Donnerstag, 1. April 2021
Das Kreuz mit dem Kreuz
Ich habe Jesus nicht ans Kreuz gebracht. Warum sollen wir uns jedes Jahr an Karfreitag mit dem unsäglichen Leiden, körperlichen und seelischen Torturen eines Einzelnen beschäftigen?

Erstens geht es um Schuld. Wir, die wir heute leben, haben keinen Anteil an der Folter und Hinrichtung des Jesus von Nazareth. Aber jede und jeder von uns wird täglich schuldig und das hat Folgen für Andere.
Auch ich trage dazu bei, dass Menschen hungern, leiden, gefoltert werden, sterben. Durch mein Konsumverhalten. Durch mein Nichtstun.
Auch ich trage dazu bei, dass dieser Planet zerstört wird und die Ärmsten am meisten dadurch verlieren. Durch meine Bequemlichkeit, meine Gedankenlosigkeit, meinen Egoismus.

Nun hat niemand etwas davon, wenn ich mich schuldig fühle. Das nervt eher. Mit bitterem Zug um den Mund heiße Tränen über das eigene Versagen vergießen, sich selbst anklagen und allen die Ohren zumüllen mit Schuldbekenntnissen und schlechter Laune, nur um zu beweisen, dass man immerhin total betroffen ist. Daraus wächst nichts Gutes.

Aber aus der Bewusstwerdung der eigenen Schuld wachsen zwei konstruktive Elemente. In dem Moment, in dem ich mir klar mache, wo ich Schaden anrichte, kann ich etwas ändern. Den Konsum verringern oder verschieben, mich beteiligen, wenn es darum geht, sich für Andere einzusetzen, mich bei meiner Familie entschuldigen, wenn ich im Affekt meinen ganzen Frust auf sie abgeladen habe und mir zum Ausgleich etwas Schönes für sie einfallen lassen.

Zweitens wächst aus dem Bewusstsein der eigenen Schuld Verständnis für die Verfehlungen Anderer. Und das ist die Voraussetzung für das, wobei es Karfreitag im zweiten Schritt geht: Die Vergebung. Die Entlastung.

Niemand kann leben, ohne schuldig zu werden. Und auch wenn ich weiß, was ich alles tun und lassen müsste, um ein blütenreines Gewissen zu haben, wird es mir nicht gelingen, täglich eine weiße Weste zu behalten.
Der Kreuzestod Jesu wird zum Symbol für die Gnade Gottes: Gott selbst nimmt dir die Last der Schuld von den Schultern und lädt sie auf seine eigenen.
Warum so ein martialischer Akt notwendig war, dass ein Mensch auf grausame Weise sterben musste, mag der Zeit der Antike geschuldet sein. Heute wählen wir andere Mittel, um etwas mit Nachdruck zu erklären.

Aber das ist mein Karfreitagsfazit: Ich bin schuldig am Elend Anderer, ich will mich bemühen, diese Schuld, so gut ich es kann, auszugleichen und zu verringern. Ich weiß aber auch, dass ich mich aus eigener Kraft nicht davon reinwaschen kann. Ich muss mich nicht reinwaschen, ich darf schuldig werden ? wenn ich das anderen Menschen auf gleiche Weise zugestehe. Und damit wird das Kreuz ? glaube ich ? zu einem Symbol der Erlösung.

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Samstag, 27. März 2021
Wer's glaubt, wird selig
Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Wenn ja: Woran merken Sie das? Woran können andere Menschen das merken? Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Sie glauben?

Wenn nein: Woraus ziehen Sie Ihre Kraft? Gibt es etwas, das gläubige Menschen Ihnen voraus haben? Was hindert Sie daran, zu glauben?

In der Bibel steht:
"Was ist denn der Glaube? Er ist ein Rechnen mit der Erfüllung dessen, worauf man hofft, ein Überzeugtsein von der Wirklichkeit unsichtbarer Dinge." (Hebräer 11,1 - Neue Genfer Übersetzung)

Einfach etwas glauben, obwohl es keine Beweise gibt? Machen nur Bekloppte. Filterblasenbewohner, die sich die Welt so denken, wie sie sie gern haben wollen.

Glaube an Gott, an den Sinn einer Religionsgemeinschaft, das ist etwas Anderes. Da geht es nicht ums Recht Haben sondern um Vertrauen in das Leben, die Zukunft, das Gute, andere Menschen.
Aber die Sache mit dem Glauben fällt einem nicht einfach in den Schoß. Es heißt zwar oft, dass der Glaube ein Geschenk sei, aber es braucht auch Arbeit, damit er entstehen, sich entwickeln und wachsen kann, damit er erhalten bleibt.

