Sonntag, 7. Januar 2018
Wie Weihnachten und Ostern zusammenhängen
Als unsere Tochter fast drei Jahre alt war, begannen wir, die Weihnachtsmythen der eigenen Kindheit an sie weiterzugeben. Während Sie mit der Mutter in der Christvesper saß, öffnete zu Hause der Vater dem Christkind die Tür, damit es die Geschenke bringen konnte. Wenn unsere Tochter, dann aus der Kirche zurückkam, leuchteten die Kerzen am Weihnachtsbaum, darunter lagen die Geschenke vom Christkind und vom Vater bekam sie persönlich etwas Getischlertes und von der Mutter etwas Gestricktes oder Genähtes geschenkt. Vor dem Auspacken wurden natürlich zunächst ein paar Weihnachtslieder gesungen. Ihr Vater erzählte ihr dann, das Christkind sei eine Weile da geblieben und habe ein wenig geschaukelt auf der Deele, wo unsere Tochter eine weit schwingende Schaukel hatte. Sie war kreuzwütend, dass sie den Besuch des Christkinds verpasst hatte und schwor, im nächsten Jahr nicht in die Kirche zu gehen, aber wir erklärten ihr, dass das Christkind nicht käme, wenn sie nicht den Weihnachtsgottesdienst besuche.
Zu all den Mythen von den Geschenke bringenden Wesen gesellte sich neben dem Nikolaus am 6. Dezember auch die Befana am 6. Januar (eigentlich eine italienische Epiphanias-Tradition) und selbstverständlich der Osterhase, der neben gefärbten Eiern und Süßigkeiten auch eine Kleinigkeit zum Spielen vorbeibrachte.
Dann wurde meine Tochter sieben Jahre alt, das Alter, in dem die meisten Kinder sich nur noch schwer hinters Licht führen lassen, in dem sie in der Regel lernen, sich in andere hineinzuversetzen und von sich und den eigenen Bedürfnissen abzusehen.
Wir machten über Ostern Urlaub in der Toskana und als langjährige Italienfans wussten mein Mann und ich, dass die italienischen Ostersüßigkeiten zu vernachlässigen sind – nur riesige Überraschungseier und kleine, blaue, eiförmige Baci di Perugina, die nicht besonders lecker schmecken. Wir brachten also Osterschokolade aus Deutschland mit.
Italien verwöhnte uns mit einer spektakulären Karfreitagsprozession und einer stimmungsvollen Osternacht in einer mittelgroßen, barocken Dorfkirche.
Der Ostermorgen war dann sehr ernüchternd. In der Grundschule hatten die Kinder sich schon vor den Ferien darüber ausgetauscht, dass das mit dem Osterhasen, dem Nikolaus und all den anderen geheimnisvollen Besuchern wohl eine Mär sei. Eine Freundin hatte kurz vor Weihnachten verpackte Geschenke im Kleiderschrank der Eltern entdeckt. Der Glaube und das Vertrauen in die zauberhafte Welt der guten Geister hatte bereits einen Riss bekommen. Und jetzt das: überdeutliche Indizien elterlichen Betruges. Unser Kind sagte: „Das sind doch Süßigkeiten aus Deutschland. Die habt ihr doch mitgebracht. Den Osterhasen gibt es gar nicht, das seid ihr.“
Wenn einem die Kinder auf die Schliche kommen, sollte man ihnen nicht länger etwas vormachen und wir fürchteten uns ein wenig, denn wir kannten Geschichten von Kindern, die maßlos enttäuscht von ihren Eltern waren, weil die sie so schamlos angelogen hatten. Also erklärten wir: „Wir wollten dir mit der Geschichte vom Osterhasen alles ein bisschen schöner machen.“
Sie sah uns an: „Und der Nikolaus, seid ihr das auch?“
Wir nickten.
„Und die Befana?“
Wir nickten erneut.
„Und Weihnachten? Das Christkind? Gibt es das etwa auch nicht?“
„Das haben wir auch nur so erzählt, weil es schön ist.“
Sie schwieg einen Moment und dachte nach. Dann fragte sie: „Aber die ganzen Geschenke. Habt ihr die etwa gekauft?“
Wir nickten erneut.
„Alles?!“
„Ja.“
Sie war gerührt. Ich erinnere mich nicht mehr, was genau sie dann sagte, aber sie war fassungslos, dass wir ihr zuliebe jahrelang auf ihren Dank und ihre Anerkennung verzichtet hatten. Aber wie man deutlich sieht, sind wir vielfach dafür entschädigt worden.

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Aber wie man deutlich sieht, sind wir vielfach dafür entschädigt worden.

Jo! Ich bin gespannt wie dieser wohl unvermeidliche Tag der Erklärung bei uns ablaufen wird. Sehr.

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Ich habe einmal als Lehrer einer zweiten Klasse einen heftige Diskussion über das Thema erlebt: Die Hälfte der Klasse glaubte an den Weihnachtsmann, die andere Hälfte nicht. Da kam plötzlich von einem Befürworter das schlagende Argument: "Natürlich gibt es den Weihnachtsmann. Wenn es ihn nicht geben würde, gäb es ja auch den Osterhasen nicht." Das war so überzeugend, dass sofort wieder Ruhe war. (Und ja, es war tatsächlich eine zweite Klasse - heute fände das Gespräch wohl eher im Kindergarten statt.)

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Mir hatte einmal eine Psychologin entgegengehalten, als ich erklärte, dass das Bewahren dieses Weihnachtszaubers für meine damals fast 5-jährige Tochter besonders wichtig sei. "Kein Mensch braucht Illusionen."
Ich glaube aber, dass gerade Kinder Illusionen brauchen, vielleicht auch, weil sie noch so machtlos sind. Darum hatten die Menschen in früheren Zeiten, deren Dasein ja von Ohnmacht bestimmt wurde, ein stärkeres Bedürfnis nach Glauben und Spiritualität als die Menschen in unserer übersättigten, aber zum Glück auch weniger ohnmächtigen Gesellschaft.

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Eine wunderschöne Geschichte ...
... toll, dass deine Tochter so reagiert hat!

Aber die Psychologin weiss anscheinend nicht viel von Menschen ... ohne Illusionen oder Träume können die doch gar nicht. Brauchen die Kinder denn auch keine Märchen? Ist ja auch alles Lüge ... ;o)

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Die Psychologin
weiß eine Menge von Menschen, aber vielleicht hat sie sich in diesem Punkt geirrt.

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