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Samstag, 12. September 2020
Zac (zu Lukas 19, 1-10)
c. fabry, 21:49h
Zac war schon der Geilste, hatte die neuesten Spiele für die Playstation, eine Riesenzimmer, coole Klamotten, Eltern, die zwei Mal im Jahr brav den Wunschzettel abarbeiteten. Aber irgendwas fehlte ihm noch. Vielleicht zog er deshalb so gern andere Kinder auf dem Schulhof ab: Jacken, Handys, was er kriegen konnte. Alle hatten Schiss vor ihm, aber keiner wollte sein Freund sein.
Der Neue war richtig cool, Buraq hieß er, war einen Kopf größer als die meisten, hätte jeden mit einem Schlag in Grund und Boden rammen können, machte er aber nicht. Stattdessen zeigte er anderen Tricks mit dem Basketball, half bei den Hausaufgaben, kümmerte sich um Verletzte, schlichtete Streit. Für jeden war er da, nur nicht für Zac, denn Zac brauchte ja niemanden.
Aber Zac brauchte jemanden, ganz dringend, und er wollte unbedingt Buraqs Freund sein. Aber das wollten ja alle. Dann passierte es. Zac kletterte auf das Schuldach, über die Feuerleiter, Riesenaufregung, die Lehrer dachten, er wolle springen. Buraq sah ihn da oben und kletterte die Feuerleiter hoch. Als er ganz nah bei Zac stand, sagte er: „Komm runter, Alter! Lass und heute Nachmittag bei dir zocken, ich hab‘ gehört, du hast das neueste Fifa-Game.“
Zac freute sich einen Ast. Alle bekamen es mit und waren voll sauer, aber Buraq war das egal. Er besuchte Zac und nach dem Nachmittag sagte der: „War Scheiße von mir, andere abzuziehen. Morgen fange ich an, alles zurückzugeben und dann lade ich euch alle zur Party zu mir nach Hause ein.“
„Mach das.“, sagte Buraq. Und so kam es. Es kam mit zwei Gästen. Buraq und Tim. Nur zwei. Aber zwei Freunde sind doch schon ein Anfang.
(Original hier:
https://www.bibleserver.com/LUT/Lukas19%2C1-10)
Der Neue war richtig cool, Buraq hieß er, war einen Kopf größer als die meisten, hätte jeden mit einem Schlag in Grund und Boden rammen können, machte er aber nicht. Stattdessen zeigte er anderen Tricks mit dem Basketball, half bei den Hausaufgaben, kümmerte sich um Verletzte, schlichtete Streit. Für jeden war er da, nur nicht für Zac, denn Zac brauchte ja niemanden.
Aber Zac brauchte jemanden, ganz dringend, und er wollte unbedingt Buraqs Freund sein. Aber das wollten ja alle. Dann passierte es. Zac kletterte auf das Schuldach, über die Feuerleiter, Riesenaufregung, die Lehrer dachten, er wolle springen. Buraq sah ihn da oben und kletterte die Feuerleiter hoch. Als er ganz nah bei Zac stand, sagte er: „Komm runter, Alter! Lass und heute Nachmittag bei dir zocken, ich hab‘ gehört, du hast das neueste Fifa-Game.“
Zac freute sich einen Ast. Alle bekamen es mit und waren voll sauer, aber Buraq war das egal. Er besuchte Zac und nach dem Nachmittag sagte der: „War Scheiße von mir, andere abzuziehen. Morgen fange ich an, alles zurückzugeben und dann lade ich euch alle zur Party zu mir nach Hause ein.“
„Mach das.“, sagte Buraq. Und so kam es. Es kam mit zwei Gästen. Buraq und Tim. Nur zwei. Aber zwei Freunde sind doch schon ein Anfang.