Sie können selbst etwas dafür tun: sich Zeit nehmen, für Stille sorgen, in der Bibel lesen und darüber nachdenken oder mit Anderen darüber reden, sich mit anderen Gläubigen treffen, zusammen etwas erleben, das Ihren Glauben stärker macht.

Der Hebräerbrief weist auf eine weitere Zutat hin:
"Unsere Vorfahren lebten diesen Glauben. Deshalb hat Gott sie als Vorbilder für uns hingestellt." (Hebräer 11, 2 - Hoffnung-für-Alle-Bibel)
In der Bibel gibt es haufenweise solcher Geschichten, Noah, der auf die Stimme Gottes hörte und Vorsorge traf, obwohl es gar nicht danach aussah und ein Schiff auf dem Trockenen baute.
Abraham der seine Heimat verließ, weil die Menschen ihn dort krank machten und der darauf vertraute, dass er seinen Platz finden würde.
Ruth, die voll Vertrauen in die Zukunft in das Land ihres verstorbenen Mannes auswanderte und seine Religion annahm und deren einziger Halt ihre Schwiegermutter war.
Ihr Urenkel David, der selbst klein und schwach einen übermächtigen Krieger besiegte. Die namenlose Frau, die an ständigen Blutungen litt und die voller Vertrauen das Gewand Jesu berührte und dadurch geheilt wurde.

Aber das sind alte Geschichten. Solche, die so lange her sind, dass sie kaum noch etwas mit unserer heutigen Lebenswirklichkeit zu tun haben. Einige sind vermutlich sogar frei erfunden. Das sind tote Vorbilder. Figuren. Gespenster.

Doch auch in der Gegenwart gibt es Menschen, die Risiken eingehen, um das Richtige zu tun, weil sie an das Gute glauben.
Carola Rackete, die Geflüchtete aus dem Mittelmeer rettete, allen Verboten zum Trotz.
Greta Thunberg, die Fridays for Future auf den Weg gebracht hat.

Berühmtheiten. Sehr weit weg. Als Vorbilder vielleicht etwas abstrakt.
Haben Sie persönliche Vorbilder im Glauben oder im Christsein oder einfach nur in ihrer besonders mitmenschlichen Lebensweise? Was ist an denen so vorbildlich und an welcher Stelle wären Sie gern genauso wie sie?


Ein starker Glaube, kann uns durch den scheinbar endlosen Corona-Lockdown helfen. Gerade in so schwierigen Zeiten wie diesen kann Glaube aber auch entstehen und wachsen. Die Erfahrung, dass es Menschen gibt, die einen nicht allein lassen. Die Geschichten, die uns daran erinnern, dass jedes dunkle Tal irgendwann durchwandert, jede Trauer bewältigt, jede Depression beendet, jede Katastrophe überstanden ist. Der neue Blick, viele Dinge, die uns bisher nicht aufgefallen sind.

Aber ein tiefer Glaube, der fest in uns sitzt, der geht sogar noch weiter. Der braucht irgendwann keine ständigen neuen Erfahrungen und Bestätigungen mehr, der ist einfach da. Und das ist vielleicht ein Gefühl von großer Sicherheit und Zufriedenheit und einem überzeugt Sein von der Wahrheit, das einen nie mehr verlässt. Zu einem so tiefen Glauben bin ich noch unterwegs. Sie vielleicht auch. Hoffen wir, dass wir alle da ankommen. Der Verfasser des Hebräerbriefes hat es so formuliert:

"Wie können wir verstehen, dass die Welt durch Gottes Wort entstanden ist? Wir verstehen es durch den Glauben. Durch ihn erkennen wir, dass das Sichtbare seinen Ursprung in dem hat, was man nicht sieht." (Hebräer 11,3 - Neue Genfer Übersetzung)

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Samstag, 20. März 2021
Durchhalten und weiterleben - zum Buch Hiob, 19
Kurz etwas zur Vorgeschichte. Das Buch Hiob kann man wohl getrost in die Reihe der theologischen Literatur einsortieren; eine Lehrgeschichte, ein Roman.
Es beginnt mit einer Wette, die der Schöpfer mit dem Satan abschließt. Der Satan wettet, dass der grundgute, formme, brave, gläubige Hiob nur deshalb so ein guter Mensch ist, weil er mit Reichtum, Gesundheit, Familie und guten Freunden gesegnet ist. Sobald er alles verliert, würde er genauso verbittert, böse und ungläubig wie viele andere. Gott wettet dagegen und schlägt ein. Hiervon ist wohl der Prolog im Himmel in Goethes Faust inspiriert.
Tatsächlich beginnt nun Hiobs Leidensgeschichte. Er verliert alles: Seinen Besitz, seine Familie, seine Gesundheit und am Ende machen seine Freunde ihm Vorhaltungen, statt zu ihm zu halten.

