Samstag, 29. Februar 2020
Baum der Erkenntnis
Der Predigttext für Sonntag, den 1.3. steht hier:
https://www.bibleserver.com/LUT/1.Mose3
(1. Mose 3,1-19)
Wer nicht den ganzen Text lesen möchte – es geht um den Sündenfall, der die Vertreibung aus dem Paradies zur Folge hatte. Viele Stellen in diesem Märchen verstören mich, eine aber ganz besonders: dass das Streben nach Erkenntnis hier als die schlimmste Sünde von allen bewertet wird.

Was ist blasphemisch an der Erkenntnis? Warum ist es eine Abkehr von Gott, wenn man sich selbst in die Lage versetzt, Gutes von Bösem unterscheiden zu können? Was war das für eine Theologie, die der Unwissenheit den Vorzug gab?
War es am Ende nichts weiter als ein unbeholfener Antwortversuch auf die Frage, warum das Leben oft so schwer, anstrengend, bedrückend, düster, verzweifelnd ist? Warum der allmächtige Gott uns täglich hundertfach im Stich lässt? Alles könnte so einfach sein, wenn wir uns nur nicht anmaßen würden, seinen Platz einnehmen zu können?

Eine gefährliche Lehre, die man aus dieser Geschichte ziehen kann. Ein Aufruf zur Gedankenlosigkeit und zur totalen Unterwerfung.

Oder eine Metapher für das Erwachsenwerden. Die Ablösung bietet Selbstbestimmung, Freiheit, Selbstverwirklichung, das Spüren der eigenen Stärke, Macht, die Möglichkeit, etwas zu gestalten. Das ist toll, aber man muss sich auch immer bewusst sein, was der Preis dafür ist, den alle zahlen müssen: Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen und die Konsequenzen tragen.

Sollten wir den chronisch Wütenden am Ende helfen, erwachsen zu werden, damit sie endlich selbst Verantwortung für ihr Leben übernehmen, statt immer anderen die Schuld für ihr Scheitern in die Schuhe zu schieben? Gehöre ich nicht auch zu den chronisch wütenden, deren Ohnmachtsgefühle in Resignation und Schuldzuweisungen münden?

Aber viele sind ja unverschuldet in ihre schwierige Situation geraten, haben auch nicht die Ausstattung, um das Spiel zu durchschauen, zu erkennen, wer oder was tatsächlich für ihr Elend verantwortlich ist. Da klingt das mit dem „Helfen, erwachsen zu werden“ schon sehr von oben herab, manipulativ, wenn nicht sogar zynisch und herrenmenschenhaft.

Es bleibt schwierig, aber sagen wir mal so, wenn wir Adam und Eva als Bild für die Menschheit in ihrer Gesamtheit nehmen, dann ließe sich vielleicht sagen, die Menschen müssen endlich Verantwortung übernehmen, denn das mit dem blinden Gottvertrauen hat sich ja tatsächlich längst erledigt.

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Die Geschichte hat ja eine Parallele in der griechischen Mythologie, in der Prometheus die Menschen Ackerbau, Feuermachen und anderes lehrt und dafür von den Göttern hart bestraft wird. Scheint, als ob die höheren Wesen uns lieber doof und gehorsam hätten als selber denkend und potenziell aufmüpfig.

Wissen um die Zusammenhänge in der Natur und den Lauf der Sterne wird seit dem alten Testament mit Hexerei und Magie in Verbindung gebracht, insofern verwundert es wenig, dass der Bringer des Lichtes der Erkenntnis (Luzifer, der Lichtträger) der Schurke in der biblischen Geschichte ist.

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Das Volk schön dumm halten...
Ist das ein weitestgehend europäisches Problem? Ja,ich weiß, Israel gehört zu Asien, ist Europa aber näher als dem Himalaya.
Im asiatischen Raum ist das doch anders, oder? Im Buddhismus hat Erkenntnis einen hohen Wert, oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Obwohl Feng Shui, das seinen Ursprung ja im Taoismus hat, in früheren Zeiten als Geheimwissen galt. Das gemeine Volk wurde nicht eingeweiht. Und noch heute wird es in der chinesischen Volksspiritualität eher wie Aberglaube praktiziert; die machen dann irgendwas mit Feng Shui, aber alles falsch. Die Reichen und Mächtigen nehmen das hingegen sehr ernst, die bekämpfen damit die wirtschaftliche Konkurrenz. Das mit der Macht kriegt man nur ganz ganz schlecht raus aus uns Menschen, oder?

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Ich sehe diese Geschichte nicht so sehr als moralische Konsequenz, sondern jenseits von Gut und Böse. Vor der Erkenntnis des eigenen Selbst war der Mensch eins mit der Natur. Die Erkenntnis hat ihn aus dieser Symbiose heraus katapultiert und plötzlich gab es das Erkennen von Gut und Böse und damit auch das Erkennen der Konsequenz des eigenen Handelns. Vor der Erkenntnis gab es keine Scham, Adam und Eva waren zwar nackt, aber dies wurde von Ihnen nicht erkannt. Erst nach dem Essen des Apfels vom Baum der Erkenntnis wurde es ihnen bewusst und prompt schämten sie sich dessen. Die Erkenntnis stellt für mich den Übergang vom Tier zum Menschen dar mit all seiner Last der Verantwortung.

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Früher mal dachte ich, es gehe bei der Frucht um die Sexualität. Die einflüsternde Schlange als Symbol des männlichen Genitals und, die verführende und verführerische Weiblichkeit kosteten von der Frucht der Sexualität, die eigentlich tabu war und zack, wurden sie sich ihrer Nacktheit bewusst, der Bedeutung ihrer Genitalien, Eva wurde schwanger und durch die Vermehrung entstand die Notwendigkeit des Todes, weil es sonst zu eng wird auf der Erde. Nein, das habe ich nicht geglaubt, aber ich dachte, dass das die thelogische Intention der Geschichte sei, denn die Sexualität hat den Menschen in den meisten Teilen der Welt von jeher sehr viel Angst gemacht. Man ließ sich in einem Moment voller Leidenschaft hinreißen, alles fühlte sich richtig an und die Konsequenzen waren unter Umständen unerträglich: gesellschaftliche Ächtung oder wieder ein Esser mehr, den man auch noch satt bekommen musste oder Gewalteskalationen wegen verletzter Gefühle dritter oder gar Tod unter der Geburt. Viel weißes Feuer steckt in dieser Geschichte.

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