(Original hier:
https://www.bibleserver.com/LUT/Lukas19%2C1-10)
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Samstag, 5. September 2020
Antikes Rezept gegen Burnout
c. fabry, 01:04h
Schöner Predigttext am Sonntag in der Apostelgeschichte 6, 1-7 https://www.bibleserver.com/LUT/Apostelgeschichte6%2C1-7
Wenn der Pastor diesen Text als Legitimation für ein: „Ich kann nicht helfen (beim Abwaschen, Tische aufbauen, Getränkekisten schleppen), ich muss repräsentieren.“ missbraucht, möchte ich ihn umgehend mit seinem Beffchen garrottieren. Theologinnen sind da anders, die packen einfach mit an und tun, was getan werden muss. Es gibt auch Ausnahmen beiderlei Geschlechts, aber das sind wirklich Ausnahmen.
Schon in der Antike war den Berufschristen (oder Christen aus Berufung) klar, dass man nicht alles selbst machen kann, nur weil man einsieht, dass es gemacht werden muss.
Es gibt ja unter Pfarrer*inenn und pädagogischen Fachkräften diejenigen, die sich bis zum Burnout verzetteln, weil sie sich für alles verantwortlich fühlen, das ist sehr ungesund. Vor allem angesichts des sich kontinuierlich verschärfenden Pfarrer*innenmangels sollten die Kirchenleitungen endlich aus dem Dornröschenschlaf erwachen.
Ist es nicht verrückt, dass Menschen, die viele Jahre Theologie studieren, am Ende mehr mit Betriebsmanagement befasst sind als mit Verkündigung, Seelsorge und theologischer Fachkompetenz? Nur weil sie meinen, sie müssten in der Hierarchie des Systems Kirche ganz oben stehen? Obwohl sie das alles nie wirklich gelernt haben und viel teurer sind als kompetente Verwaltungsfachkräfte, die das viel besser könnten?
Genauso läuft es mit den pädagogischen Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit. Weil die als Hauptamtliche bezahlt werden und die Hauptverantwortung tragen, schlagen sie sich überwiegend mit administrativen und koordinierenden Tätigkeiten herum, die sie auch eigentlich nie gelernt haben und das, was sie wirklich gut können, nämlich Angebote für Kinder und Jugendliche gestalten, müssen sie an dilettantische Ehrenamtliche übertragen, denen sie nur unzureichend auf die Finger sehen können.
Nun wollen wir ja nicht alle Macht den Verwaltungsfachleuten übertragen, dann werden wir ja noch deutscher, als wir sowieso schon sind. Aber die Arbeit von Grund auf neu verteilen, das wäre schon gut.
Und für alle, die das kircheninterne Gekröse nicht interessiert: Niemand kann die Welt allein retten. Tu das, was du gut kannst und mach deinen Mund auf, wenn du Handlungsbedarf siehst, den du nicht bedienen kannst.
Wenn der Pastor diesen Text als Legitimation für ein: „Ich kann nicht helfen (beim Abwaschen, Tische aufbauen, Getränkekisten schleppen), ich muss repräsentieren.“ missbraucht, möchte ich ihn umgehend mit seinem Beffchen garrottieren. Theologinnen sind da anders, die packen einfach mit an und tun, was getan werden muss. Es gibt auch Ausnahmen beiderlei Geschlechts, aber das sind wirklich Ausnahmen.
Schon in der Antike war den Berufschristen (oder Christen aus Berufung) klar, dass man nicht alles selbst machen kann, nur weil man einsieht, dass es gemacht werden muss.
Es gibt ja unter Pfarrer*inenn und pädagogischen Fachkräften diejenigen, die sich bis zum Burnout verzetteln, weil sie sich für alles verantwortlich fühlen, das ist sehr ungesund. Vor allem angesichts des sich kontinuierlich verschärfenden Pfarrer*innenmangels sollten die Kirchenleitungen endlich aus dem Dornröschenschlaf erwachen.
Ist es nicht verrückt, dass Menschen, die viele Jahre Theologie studieren, am Ende mehr mit Betriebsmanagement befasst sind als mit Verkündigung, Seelsorge und theologischer Fachkompetenz? Nur weil sie meinen, sie müssten in der Hierarchie des Systems Kirche ganz oben stehen? Obwohl sie das alles nie wirklich gelernt haben und viel teurer sind als kompetente Verwaltungsfachkräfte, die das viel besser könnten?
