Samstag, 1. September 2018
Wir dürfen die Rechten nicht mehr ernst nehmen!
Geht Ihnen das auch so? Können Sie es auch schon lange nicht mehr hören? Dieses ewige: „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen?“ Nur weil an der einen oder anderen Unmut-geschwängerten Situationsbeschreibung von rechts das eine oder andere Körnchen Wahrheit zu finden ist? Warum soll ich die Sorgen und Ängste von Faschisten ernst nehmen? Die nehmen meine Sorgen und Ängste doch auch nicht ernst und erst recht nicht die ihrer Opfer, die aus lebensbedrohlichen Situationen hier her geflüchtet sind und sich schon wieder um ihre Gesundheit und ihr Leben sorgen müssen.
Der Mob dagegen sorgt sich nicht um sein Leben sondern nur darum, ob er auch in Zukunft seinen flauschigen IKEA-Sessel vollpupsen kann und sein Plasma-Fernseher, die Stereo-Anlage, das Smartphone und die Playstation auf dem neuesten Stand sind. Und dass er täglich mindestens ein Pfund Fleisch in sich rein stopfen kann, damit der Strom der Darmwinde nicht abebbt und der altersblinde Kampfhund sein Herrchen jederzeit am Geruch erkennt.

Oh, Sie finden es nicht gut, fass ich mich über den Mob lustig mache, wo das doch schließlich auch Menschen sind, deren Ängste, Sorgen und Nöte man ernst nehmen muss? Muss man das denn?
Mitnichten! Man muss sie auslachen. Man muss ihnen den Spiegel vorhalten, damit sie erkennen, wie dumm sie daherreden und wie hässlich ihre hasserfüllten Minen sind. Natürlich sind die sogenannten besorgten Bürger Menschen. Sogar schwer gewaltbereite Neonazis sind Menschen. Und diese Menschen muss man ernst nehmen, aber nicht ihre grottendämlichen Ängste, Sorgen und Nöte.

Das finden Sie unchristlich? Ist es aber nicht. Ich argumentiere hier in gut neutestamentarischer Tradition. Lesen Sie einmal Johannes 8, 1-11.
Falls Sie zu faul sind: Der Mob bringt eine ehebrecherische Frau vor Jesus, die gesteinigt werden soll, weil das Gesetz verlangt, dass mit Ehebrecherinnen so verfahren wird. Geifernd lauern sie, ob Jesus jetzt endlich einmal durchgreift, für Recht und Ordnung eintritt und ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt. Männer hatten ja damals eine existenzielle Angst davor, Hörner aufgesetzt zu bekommen. Aber Jesus ging in die Hocke, malte mit dem Finger im Staub herum, vielleicht Fische, vielleicht etwas Abstraktes man weiß es nicht, und sagte erst einmal gar nichts. Da war der Mob ziemlich ärgerlich, dass er seine wohlverdiente Genugtuung nicht bekam, schließlich waren alle ganz geil, endlich mal wieder jemanden totzuschlagen und das mit der vollen Legitimierung durch das Gesetz, yeah!
Und dann stand Jesus auf und Jesus sagte diesen einen berühmten Satz: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“
Bamm! Das hatte gesessen. Einer nach dem anderen machte den Abgang. Der Prediger hatte sie ausgelacht, überhaupt nicht ernst genommen und ihnen stattdessen den Spiegel vorgehalten, in dem sie die eigene hässliche Fratze erblicken und sich einmal tüchtig schämen konnten. Und er war der erste Deeskalationstrainer: Überrasche deinen Angreifer! Tu das Unerwartete! Bring ihn mit Phantasie aus dem Konzept.

Also: Machen wir uns auf. Spüren wir sie auf und lachen wir sie aus. Tun wir etwas, womit sie nicht rechnen. Schenken wir ihnen was Leckeres zu essen, z.B. was Arabisches, damit sie endlich aufhören, vor Hunger zu schreien. Und wenn sie – wie kürzlich in Chemnitz - den fetten, nackten Arsch in die Kamera halten, schenken wir ihnen ein Kopftuch, damit sie ihre Blöße bedecken können. Lächeln wir sie freundlich an, wenn sie uns mit hasserfülltem Blick entgegengehen. Und wenn sie uns oder andere verdreschen, hauen wir ihnen auf die Mütze und rufen die Polizei.

