Sonntag, 5. März 2023
Zeit für Selbstkritik
Bist du selbstkritisch? Musst Du Dich ständig selbst optimieren oder ist das Haus Deiner Persönlichkeit fertig gebaut? Alles gut eingerichtet, in praktischer, ästhetischer und nachhaltiger Hinsicht? Dann lies doch mal diesen Text:

https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Markus12%2C1-12

Auf den ersten Blick erscheint diese Geschichte banal und nicht mehr zeitgemäß. Die Würdenträger, denen das Wissen um die Schriften und deren Auslegung anvertraut wurde, haben sich als unwürdig erwiesen, kritische Stimmen im Keim erstickt und als Gipfel der Niedertracht wollen sie den Sohn ihres Schöpfers und Chefs ermorden, damit er ihnen nicht in die Quere kommt.

Was hat das mit mir zu tun? Mit uns? Mit den Anderen? Wer sind die miesen Pharisäer, die an der Macht kleben, die geistig Unbeweglichen, die die erlöschende Glut der Tradition bewachen, statt die Flamme weiter zu geben?
Natürlich die Mächtigen, die Politiker*innen, Industriebosse, von Renter*innen dominierte Pfarrgemeinderäte oder Presbyterien. Die anderen eben. Nicht ich. Nein, ich nicht.

Doch, ich auch. Wie die meisten habe ich mich in meiner Gedankenwelt eingerichtet. Sogar ganz junge Menschen tun das. Und wer das stört, den möchte man schnellstens loswerden. Am radikalsten sind da Erstklässler*innen, die fordern regelrecht Höchststrafen.

Das ist ja alles verständlich und legitim, wenn eine existenzielle Bedrohung vorliegt, wenn Verletzung droht oder schwerer Verlust. Nur geht es meistens nur ums Rechthaben oder um Gewohnheiten, um Bequemlichkeit und Überschaubarkeit. Wer nicht bereit ist, diese Komfortzone zu verlassen, wird früher oder später kläglich scheitern, im schlimmsten Fall vernichtet. So wie Ceaușescu, Honnecker, Saddam, und sicher bald Putin, Höcke, Wölki, Elon Musk, korrupte Kommunalpolitiker*innen, starrsinnige Presbyter*innen und ich. Und vielleicht auch du.

Es sei denn wir bewegen uns. Im Kopf, im Herzen und schließlich in unseren Taten. Schönen Sonntag noch.

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Samstag, 25. Februar 2023
Das Leiden - auf die Frage nach dem Warum gibt es keine Antwort
Wer es ganz genau nimmt, kann hier den Predigttext für den 26.02.23 nachlesen:

https://www.bibleserver.com/HFA/Hiob2%2C1-13

oder dieser Zusammenfassung mit einigen Erweiterungen glauben:

Hiob war ein anständiger und sehr gläubiger Mann, gesegnet mit großem Reichtum und zehn Kindern: sieben Söhne und drei Töchter.

Und Satan, der Engel, der Gott verlassen hatte, den wir auch als den Teufel kennen, kam zu einer Versammlung in den Himmel.

GOTT: Wo kommst du denn her?

SATAN: Ich bin auf der Erde herumgezogen.

GOTT: Hast du meinen Lieblingsmensch Hiob gesehen? Der ist mir doch besonders gut geraten oder? Der tut keinem was Böses, glaubt an mich und macht einfach immer alles richtig.

SATAN: Warum hat er wohl so großen Respekt vor Dir, Gott? Du hast ihn doch mit Reichtum und Lebensglück überschüttet: haufenweise Vieh, reiche Ernten, gesunde Kinder. Und immer hast du ihn vor Unglück und Krankheit beschützt. Aber wenn du ihm das alles wegnehmen würdest, ihn mal so richtig ins Elend stürzen würdest, dann würde er aufhören, dich anzubeten. Da wette ich drauf!

GOTT: Gut, ich schlage ein. Das mit dem Unglück ist nicht meine Sache. Ich lasse Dir freie Hand. Verfahre mit ihm, wie du willst. Nur Hiob selbst musst du natürlich am Leben lassen, sonst hast du die Wette automatisch verloren.

SATAN: Lass mich mal machen. Du wirst sehen, ich habe Recht.

GOTT: Träum weiter, Satan.

Und der Satan verließ den Himmel.

Glauben Sie auch, dass es leichter ist, ein guter Mensch zu sein und an Gott zu glauben, wenn es einem gut geht?
Sind böse Menschen vielleicht nur Menschen, denen vieles fehlt?

Und so geht es weiter:

Hiob sitzt vor seinem Haus. Mehrere Boten kommen nacheinander

1. BOTE: Terroristen haben deine Landarbeiter überfallen und erschlagen, ich bin der Einzige, der entkommen konnte.

2. BOTE: Feuer regnete vom Himmel und hat deine Schafe und Hirten verbrannt, ich bin der Einzige, der entkommen konnte.

3. BOTE : Die Treiber der Rinderherden wurden von Viehdieben erschlagen. Die haben alle Rinder geklaut, ich bin der Einzige, der entkommen konnte.

4. BOTE: Deine Kinder saßen im Haus Deines Ältesten Sohnes beim Essen, als ein schwerer Wirbelsturm das Haus über ihnen zusammenstürzen ließ. Sie sind alle umgekommen, ich bin der Einzige, der entkommen konnte.

