Samstag, 11. Februar 2023
Die Lage ist verheerend, aber nicht hoffnungslos
Was für ein vollmundiger, alttestamentarischer Text diesen Sonntag dran ist!

https://www.bibleserver.com/HFA/Jesaja55%2C6-12

Hier ist die Rede von Menschen, die sich - verschleppt in einen anderen Kulturkreis - mit der dortigen Religionskultur arrangiert und von ihren religiösen Wurzeln abgewandt haben. Und der Prophet prognostiziert, dass der liebe Gott ihnen dafür das Fell über die Ohren ziehen wird.

Ohne mit einem Zu viel an exegetischen Informationen langweilen zu wollen, zumindest dies hier: Der Text entstand gegen Ende des sogenannten Babylonische Exils und der Verfasser war nicht der eigentliche Prophet Jesaja sondern einer seiner Nachfolger, der in seine Fußstapfen getreten ist.

Religiöse Fundamentalist*innen neigten schon immer dazu, alles, was schief läuft, darauf zurückzuführen, dass die Menschen sich vom "wahren" Glauben abgewandt haben. Ich persönlich glaube ja nicht, dass es nur einen wahren Glauben gibt.

Aber ich denke, dass etwas dran ist an der Theorie von Ursache und Wirkung, wenn es um den Zusammenhang von Werteverfall und Elend in der Welt geht. Die Menschheit reitet sich selbst in den Untergang, weil sie von Gier getrieben die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen und anderer Lebewesen mit Füßen tritt. Die Menschen sind entwurzelt, haben den Boden der Menschlichkeit, des Respekts, der Bescheidenheit und der Dankbarkeit verlassen. Unabhängig davon, ob sie einer Religion angehören, sich von ihr abgewandt haben oder nie religiös waren.

Und ich glaube auch, dass die Mächte des Himmels alles ans Licht bringen werden. Es kommt alles raus. Nichts bleibt für immer ein Geheimnis. Die Masken werden fallen. Und das Blatt kann sich immer noch wenden, wenn genug von uns da sind, die das wollen. Darauf hoffe ich.

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Samstag, 4. Februar 2023
Die miesesten Pharisäer sind wir selbst
Aber wer ist wir? Ich meine die Mitglieder evangelischer Kirchengemeinden. Wir sind eine ganz schön exklusive Gruppe. Wir reden davon, dass jede und jeder willkommen ist, aber bitte die Kultivierten, die wissen, was sich gehört, auch mal ein gutes Buch lesen, die sich politisch nicht bei den Extremist:innen wiederfinden, frei von Suchtproblematik (ausgenommen Kaffee, störungsfrei konsumierter Tabak und sozial verträglicher Alkoholismus), und bitte die psychisch Stabilen, zumindest Verhaltensunauffälligen, bestenfalls ein kleines bisschen Neurotischen. Und bitte keine Evangelikalen, die der Wissenschaft abgeschworen haben und ihre erotischen Impulse in Geistlichkeit zu transformieren suchen. Oh Jesus! Ich will dich in mir spüren!

Ich bin da nicht besser. Ich will mich in meiner Arbeit auch nicht mit verstrahlten Jesus-People auseinandersetzen oder gar deren geistliche Kultur bedienen. (Dabei sind die meisten keine gefährlichen Religionsfaschisten, sondern junge Menschen auf der Suche nach Halt und Orientierung.)
Und wenn ein paar harte Jungs rauchend vor der Kirchentür abhängen und Fick-deine-Mutter-Rap hören, habe ich auch ein Nein-Gefühl. Dann erkläre ich, dass wir so ein sexistisches Zeug hier nicht hören wollen, dass das hier Kirche und kein öffentliches Gelände ist und dass ich mich auch nicht bei ihnen in den Garten stelle und ihnen was von ihrer Mutter vorsinge. Und dass es hier um Respekt geht. Das verstehen sie dann auch. Aber ich habe es versäumt, sie herein zu bitten oder wenigstens einen Kaffee anzubieten. Dabei bin ich sogar im Recht, denn die Kommune zahlt nicht mehr für offene Arbeit. Aber moralisch ist es Moppelkotze.