Amen

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Montag, 20. August 2018
Jenseits von Eden – Versuch eines Online-Bibliologs
Der Bibliolog ist eigentlich eine Methode, sich gemeinsam einen Bibeltext zu erschließen, bei der man im Kreis sitzt, in die Geschichte eingeführt wird, dann beginnt die anleitende Person, den Text zu lesen, stoppt an einer Stelle und fordert die Anwesenden auf, zu einer bestimmten Person aus der Geschichte zu werden, sich also wie ein Schauspieler einzufühlen. Dieser Person wird eine Frage gestellt, wem dazu eine Antwort einfällt, der äußert sie. Das genaue Prozedere will ich Euch ersparen, aber ich bitte darum, auf die Fragen in den Kommentaren zu antworten, falls Euch etwas einfällt und Ihr Lust habt auf dieses Experiment. Es handelt sich übrigens um den Predigttext für den kommenden Sonntag, er steht im 1. Buch Mose (Genesis), Kapitel 4, Verse 1-16.

Hinführung:
Wir befinden uns am Anfang der biblischen Geschichtsschreibung, die, wie wir alle wissen, auf eine über Jahrtausende mündlich überlieferte Mythologie zurückgeht und nicht auf historische Fakten. Aber es geht immer um allgemeine, menschliche Erfahrungen, die sich unabhängig von Zeit und Kultur sehr ähnlich anfühlen.
Zum ersten Mal haben Menschen sich aus der Verbindung mit Gott gelöst, sind ihrem eigenen Willen, ihrer Neugier gefolgt, statt einfach blind zu vertrauen. Das hatte zur Konsequenz, dass sie aus der paradiesischen, unschuldigen Unwissenheit, dem ohne Last in den Tag hinein Leben für immer vertrieben wurden, sie müssen sich nun den Härten des Lebens stellen: Arbeit, Schweiß, Hunger, Durst, Schmerz, Angst und schließlich dem Tod. Aber sie sind auch erwachsen und in der Lage, Verantwortung zu übernehmen und durch den Tod wird es sinnvoll, sich zu vermehren, weil die Alten ja immer Platz machen für die nachrückenden Generationen. In dieser rauen Welt, in der es nichts gibt als das Leben und die Natur, aber kaum Zivilisation, spielt unsere Geschichte, vielleicht in der Jungsteinzeit. Stellt Euch vor, ihr befindet Euch an einem Ort mit mediterranem bis subtropischem Klima, mit viel Mühe gelingt es, Getreide, Gemüse und Obst anzubauen, aber von allein wächst nicht viel. Es ist gelungen ein paar Schafe oder Ziegen zu domestizieren und sich ihre Wolle, ihre Milch und ihr Fleisch zunutze zu machen. Das Leben ist hart.

1 Und Adam erkannte seine Frau Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mithilfe des HERRN.
2 Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.

1. Frage: Du bist Abel. Warum bist du Schäfer geworden und nicht Bauer wie dein Bruder?

3 Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes.
4 Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer,
5 aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.

2. Frage: Du bist Kain. Du hast hart gearbeitet und opferst deinem Gott von deinen Erträgen, genauso wie dein Bruder Abel. Abel wird geliebt von Gott, du spürst dass er dir seine Gnade verweigert. Wie kommst du darauf?

6 Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?
7 Ist's nicht so: Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.

3. Frage: Du bist Kain: Was würdest du Gott jetzt am liebsten antworten?

8 Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.
9 Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?
10 Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.

4. Frage: Du bist das Blut Abels Wenn du eine Stimme hättest, was würdest du schreien?

11 Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.
12 Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.
13 Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte.
14 Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet.
15 Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände.
16 So ging Kain hinweg von dem Angesicht des HERRN und wohnte im Lande Nod, jenseits von Eden, gegen Osten.

Verlasst jetzt diesen Ort des Schreckens und kehrt zurück in Euer Leben. Kain erhielt keine Todesstrafe, ganz im Gegenteil, er wurde bis an sein Lebensende von Gott beschützt und hinterließ zahlreiche Nachkommen, die laut Bibel dann allerdings alle bei der Sintflut draufgingen. Vielleicht ist diese Geschichte als Appell an Eltern bösartiger Kinder gemeint, ihre Kinder nicht von sich zu stoßen sondern sich ihre eigene Verantwortung für deren Fehlverhalten bewusst zu machen, denn Kain wurde ja nur böse, weil Gott ihm die Gnade verweigerte.

Zu jeder Frage gibt es einen Kommentar, unter dem dann die jeweiligen Antworten gesammelt werden können.

