Samstag, 8. Juni 2024
Runter vom Sofa
Ja, genau, am 09.06.24 findet die Wahl zum Europaparlament statt. Ist Ihnen an christlichen Werten gelegen oder zumindest an humanistischen Werten, die den christlichen zum Verwechseln ähnlich sehen? Oder sind Sie anderweitig tiefreligiös? Oder radikal säkular, weil Sie jede Art der Bevormundung entschieden ablehnen?

Dann müssen Sie Sonntag wählen gehen! (Es sei denn, Sie haben das bereits per Briefwahl erledigt).

Nun gibt es ja bei Kirchens auch betont unpolitische Strömungen. Schließlich erwiderte Jesus von Nazareth auf die empörte Beschwerde über römische Steuern: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist." Er ließ sich von seinen antiimperialistischen Landsleuten nicht vor den Karren spannen. Die große Politik interessierte ihn nicht, er fand sie unwesentlich.

Es wäre aber ein Fehler, daraus zu schließen, dass wir nur alle milde lächelnd voller Nächstenliebe umher wandeln sollen und bei Wahlen und politischen Konflikten mit den Schultern zucken.

Wir tragen Verantwortung für uns selbst, unsere Mitmenschen und diese Welt. Unser Handeln oder Nichthandeln hat Folgen. Es kann nicht im Sinne christlicher (und ähnlich gesinnter) Menschen sein, in einer Welt zu leben, in der Leute an der Macht sind, die die Rechte anderer mit Füßen treten. Darum gehen Sie hin und wählen Sie demokratisch!

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Sonntag, 2. Juni 2024
Wiesu denn blus?
Also eigentlich ist der Predigttext für heute spannend, ebenso die biblischen Begleittexte, aber mir geht etwas ganz Anderes im Kopf herum:

Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

Kennen sie die Rumpelwichte aus Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter?“ Diese unschuldigen, schlichten Wesen, die einfach nicht verstehen, warum jemand ihre Welt kaputt macht? So fühle ich mich gerade. Es gibt viele Ereignisse, bei denen ich diese Frage stellen möchte, aber was ich aktuell noch gar nicht fassen kann ist der gut eine Woche alte Sylt-Skandal, sie wissen schon, nicht der mit unserem Finanzminister, sondern der mit den reichen Nazi-Schnöseln im Pony.

Meine Frage: Warum machen die das?

Exkurs: Ich verstehe, wenn unterprivilegierte Jugendliche oder auch Erwachsene, die in einer lieblos dahin gerotzten Wohnbebauung viele ungute Erfahrungen mit ebenso unterprivilegierten Menschen aus anderen Kulturkreisen machen und zu der Fehldiagnose gelangen, die seien Schuld an ihrem Unglück. Ich habe mit dieser Zielgruppe gearbeitet und ich kann ihr Neingefühl nachvollziehen, wenn ich auch so manche menschenverachtende Schlussfolgerung nicht billige.

Und nun nochmals meine Frage: Welches Problem haben reiche, privilegierte Menschen, die in idyllischer Lage wohnen, unter optimalen Bedingungen arbeiten (wenn sie nicht einfach von irgendwelchen Zinsen leben) und vermutlich keinen Kontakt zu armen, bildungsfernen Menschen haben, seien sie nun Biodeutsche oder Einwanderer in 1., 2, oder 3. Generation? Wovor haben die Angst? Warum blöken die trotz Abitur, Studium und goldenen Löffeln so ein strunzdummes Fascho-Gwäsch?

Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

Mein Antwortversuch: Sie teilen nicht gern und sie bekommen nie genug. Sie sind Macht- und Reichtum-adipös. So wie schwer an Adipositas erkrankte Menschen, deren Darmbakterien sie zwingen, immer weiter zu fressen, auch wenn sie wissen, dass es sie krank macht, aber sie können nicht aufhören, der Drang ist zu stark, die Sucht nach Zucker, ungesunden Fetten und Kohlehydraten ist stärker als ihr Wille und sie werden dicker und dicker.
So können die Reichen und Mächtigen nicht aufhören Reichtum und Macht zu verschlingen, immer mehr und mehr für sich zu beanspruchen, und in Verlustangst zu leben, sogar dann, wenn sie immer reicher werden und ihre Minderheitenpartei Klientelpolitik für sie betreibt und dreist und vehement ihre Interessen durchsetzt.
Gibt es eine Therapie?