Nachdem sein alter Kumpel Bildad ihm erklärt hat, er sei selbst Schuld an seinem Elend antwortet Hiob ausführlich und aus dieser Antwort stammt der nun folgende Predigttext für Sonntag, den 21.03.
https://www.bibleserver.com/LUT/Hiob19%2C19-27

Alle Freunde Hiobs wandten sich von ihm ab. Damals herrschte der Glaube, Krankheit und Elend seien eine Strafe Gottes. In unseren weitestgehend aufgeklärten Zeiten weisen wir solche Deutungen von uns. Aber im Prinzip reagieren die meisten Leute auch heute noch so:
Wer krank wird, hat eben nicht gesund genug gelebt: zu wenig Sport, zu viel Stress, falsche Ernährung oder die Eltern haben Schuld.

Wer unter Alkoholismus, Übergewicht oder Nikotinsucht leidet,- dem fehlt es einfach an Disziplin. Man muss doch einfach nur einen Entzug machen, seine Ernährung umstellen, mit dem Rauchen aufhören.

Wer langezeiterwerbslos ist, hat sich entweder schon in der Schule nicht genug angestrengt oder bemüht sich jetzt einfach nicht ausreichend, müsste sich mehr bewerben, fortbilden, bereit sein auch mal unangenehme und schlecht bezahlte Jobs anzunehmen.

Wer sich mit Corona infiziert hat wohl zu viele Kontakte gehabt, zu wenig Abstand gehalten, keinen angemessenen Mund-Nasenschutz getragen oder sich nicht oft genug die Hände gewaschen.

Menschen reagieren so, um nicht behelligt zu werden, aus Selbstschutz. Man will sich nicht um Bedürftige kümmern müssen und sich damit am Ende vollkommen verzetteln und selbst überlasten.
Man will sich nicht anstecken mit Krankheiten Süchten, Depressionen, Fehlverhalten.
Man will nicht in den Sumpf gezogen werden, in dem der oder die Leidende sich befindet.
Man will kein Mitleid empfinden, um Ekel, Angst und Elend nicht aushalten zu müssen.


Viele der Leidenden zerbrechen an diesem Verlassenwerden. Sind verbittert, geben sich auf. Haben keinen Antrieb mehr.

Hiob geht anders damit um. Er verlässt sich einfach auf sein persönliches Happyend. Selbst, wenn es in diesem Leben nichts mehr wird: Am Ende wird er bei Gott geborgen sein.
Manche finden das dumm, weil es die Elenden gefügig macht.
Oft ist das so.
Aber wer aufgegeben hat, kann sich auch nicht mehr wehren. Dieser feste Glaube - "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt." - der besagt, dass sich das Blatt irgendwann wenden wird, hält Hiob am Leben, lässt ihn durchhalten und auch daran festhalten, sich für sein schlimmes Schicksal nicht an anderen zu rächen.

Wer andere in ihrem Elend allein lässt, will auf der Gewinnerseite stehen. Im Evangeliumstext für diesen Sonntag steht eine Geschichte, in der sich zwei Jünger im Himmel die Poleposition an Jesu Seite sichern wollen. Jesus erklärt, dass es ihm nicht zusteht, jemanden auszusuchen. Die anderen Jünger sind sauer, was die beiden sich anmaßen. Und Jesus erklärt: Wer auch nur die Chance auf einen solchen Platz für sich beanspruchen will, der muss sich von großspurigen Phantasien verabschieden. Im Himmel ist der Größte, wer sein Leben in den Dienst für andere gestellt hat.

Hiob hält daran fest. Er bewahrt seine Werte und seine Hoffnung. Sein Erlöser war Gott, Christen sehen Jesus als den Erlöser, aber wesentlich ist, fest daran zu glauben, dass es einen Ausweg gibt und das Konstruktive in uns festzuhalten.
Das schafft man nicht immer allein. Aber früher oder später trifft man dann doch auf jemanden, der einen nicht allein lässt.

Also: Durchhalten und Weiterleben!

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