Genauso läuft es mit den pädagogischen Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit. Weil die als Hauptamtliche bezahlt werden und die Hauptverantwortung tragen, schlagen sie sich überwiegend mit administrativen und koordinierenden Tätigkeiten herum, die sie auch eigentlich nie gelernt haben und das, was sie wirklich gut können, nämlich Angebote für Kinder und Jugendliche gestalten, müssen sie an dilettantische Ehrenamtliche übertragen, denen sie nur unzureichend auf die Finger sehen können.
Nun wollen wir ja nicht alle Macht den Verwaltungsfachleuten übertragen, dann werden wir ja noch deutscher, als wir sowieso schon sind. Aber die Arbeit von Grund auf neu verteilen, das wäre schon gut.
Und für alle, die das kircheninterne Gekröse nicht interessiert: Niemand kann die Welt allein retten. Tu das, was du gut kannst und mach deinen Mund auf, wenn du Handlungsbedarf siehst, den du nicht bedienen kannst.
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Samstag, 29. August 2020
Die Prinzessin auf der Mähre – Ein Märchen von der Suche nach Gott
c. fabry, 10:48h
Es war einmal eine kluge und liebreizende Prinzessin die schon bald als Thronerbin ihrer Eltern antreten sollte, doch das Gesetz ihres Reiches verlangte, dass sie einen Gemahl an ihrer Seite hatte, mit dem sie gemeinsam regierte, denn die Menschen in diesem Land wollten immer eine Frau und einen Mann zusammen auf dem Thron, weil sie sonst um die Gerechtigkeit fürchteten.
Doch die Prinzessin hatte noch keinen geeigneten Jüngling gefunden und sie wusste auch nicht, was für einen Mann sie wählen sollte, damit sie mit ihm das Reich am besten regieren konnte. Musste er stark sein oder gnädig? Brauchte er Mut oder Mitgefühl? Sollte er klug oder großzügig sein? Alles auf einmal, das gab es sicher nicht.
In der Nacht ihres sechzehnten Geburtstags ging plötzlich ein frischer und süßer Lufthauch durch ihr Zimmer. Da stand vor ihrem Bett ein Wesen von durchscheinender Gestalt, zart und wunderschön.
„Bist du eine Fee?“, hauchte die Prinzessin ehrfürchtig.
„Ich bin die Fee der Weisheit.“, antwortete das Wesen. „Und ich bin gekommen, damit deine nächtlichen Grübeleien dich nicht weiter quälen und du zu einer Entscheidung gelangst.“
„Du kannst mir sagen, was für einen Mann ich mir zum Gemahl wählen soll?“
„Um eine gute Königin zu werden, kommt es nicht auf den Ehemann an, liebe Prinzessin, sondern darauf, dass du Gott findest. Alles andere ergibt sich dann.“
Bevor die Prinzessin fragen konnte, wie und wo sie nach Gott suchen sollte, hatte die Fee sich in der Nachtluft aufgelöst. War sie am Ende nur ein Traum gewesen? Aber was konnte schon falsch daran sein, Gott zu suchen? Sie wollte es wagen.
Am nächsten Morgen suchte die Prinzessin in den Heilgen Schriften, die sich in der königlichen Bibliothek befanden. Sie bekam dabei eine Ahnung von ihm, von seiner Macht, seinem Zorn, seiner Güte, doch sie fand Gott nicht in den Schriften.
„Vielleicht kommt es auf die Gebote an, die Heiligen Gesetze und Regeln, die von Gott kommen, denn sie sind das Gerüst eines geheiligten Staates.“, dachte die Prinzessin. Und so lernte sie, dass das Miteinander von Menschen durch Regeln freundlicher und sicherer wurde, aber was hatte das mit Gott zu tun?