Im Predigttext für den 05.02. bekomme ich den Spiegel vorgehalten:
https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Matth%C3%A4us9%2C9-13

Und nicht nur Christ:innen sollten hier beschämt sein. Unsere gesamte Gesellschaft zeichnet sich aus durch Ausgrenzung und Exklusivität. Mit denen, die anders sind, will man nichts zu tun haben. Viel zu anstrengend. Wo man es doch so nett hat, wenn man unter sich bleibt. Und mit denen, die auf der sozialen Leiter weiter unten stehen, hat man es schon einmal gar nicht. Nachher wird man in den gleichen Sumpf hinab gezogen.

Ja, so sind wir Menschen. Aber wir können auch anders, auch wenn es anstrengend ist. Jesus hat es vorgemacht.

Schönen Sonntag!

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Samstag, 28. Januar 2023
Viele Fragen und eine Antwort
Heute verlinke ich den Predigttext für Sonntag mal nicht sondern stelle ihn als Text ein:

Drei Jünger werden Zeugen der Herrlichkeit Jesu
1 Sechs Tage später nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich und stieg mit ihnen auf einen hohen Berg, wo sie allein waren. 2 Dort veränderte sich vor ihren Augen sein Aussehen. Sein Gesicht begann zu leuchten wie die Sonne, und seine Kleider wurden strahlend weiß wie das Licht. 3 Auf einmal erschienen Mose und Elia; die Jünger sahen, wie die beiden mit Jesus redeten[1]. 4 Da ergriff Petrus das Wort. "Herr", sagte er zu Jesus, "wie gut ist es, dass wir hier sind! Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen[2], eine für dich, eine für Mose und eine für Elia." 5 Während er noch redete, kam plötzlich eine leuchtend helle Wolke und warf ihren Schatten auf sie[3], und aus der Wolke sprach eine Stimme: "Dies ist mein geliebter Sohn. An ihm habe ich Freude, und auf ihn sollt ihr hören!" 6 Die Stimme versetzte die Jünger so sehr in Schrecken, dass sie sich zu Boden warfen, mit dem Gesicht zur Erde. 7 Jesus aber trat zu ihnen, berührte sie und sagte: "Steht auf! Ihr braucht euch nicht zu fürchten." 8 Und als sie aufblickten, sahen sie niemand mehr außer Jesus.
9 Während sie den Berg hinunterstiegen, sagte Jesus zu den drei Jüngern: "Sprecht mit niemand über das, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist!"

1. Warum wählt Jesus aus dem Kreis seiner auserwählten Jünger einen konspirativen Inner Circle von drei Privilegierten aus? Was hat diese Exklusivität zu bedeuten?

2. Warum wird Jesus in der Abgeschiedenheit eines Berggipfels zum auferstandenen Gandalf? (Verfilmung von "Der Herr der Ringe")

3. Warum erscheinen die Geister von Mose und Elia? Ist es das, was Petrus vermutet, dass er mit ihnen in eine Reihe gestellt wird und damit als von Gott Erwählter legitimiert wird?

4. Was hat der Verfasser sich bei der Crossover-Szene mit der Wolke gedacht? (Die Wolke spielt eine Rolle, bei der Wanderung durch die Wüste auf dem Weg aus der Gefangenschaft, sie weist tagsüber den Weg und wird nachts zur Feuersäule. Die Stimme mit dem Satz "Dies ist mein geliebter Sohn..." stammt aus Jesu Taufe)

5. Warum erschrecken die Jünger vor der Stimme aus der Wolke, bleiben aber cool beim plötzlich fluoreszierenden Jesus und der Erscheinung der seit Jahrhunderten verstorbenen Propheten?

6. Warum sollen die Jünger bis zur Auferstehung Jesu Stillschweigen über das Erlebte bewahren? Oder ist das nur ein Kunstgriff, damit sie es erst recht überall herumerzählen?

Und hier eine Antwort: Meines Erachtens wird die Intention dieser zugegebenermaßen kruden Geschichte am Ende von Vers 5: "Auf ihn sollt ihr hören."

Eigentlich ganz einfach

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