Oder was meinen Sie, was da abgeht?

Ich kann mich immer nur schütteln und wieder und wieder fragen: Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

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Sonntag, 19. Mai 2024
Von Zombies und Geistern, nicht nur von Heiligen
https://www.die-bibel.de/bibel/BB/EZK.37
Es reicht, wen Sie bis Vers 14 lesen.

Was für ein gewaltiger Predigttext! Und er mag befremdlich wirken, in einer Zeit, in der Israel die Welt weiter polarisiert. Kritik an Israels Reaktion auf den Angriff durch die Hamas, aber eben auch bedingungslose Solidarität mit einem Volk, dass viel zu lange auf der ganzen Welt herumgeschubst wurde - und bis heute nicht sicher ist. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung und es scheint unmöglich, diesen Konflikt zu lösen.

Pfingsten dagegen ist nicht nur der Geburtstag der Christlichen Kirche, es ist auch das Fest der Völkerverständigung. Das Pfingstwunder als Rückreaktion der Sprachverwirrung zu Babel.

Kleine Info für Bibelunkundige: In Alten Testament wird berichtet, dass die Menschen einen Turm so hoch in den Himmeln bauen wollten, bis sie bei Gott ankamen. Weil Gott verhindern wollte, dass sie in ihrem Größenwahn die ganze Welt zerstörten, verwirrte er ihre Sprachen. Da sie sich nicht mehr untereinander verständigen konnten, musste sie das Projekt abbrechen.
An Pfingsten - so wird es in der Apostelgeschichte berichtet - 10 Tage nach Jesu Himmelfahrt und damit 50 Tage nach Ostern, fand auch zeitgleich ein jüdisches Erntefest (50 Tage nach Pessach) statt, zu dem viele Touristen aus dem weitläufigen Ausland anreisten. Sie sprachen sehr verschiedene Sprachen. Als Petrus jedoch eine Predigt über den auferstandenen Jesus von Nazareth hielt, konnten ihn alle verstehen. Unmittelbar nachdem der von Jesus angekündigte Heilige Geist von ihm und seinen Mitjüngern Besitz ergriffen hatte.

Jetzt aber zurück zum Predigttext. Diese gruselige Wiedergänger-Erweckung wird als Vision beschrieben, nicht als tatsächliches Ereignis. Sie besitzt eine große symbolische Bedeutung, die im Text selbst erklärt wird. Israel war ins feindliche Babylonien verschleppt worden und befand sich dort in Gefangenschaft. Wie demütigend, entmutigend und deprimierend eine solche Deportation auf die Menschen gewirkt haben muss. Entwurzelt und ihrer kulturellen und religiösen Identität beraubt, war es doch schwierig, sich im Exil nicht an die örtlichen Regeln der Machthaber anzupassen.
Die Vision des Propheten ist gleichsam als Appell zu deuten, sich dem eigenen Glauben wieder zuzuwenden, aber auch als Ermutigung, dass die Verzweiflung ein Ende haben wird, dass die Gemeinschaft durch den Glauben, die Anhänger des jüdischen Glaubens stärken wird und damit die Rückkehr ermöglichen wird.

Natürlich denken und fühlen wir heute nicht mehr in solchen Kategorien. Aber ich kenne das auch, ständige Rückschläge und Hindernisse, die mich mutlos machen, mir die Kraft rauben, dass ich mich nur noch fühle wie ein Haufen vertrockneter Knochen und dann braucht es einen Gamechanger, um den inneren Antrieb wieder in Gang zu bringen.

Vermutlich würde es die Konflikte in dieser Welt eher verschärfen als lösen, wenn alle Menschen sich radikal auf ihre religiösen Werte zurückbesinnen würden. Das will ich mir lieber nicht vorstellen.

Aber es gibt ja universelle Werte, die in allen Religionen und auch säkularen Weltanschauungen eine tragende Rolle spielen, die das Potential besitzen, uns alle miteinander zu verbinden. Und es gibt viele Menschen, die genau diesen Weg gehen wollen. Lesen Sie mal - wenn Sie Zeit haben - "Apeirogon" von Colum McCann. Solche Menschen müssen wir unterstützen, wo wir nur können - und von ihnen lernen.
In diesem Sinne: Frohe Pfingsten!

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