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Sonntag, 19. August 2018
Sonntagsmärchen – frei nach Apostelgeschichte 3,1-10, dem heutigen Predigttext
Es war einmal ein spirituell höchst aufgeladenes Gespann, die hießen Peter und Hannes und die zogen über die Dörfer ihres Heimatkirchenkreises , um andere mit ihrer Spiritualität anzustecken. Eines Tages – es war gerade Kaffeezeit – gingen sie zur Kirche, denn da war gerade Gemeindefest, da startete der Gottesdienst ausnahmsweise am Nachmittag.

Sie staunten nicht schlecht, als sie beobachteten, wie jemand einen jungen Mann im Rollstuhl vor dem Haupteingang abstellte und ihn dort einfach stehen ließ, statt ihn am behindertengerechten Eingang in die Kirche zu schieben. Eine Frau bemerkte ihre irritierten Blicke und sagte: „Das macht der vor jedem Gottesdienst. Er sammelt angeblich Geld für eine sündhaft teure Behandlung in den USA, mit vierzig Prozent Heilungschancen. Das ist aber so viel, das kriegt der nie zusammen. Ich glaube ja, dass er in der Zwischenzeit alles versäuft, darum gebe ich ihm auch nichts mehr.“

Als nun Peter und Hannes die Kirche betreten wollten, rief der junge Mann im Rollstuhl ihnen zu: „Könntet ihr wohl ein bisschen Kleingeld entbehren? Ich sammle für eine kostspielige Behandlung, damit ich vielleicht eines Tages nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen bin.“
Peter sah ihn an, zeigte auf sich und Hannes, die beide in zerrissenen Jeans, ungebügelten T-Shirts und ausgetretenen Sandalen unterwegs waren und sagte: „Guck uns an. Sehen wir so aus, als ob wir Kleingeld übrig hätten? Wir sind selber pleite. Aber wir geben dir was Besseres. Im Namen Jesu Christi von Nazareth sage ich dir: Steh auf und geh zu Fuß in die Kirche.“
Da nahm Peter die Hand des Rollstuhlfahrers und zog ihn auf die Füße. Er blieb tatsächlich stehen und setzte einen Fuß vor den anderen, obwohl er seit seiner Geburt nicht laufen konnte. Jetzt lief er tanzend in die Kirche und lobte Gott. Alle Gottesdienstbesucher – und wegen des Gemeindefestes waren das viele – sahen ihn herumlaufen und hörten seine Loblieder. Und sie erkannten ihn und weil sie wussten, dass er wirklich gelähmt gewesen und kein Betrüger war – zumindest nicht, was seine Erkrankung betraf - , staunten sie mit offenen Mündern und in das Staunen mischte sich auch Entsetzen, denn was waren das für seltsame Vögel, die einfach so, von jetzt auf gleich einen Schwerkranken heilen konnten, dem bisher kein ausgebildeter Mediziner hatte helfen können? Und wenn sie nicht gestorben sind, dann staunen sie noch heute.

ENDE

Und ich staune auch über dieses Märchen, genauso wie über das, das im heutigen Evangelium steht (Markus 7, 31-37), da heilt Jesus einen Gehörlosen, der natürlich auch bis dahin nicht sprechen kann.
Das sind alles so naive Gottesbeweisgeschichten, mit denen ich wenig anfangen kann. Gut, vielleicht passieren solche Wunder heute nicht mehr – um nicht zu sagen seit vielen Jahrhunderten – weil wir mehr auf unseren Verstand vertrauen und es uns an spiritueller Energie mangelt, aber so weit bin ich noch nicht, dass ich diesbezüglich einfach von der Klippe springe.

Da kann ich schon eher etwas mit dem aktuellen Wochenspruch anfangen:
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen .“ (Jesaja 42,3)

In Krankheit, im Unglück, in der Niederlage, wenn wir ganz klein sind und gebeugt, kraftlos wie ein geknicktes Rohr, fast am Ende wie der glimmende Docht, dann gibt es eine Kraftquelle für uns, an der wir uns bedienen können. Manchmal müssen wir nicht einmal das und die Kraftquelle kommt einfach zu uns. Dabei meine ich keinen mystischen Blitz, der uns in die Glieder fährt und auch mehr als das verzweifelte Gebet im stillen Kämmerlein. Es sind Menschen, die uns wieder auf die Füße helfen und wir dürfen Menschen auch um Hilfe bitten und manchmal sind es unerwartete Ereignisse, die das Blatt wenden und uns zum Staunen bringen.

Ja, irgendwann ist es dann tatsächlich vorbei, aber nicht heute. Und bis dahin bleibt die Hoffnung, dass wir aus jeder Talsohle wieder heraus kommen und das Leben noch viele Höhen und Tiefen für uns bereithält, bevor wir uns endlich ausruhen können.

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