Die Prinzessin überlegte, dass die Forscher und Gelehrten doch so viel von der Schöpfung wussten und täglich dazulernten, dass sie damit ganz nah an Gott herankamen und so begann sie, sich in kluge Bücher zu vertiefen – drei lange Jahre. Danach war sie um so vieles klüger geworden, aber Gott hatte sie noch immer nicht gefunden.
Eines Nachts erschien ihr die Fee erneut. Sie sagte: „Du musst dich auf den Weg machen, wenn du Gott finden willst. Und du darfst dich auf deiner Reise niemandem als Prinzessin zu erkennen geben. Sonst wird es nicht klappen.“
Die Prinzessin ließ das älteste und schäbigste Pferd im Stall satteln, eine Stute namens Mara und macht sich auf den Weg.
Sie ritt in die Einöde, schwieg, fastete und fror, um ganz leer zu werden, damit Platz in ihr war für Gott, doch sie bekam nur eine Ahnung von ihm, ein tiefes Sehnen, von dem sie nicht genau wusste, wonach.
„Vielleicht muss es doch ein besonderer Ort sein, ein Ort der extra dafür erschaffen wurde, damit Menschen ihm dort begegnen.“ Und sie reiste von Kloster zu Dom, von Dom zu Synagoge, von Synagoge zu Kapelle, von Kapelle zu Moschee, von Moschee zu Tempel und überall war es schön und still und heilig und in ihr wurde es warm und weich, aber Gott war hier nicht.
„Natürlich“, dachte sie, wie kann ich nur so dumm sein und denken, dass ausgerechnet Menschen einen Ort erschaffen können, an dem sie Gott begegnen. Gott selbst erschafft diese Orte.“ Und so streifte sie durch die Natur: Sie ging ans Meer, stieg auf hohe Berge, wanderte durch Wälder und Wüsten und überall spürte sie Gottes Größe und Güte, aber finden konnte sie ihn immer noch nicht. Traurig kehrte sie nach Hause zurück und war inzwischen schon zwanzig Jahre alt geworden.
Eines Nachts erschien ihr die Fee erneut. Sie sagte: „Es kommt schon auch auf andere Menschen an.“
Also ging es doch um das, was Menschen erschaffen hatten? Vielleicht fand sie Gott in den Künsten? Die Prinzessin betrachtete berühmte Bilder, lauschte besonderer Musik, besuchte das Theater und ließ sich spannende Geschichten erzählen. Und überall spürte sie, dass es Gott gab, aber sie fand ihn nicht.
Allmählich wurde sie wütend. Das konnte doch nicht sein, dass Gott sich einfach nicht finden lassen wollte. Sie musste sich wohl noch viel mehr anstrengen. Sie musste kämpfen für Gott, für das Gute, für ihr Volk. Und so ging sie unter die Soldaten und lernte das Kriegshandwerk, zog in viele Schlachten und wurde darüber wieder drei Jahre älter. So sehr verlor sie sich im Schlachtengetümmel, dass sie darüber das Ziel ihrer Suche fast völlig aus den Augen verlor. Eines Tages, als sie in Ruhe am Fluss saß und ihre Rüstung ausbesserte, erinnerte sie sich plötzlich, dass sie ja immer noch Gott suchte und dass sie ihn auch im Krieg nicht finden konnte, ganz im Gegenteil.
Und so verließ sie die Armee, ritt ziellos auf Mara, ihrer Mähre durchs Land, erbettelte sich ihren Lebensunterhalt oder verdingte sich als Tagelöhner und saß abends in Wirtshäusern am Feuer, ließ sich vom Leben der anderen erzählen, half denen, die Hilfe brauchten und erfuhr selbst Trost und Unterstützung, wenn sie es nötig hatte.
