schließlich niemand einen Strick drehen.

Leider weitet sich diese Mentalität mittlerweile auf alle Lebensbereiche aus, ob es nun um das gesprochene Wort, Hygieneschutzkonzepte, Förderrichtlinien in der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder Pfandbons bei der Kassenabrechnung geht. Es gibt immer mehr Regeln und wer sie nicht befolgt, wird gekreuzigt, auch dann, wenn die Wirklichkeit ihm Recht gibt.
Können wir uns bitte alle mal wieder ein bisschen entspannen? So mit Humor, Verstand und Pragmatismus durchs Leben gehen? Das wäre schön.

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