Sonntag, 2. Juni 2024
Wiesu denn blus?
Also eigentlich ist der Predigttext für heute spannend, ebenso die biblischen Begleittexte, aber mir geht etwas ganz Anderes im Kopf herum:

Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

Kennen sie die Rumpelwichte aus Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter?“ Diese unschuldigen, schlichten Wesen, die einfach nicht verstehen, warum jemand ihre Welt kaputt macht? So fühle ich mich gerade. Es gibt viele Ereignisse, bei denen ich diese Frage stellen möchte, aber was ich aktuell noch gar nicht fassen kann ist der gut eine Woche alte Sylt-Skandal, sie wissen schon, nicht der mit unserem Finanzminister, sondern der mit den reichen Nazi-Schnöseln im Pony.

Meine Frage: Warum machen die das?

Exkurs: Ich verstehe, wenn unterprivilegierte Jugendliche oder auch Erwachsene, die in einer lieblos dahin gerotzten Wohnbebauung viele ungute Erfahrungen mit ebenso unterprivilegierten Menschen aus anderen Kulturkreisen machen und zu der Fehldiagnose gelangen, die seien Schuld an ihrem Unglück. Ich habe mit dieser Zielgruppe gearbeitet und ich kann ihr Neingefühl nachvollziehen, wenn ich auch so manche menschenverachtende Schlussfolgerung nicht billige.

Und nun nochmals meine Frage: Welches Problem haben reiche, privilegierte Menschen, die in idyllischer Lage wohnen, unter optimalen Bedingungen arbeiten (wenn sie nicht einfach von irgendwelchen Zinsen leben) und vermutlich keinen Kontakt zu armen, bildungsfernen Menschen haben, seien sie nun Biodeutsche oder Einwanderer in 1., 2, oder 3. Generation? Wovor haben die Angst? Warum blöken die trotz Abitur, Studium und goldenen Löffeln so ein strunzdummes Fascho-Gwäsch?

Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

Mein Antwortversuch: Sie teilen nicht gern und sie bekommen nie genug. Sie sind Macht- und Reichtum-adipös. So wie schwer an Adipositas erkrankte Menschen, deren Darmbakterien sie zwingen, immer weiter zu fressen, auch wenn sie wissen, dass es sie krank macht, aber sie können nicht aufhören, der Drang ist zu stark, die Sucht nach Zucker, ungesunden Fetten und Kohlehydraten ist stärker als ihr Wille und sie werden dicker und dicker.
So können die Reichen und Mächtigen nicht aufhören Reichtum und Macht zu verschlingen, immer mehr und mehr für sich zu beanspruchen, und in Verlustangst zu leben, sogar dann, wenn sie immer reicher werden und ihre Minderheitenpartei Klientelpolitik für sie betreibt und dreist und vehement ihre Interessen durchsetzt.
Gibt es eine Therapie?

Oder was meinen Sie, was da abgeht?

Ich kann mich immer nur schütteln und wieder und wieder fragen: Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

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Sonntag, 19. Mai 2024
Von Zombies und Geistern, nicht nur von Heiligen
https://www.die-bibel.de/bibel/BB/EZK.37
Es reicht, wen Sie bis Vers 14 lesen.

Was für ein gewaltiger Predigttext! Und er mag befremdlich wirken, in einer Zeit, in der Israel die Welt weiter polarisiert. Kritik an Israels Reaktion auf den Angriff durch die Hamas, aber eben auch bedingungslose Solidarität mit einem Volk, dass viel zu lange auf der ganzen Welt herumgeschubst wurde - und bis heute nicht sicher ist. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung und es scheint unmöglich, diesen Konflikt zu lösen.

Pfingsten dagegen ist nicht nur der Geburtstag der Christlichen Kirche, es ist auch das Fest der Völkerverständigung. Das Pfingstwunder als Rückreaktion der Sprachverwirrung zu Babel.

Kleine Info für Bibelunkundige: In Alten Testament wird berichtet, dass die Menschen einen Turm so hoch in den Himmeln bauen wollten, bis sie bei Gott ankamen. Weil Gott verhindern wollte, dass sie in ihrem Größenwahn die ganze Welt zerstörten, verwirrte er ihre Sprachen. Da sie sich nicht mehr untereinander verständigen konnten, musste sie das Projekt abbrechen.
An Pfingsten - so wird es in der Apostelgeschichte berichtet - 10 Tage nach Jesu Himmelfahrt und damit 50 Tage nach Ostern, fand auch zeitgleich ein jüdisches Erntefest (50 Tage nach Pessach) statt, zu dem viele Touristen aus dem weitläufigen Ausland anreisten. Sie sprachen sehr verschiedene Sprachen. Als Petrus jedoch eine Predigt über den auferstandenen Jesus von Nazareth hielt, konnten ihn alle verstehen. Unmittelbar nachdem der von Jesus angekündigte Heilige Geist von ihm und seinen Mitjüngern Besitz ergriffen hatte.