Und dann fand sie ihn. Nach einem langen Arbeitstag, als ein alter Mann im Wirtshaus unter Tränen von seiner schwer kranken Frau berichtete und alle Anwesenden zuhörten und schließlich einer den Mann tröstend in die Arme nahm, ein anderer still Geld einsammelte, um einen Arzt zu bezahlen, die Wirtin in der Küche verschwand um ein stärkendes Essen zusammenzupacken und eine andere Frau in den Wald lief, um das Kräuterweib zu holen und dann mit ihr zusammen zu der Kranken zu gehen, um ihr zu helfen und ihr beizustehen. Und ein Zimmermann auf Wanderschaft ging zu dem Alten und sagte: „Wenn dein Weib gesund werden soll, muss jemand euer Dach richten und die Ritzen in den Wänden dicht machen und reichlich Holz für euren Ofen hacken. Ich kann das für euch tun.“
Nun mischte sich auch die Prinzessin ein: „Wenn Eure Frau gesund werden soll, dann muss es überall sauber sein, damit nichts in ihren Leib gelangt, das sie wieder krank macht. Ich kann eure Hütte putzen.“
Und so brachten die Prinzessin und der Zimmermann die Hütte der beiden Alten in Ordnung und damit auch ihr Leben. Als sie eines abends in die Samtaugen des Zimmermanns blickte, wusste sie, dass sie ihn endlich gefunden hatte: Gott und ihren Gemahl. Denn Gott fand man nur in der Begegnung mit anderen Menschen.
Der Zimmermann hatte das längst begriffen, er besaß ein gutes Herz, einen wachen Verstand und viel Kraft. Mit ihm gemeinsam konnte alles gelingen. Und wunderschön war er auch. So bat sie ihn am Lagerfeuer vor der Hütte unter dem Sternenhimmel: „Heirate mich und hilf mir, das Königreich, das ich von meinen Eltern erbe, zu einem besseren Ort zu machen.“
Der Zimmermann war mehr als erstaunt, glaubte er doch, einen armen Wandergesellen vor sich zu haben. Doch als sie den Hut abnahm und ihr langes Haar zum Vorschein kam, als sie das derbe Hemd auszog, mit dem sie sich als Bursche verkleidet hatte, da verstand er, dass sie eine Frau war. Er erbat sich etwas Zeit, er wolle sie als Frau erst kennenlernen, bevor er sich entschied.
Er brauchte nicht lang, um sich zu entscheiden. Und so wurde schon bald eine prächtige Hochzeit gefeiert. Die Prinzessin und der Zimmermann brachten gemeinsam das Königreich zu neuer Blüte, befreiten ihr Volk von Ohnmacht und Unwissenheit, sie bauten Schulen, richteten ein Parlament und freie Wahlen ein und schlugen vor, dass fortan jede und jeder tun und lassen könne, was er oder sie wolle, vorausgesetzt, dass niemand dadurch gestört würde. In solchen Fällen müssten beide verhandeln und eine Lösung finden und wenn das nicht möglich war, durften sie sich an weise Entscheidungshelfer wenden. Und sie lebten lange, glücklich und gesund und starben am Ende in Frieden und hinterließen eine bessere Welt.
Doch die Prinzessin hatte noch keinen geeigneten Jüngling gefunden und sie wusste auch nicht, was für einen Mann sie wählen sollte, damit sie mit ihm das Reich am besten regieren konnte. Musste er stark sein oder gnädig? Brauchte er Mut oder Mitgefühl? Sollte er klug oder großzügig sein? Alles auf einmal, das gab es sicher nicht.
In der Nacht ihres sechzehnten Geburtstags ging plötzlich ein frischer und süßer Lufthauch durch ihr Zimmer. Da stand vor ihrem Bett ein Wesen von durchscheinender Gestalt, zart und wunderschön.
„Bist du eine Fee?“, hauchte die Prinzessin ehrfürchtig.