Hiob zerreißt vor Trauer seine Kleidung: Ich bin so traurig. Gott hat mir etwas geschenkt und dann hat er es mir wieder weggenommen. Aber ich bin dankbar, für alles, was ich hatte und für die gute Zeit. Eigentlich ist Gott ja ganz toll.

SATAN: Ich habe noch einmal nachverhandelt. Gott meinte ja, ich hätte die Wette verloren, aber er hat nicht fair gespielt. Bis jetzt hat Hiob ja nur viel verloren, aber er ist immer noch gesund, wenn er so richtig schwer krank wird, sieht die Sache schon anders aus.

Eine Woche später

HIOB: Oh, ich bin so unglücklich. Überall juckt meine Haut wie verrückt, ich muss mich mit einer Scherbe kratzen, damit ich das überhaupt aushalte. Es eitert und stinkt und meine Frau ekelt sich vor mir, sie nimmt mich nicht einmal in den Arm um mich zu trösten. Sie ist ja auch traurig. Unsere Kinder sind gestorben, unseren ganzen Besitz haben wir verloren. Und jetzt soll sie sich auch noch um so einen ekligen, kranken Mann kümmern.
Ich war doch immer ein guter Mensch, warum hat Gott mich so geschlagen?

Die drei Freunde kommen zu Besuch

ELIFAS: Oh, Du armer Hiob, wie schlimm hat es dich getroffen!

BILDAD: Wir sind gekommen um dich zu trösten.

ZOFAR: Wir halten zu dir und bleiben, bis es dir etwas besser geht.

Im Predigttext (wer es doch noch einmal nachlesen will) wird der gebeutelte Hiob von seiner Ehefrau auf polemische Weise attackiert, sie wirft ihm seine Frömmigkeit vor, erwartet, dass er angesichts des uferlosen Pechs seinem Gott die Treue aufkündigt, schließlich wurde er im Stich gelassen und ins Elend gestürzt. Doch Hiob hält fest an seinem Gottvertrauen. So viel Gutes ist ihm geschenkt worden, jetzt hat er mal Pech, muss er eben auch das annehmen. Diese Gelassenheit muss man erst einmal aufbringen.

Dann legt der Satan noch eins drauf und krönt die vielfältigen Verluste mit Krankheit, und tatsächlich versinkt der Geschlagene in Depression, gibt sich seinem Leiden hin, flucht nicht über Gott, aber lobt ihn auch nicht mehr. Er kann nicht mehr. Er ist am Ende.
Und dann kommen diese tollen Freunde, die einfach nur für ihn da sein wollen, die erklären, warum sie da sind und dann mit ihm schweigen, die Stille aushalten, die Untätigkeit, den Schmerz. Das hat Größe. Und das ist vielleicht genau das, was Hiobs Gottvertrauen so unerschütterlich macht. Egal, was ihm zustößt, es wird immer Menschen geben, die ihm zur Seite stehen, er bleibt nicht allein.

Was ist dann mit Menschen, die wirklich allein bleiben, nach denen niemand sieht, die irgendwann allein sterben, ohne dass jemand Notiz davon nimmt?

Die Hiobs-Geschichte ist eine Lehrgeschichte, ein theologisches Märchen und die Vorlage für den Prolog im Himmel in Goethes Faust. Die ganz Einsamen haben die Verfasser vielleicht vergessen. Vielleicht gab es das in ihrer Zeit und in ihrer Kultur nicht. Ob wir das wohl schaffen, einfach niemanden mehr allein zu lassen?

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Samstag, 18. Februar 2023
Ohne Liebe…
...ist alles nichts.
Dem berühmten Lobgesang auf die Liebe im 1. Korintherbrief 13, 1-13 ist eigentlich nichts hinzuzufügen, lesen Sie selbst:

https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/BB/1CO.13/1.-Korinther-13

Aber in den Versen 11 und 12 steckt noch etwas Anderes:

"11Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind. Ich urteilte wie ein Kind und dachte wie ein Kind. Als ich ein Mann geworden war, legte ich alles Kindliche ab. 12Denn jetzt sehen wir nur ein rätselhaftes Spiegelbild. Aber dann sehen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke. Aber dann werde ich vollständig erkennen, so wie Gott mich schon jetzt vollständig kennt ."

Es ist ein Ausdruck von Demut gegenüber der Größe Gottes. So wie ein Kind vieles nicht verstehen kann, was in der Welt der Erwachsenen geschieht, so können wir Menschen in unserer begrenzten Weltsicht viele Aspekte des Göttlichen nur erahnen.
Dem Kind fehlen die Erfahrungen, um Wahrgenommenes einzuordnen, das kognitive Denken muss sich erst entwickeln, die eigenen Handlungsmöglichkeiten sind ebenso wie der Aktionsradius noch sehr begrenzt.
Vielleicht ist es ja so, wenn wir in der Ewigkeit ankommen, als wären wir endlich erwachsen geworden, der Tod als Initiationsritus, das wäre doch vorstellbar.

Ob ich das glaube? Ich weiß es nicht. Es ist ein tröstlicher Gedanke. Entscheidend ist aber eines, nämlich dass wir es hier und jetzt gut machen, und das wird in Vers 13 auf den Punkt gebracht:

"Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Doch am größten von ihnen ist die Liebe."

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