Jetzt aber zurück zum Predigttext. Diese gruselige Wiedergänger-Erweckung wird als Vision beschrieben, nicht als tatsächliches Ereignis. Sie besitzt eine große symbolische Bedeutung, die im Text selbst erklärt wird. Israel war ins feindliche Babylonien verschleppt worden und befand sich dort in Gefangenschaft. Wie demütigend, entmutigend und deprimierend eine solche Deportation auf die Menschen gewirkt haben muss. Entwurzelt und ihrer kulturellen und religiösen Identität beraubt, war es doch schwierig, sich im Exil nicht an die örtlichen Regeln der Machthaber anzupassen.
Die Vision des Propheten ist gleichsam als Appell zu deuten, sich dem eigenen Glauben wieder zuzuwenden, aber auch als Ermutigung, dass die Verzweiflung ein Ende haben wird, dass die Gemeinschaft durch den Glauben, die Anhänger des jüdischen Glaubens stärken wird und damit die Rückkehr ermöglichen wird.

Natürlich denken und fühlen wir heute nicht mehr in solchen Kategorien. Aber ich kenne das auch, ständige Rückschläge und Hindernisse, die mich mutlos machen, mir die Kraft rauben, dass ich mich nur noch fühle wie ein Haufen vertrockneter Knochen und dann braucht es einen Gamechanger, um den inneren Antrieb wieder in Gang zu bringen.

Vermutlich würde es die Konflikte in dieser Welt eher verschärfen als lösen, wenn alle Menschen sich radikal auf ihre religiösen Werte zurückbesinnen würden. Das will ich mir lieber nicht vorstellen.

Aber es gibt ja universelle Werte, die in allen Religionen und auch säkularen Weltanschauungen eine tragende Rolle spielen, die das Potential besitzen, uns alle miteinander zu verbinden. Und es gibt viele Menschen, die genau diesen Weg gehen wollen. Lesen Sie mal - wenn Sie Zeit haben - "Apeirogon" von Colum McCann. Solche Menschen müssen wir unterstützen, wo wir nur können - und von ihnen lernen.
In diesem Sinne: Frohe Pfingsten!

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Mittwoch, 8. Mai 2024
Kurz vorm Abflug
Assoziieren Sie einmal zu den 5 folgen Begriffen:

Zeugen, empfangen, Geist, heilig, Kraft. Etwa so:

Zeugen:
sehen, hören, berichten, aussagen, Wahrheit, Beweis, Ehrlichkeit, Mut, Anklage, Verteidigung, Zeugnis, Zeitzeugen, der letzte Zeuge, Zeugenstand

empfangen:
bekommen, kriegen, aufnehmen, Schwangerschaft, Geschenk, eindringen, annehmen, bereit sein, auf Empfang, Aufmerksamkeit, Wertschätzung.

Geist:
Seele, Gefühle, Kopf, Verstand, Intelligenz, Gespenst, Körperlosigkeit, Leichtigkeit, unfassbar, allgegenwärtig, Licht, Luft, wehen, Hauch.

Heilig:
göttlich, wertvoll, wichtig, bedeutsam, Engel, Segen, Salbung, Rituale, Kraftorte, Tempel, Baum, Hain, Steine, Öl, Weihrauch, Allerheiligen, Verehrung, Devotionalien, Reliquien, Würde, Respekt

Kraft:
Stärke, Macht, Energie, Muskeln, Geistkraft, Bewegung, Wirkung, Leben, Gesundheit

"Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein." Apostelgeschichte 1,8

Diese Worte hat Jesus laut der Apostelgeschichte zu seinen Jüngern gesprochen, kurz bevor er vor ihren Augen verschwand. Mich interessiert nicht, ob sich diese Situation tatsächlich so ereignet hat, sondern vielmehr, worin die theologische Intention der Erzählung besteht.

Der Anführer lässt die wenig selbstbewussten Freunde zurück und muntert sie auf: Ihr werdet auch ohne mich klarkommen, denn ihr werdet von einem Geist erfasst, der euch innere Stärke verleiht und dann werdet ihr das, was ich euch erklärt habe weiter tragen und überall erzählen, was ihr mit mir erlebt habt, so bleibe ich dann für immer bei euch.

Wie es sich wohl anfühlt, wenn man von diesem Geist ergriffen wird? Was löst das aus? In alten Zeiten glaubten Menschen, dass dieser göttliche Geist geradezu Zauberkräfte verleiht: Man konnte dann böse Geister austreiben, Krankheiten heilen, sogar Tote zurück ins Leben holen.
Vernunftbegabte, moderne Menschen glauben so etwas nicht. Also steckt nichts für uns in diesem Bild?

Vielleicht doch. Es gibt Situationen, die sich so anfühlen, als wenn auf einmal eine besondere Energie Besitz von einem ergreift. Man fängt deswegen nicht an, verrückt zu spielen, man ist nur besonders angerührt. So etwas passiert zum Beispiel in Gemeinschaft, bei Naturerfahrungen oder in der Meditation. Und das verleiht Stärke, Mut und Selbstwirksamkeit. Man hat dann das Potential, über sich hinauszuwachsen, zumindest für einen Augenblick.

Ich denke dass jede:r der/die bereit ist, das zuzulassen, das hin und wieder erleben wird.

Genießen Sie den Feiertag :-)

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