„Ich bin die Fee der Weisheit.“, antwortete das Wesen. „Und ich bin gekommen, damit deine nächtlichen Grübeleien dich nicht weiter quälen und du zu einer Entscheidung gelangst.“
„Du kannst mir sagen, was für einen Mann ich mir zum Gemahl wählen soll?“
„Um eine gute Königin zu werden, kommt es nicht auf den Ehemann an, liebe Prinzessin, sondern darauf, dass du Gott findest. Alles andere ergibt sich dann.“
Bevor die Prinzessin fragen konnte, wie und wo sie nach Gott suchen sollte, hatte die Fee sich in der Nachtluft aufgelöst. War sie am Ende nur ein Traum gewesen? Aber was konnte schon falsch daran sein, Gott zu suchen? Sie wollte es wagen.
Am nächsten Morgen suchte die Prinzessin in den Heilgen Schriften, die sich in der königlichen Bibliothek befanden. Sie bekam dabei eine Ahnung von ihm, von seiner Macht, seinem Zorn, seiner Güte, doch sie fand Gott nicht in den Schriften.
„Vielleicht kommt es auf die Gebote an, die Heiligen Gesetze und Regeln, die von Gott kommen, denn sie sind das Gerüst eines geheiligten Staates.“, dachte die Prinzessin. Und so lernte sie, dass das Miteinander von Menschen durch Regeln freundlicher und sicherer wurde, aber was hatte das mit Gott zu tun?
Die Prinzessin überlegte, dass die Forscher und Gelehrten doch so viel von der Schöpfung wussten und täglich dazulernten, dass sie damit ganz nah an Gott herankamen und so begann sie, sich in kluge Bücher zu vertiefen – drei lange Jahre. Danach war sie um so vieles klüger geworden, aber Gott hatte sie noch immer nicht gefunden.
Eines Nachts erschien ihr die Fee erneut. Sie sagte: „Du musst dich auf den Weg machen, wenn du Gott finden willst. Und du darfst dich auf deiner Reise niemandem als Prinzessin zu erkennen geben. Sonst wird es nicht klappen.“
Die Prinzessin ließ das älteste und schäbigste Pferd im Stall satteln, eine Stute namens Mara und macht sich auf den Weg.
Sie ritt in die Einöde, schwieg, fastete und fror, um ganz leer zu werden, damit Platz in ihr war für Gott, doch sie bekam nur eine Ahnung von ihm, ein tiefes Sehnen, von dem sie nicht genau wusste, wonach.
„Vielleicht muss es doch ein besonderer Ort sein, ein Ort der extra dafür erschaffen wurde, damit Menschen ihm dort begegnen.“ Und sie reiste von Kloster zu Dom, von Dom zu Synagoge, von Synagoge zu Kapelle, von Kapelle zu Moschee, von Moschee zu Tempel und überall war es schön und still und heilig und in ihr wurde es warm und weich, aber Gott war hier nicht.
„Natürlich“, dachte sie, wie kann ich nur so dumm sein und denken, dass ausgerechnet Menschen einen Ort erschaffen können, an dem sie Gott begegnen. Gott selbst erschafft diese Orte.“ Und so streifte sie durch die Natur: Sie ging ans Meer, stieg auf hohe Berge, wanderte durch Wälder und Wüsten und überall spürte sie Gottes Größe und Güte, aber finden konnte sie ihn immer noch nicht. Traurig kehrte sie nach Hause zurück und war inzwischen schon zwanzig Jahre alt geworden.
Eines Nachts erschien ihr die Fee erneut. Sie sagte: „Es kommt schon auch auf andere Menschen an.“
Also ging es doch um das, was Menschen erschaffen hatten? Vielleicht fand sie Gott in den Künsten? Die Prinzessin betrachtete berühmte Bilder, lauschte besonderer Musik, besuchte das Theater und ließ sich spannende Geschichten erzählen. Und überall spürte sie, dass es Gott gab, aber sie fand ihn nicht.
Allmählich wurde sie wütend. Das konnte doch nicht sein, dass Gott sich einfach nicht finden lassen wollte. Sie musste sich wohl noch viel mehr anstrengen. Sie musste kämpfen für Gott, für das Gute, für ihr Volk. Und so ging sie unter die Soldaten und lernte das Kriegshandwerk, zog in viele Schlachten und wurde darüber wieder drei Jahre älter. So sehr verlor sie sich im Schlachtengetümmel, dass sie darüber das Ziel ihrer Suche fast völlig aus den Augen verlor. Eines Tages, als sie in Ruhe am Fluss saß und ihre Rüstung ausbesserte, erinnerte sie sich plötzlich, dass sie ja immer noch Gott suchte und dass sie ihn auch im Krieg nicht finden konnte, ganz im Gegenteil.
Und so verließ sie die Armee, ritt ziellos auf Mara, ihrer Mähre durchs Land, erbettelte sich ihren Lebensunterhalt oder verdingte sich als Tagelöhner und saß abends in Wirtshäusern am Feuer, ließ sich vom Leben der anderen erzählen, half denen, die Hilfe brauchten und erfuhr selbst Trost und Unterstützung, wenn sie es nötig hatte.
Und dann fand sie ihn. Nach einem langen Arbeitstag, als ein alter Mann im Wirtshaus unter Tränen von seiner schwer kranken Frau berichtete und alle Anwesenden zuhörten und schließlich einer den Mann tröstend in die Arme nahm, ein anderer still Geld einsammelte, um einen Arzt zu bezahlen, die Wirtin in der Küche verschwand um ein stärkendes Essen zusammenzupacken und eine andere Frau in den Wald lief, um das Kräuterweib zu holen und dann mit ihr zusammen zu der Kranken zu gehen, um ihr zu helfen und ihr beizustehen. Und ein Zimmermann auf Wanderschaft ging zu dem Alten und sagte: „Wenn dein Weib gesund werden soll, muss jemand euer Dach richten und die Ritzen in den Wänden dicht machen und reichlich Holz für euren Ofen hacken. Ich kann das für euch tun.“
Nun mischte sich auch die Prinzessin ein: „Wenn Eure Frau gesund werden soll, dann muss es überall sauber sein, damit nichts in ihren Leib gelangt, das sie wieder krank macht. Ich kann eure Hütte putzen.“
Und so brachten die Prinzessin und der Zimmermann die Hütte der beiden Alten in Ordnung und damit auch ihr Leben. Als sie eines abends in die Samtaugen des Zimmermanns blickte, wusste sie, dass sie ihn endlich gefunden hatte: Gott und ihren Gemahl. Denn Gott fand man nur in der Begegnung mit anderen Menschen.
Der Zimmermann hatte das längst begriffen, er besaß ein gutes Herz, einen wachen Verstand und viel Kraft. Mit ihm gemeinsam konnte alles gelingen. Und wunderschön war er auch. So bat sie ihn am Lagerfeuer vor der Hütte unter dem Sternenhimmel: „Heirate mich und hilf mir, das Königreich, das ich von meinen Eltern erbe, zu einem besseren Ort zu machen.“
Der Zimmermann war mehr als erstaunt, glaubte er doch, einen armen Wandergesellen vor sich zu haben. Doch als sie den Hut abnahm und ihr langes Haar zum Vorschein kam, als sie das derbe Hemd auszog, mit dem sie sich als Bursche verkleidet hatte, da verstand er, dass sie eine Frau war. Er erbat sich etwas Zeit, er wolle sie als Frau erst kennenlernen, bevor er sich entschied.
Er brauchte nicht lang, um sich zu entscheiden. Und so wurde schon bald eine prächtige Hochzeit gefeiert. Die Prinzessin und der Zimmermann brachten gemeinsam das Königreich zu neuer Blüte, befreiten ihr Volk von Ohnmacht und Unwissenheit, sie bauten Schulen, richteten ein Parlament und freie Wahlen ein und schlugen vor, dass fortan jede und jeder tun und lassen könne, was er oder sie wolle, vorausgesetzt, dass niemand dadurch gestört würde. In solchen Fällen müssten beide verhandeln und eine Lösung finden und wenn das nicht möglich war, durften sie sich an weise Entscheidungshelfer wenden. Und sie lebten lange, glücklich und gesund und starben am Ende in Frieden und hinterließen eine bessere Welt.
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