Samstag, 25. März 2023
Besser geht‘s nicht – muss es aber auch gar nicht
In Zeiten der Selbstoptimierung, der allgegenwärtigen Bewertung von Dienstleistungen, Waren, Filmen, Büchern und vor allem von Menschen neigen die meisten dazu, alles zu geben, um ganz oben auf der Skala zu stehen und sich dann zu grämen und im schlimmsten Fall in schwere Depressionen zu fallen, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt: zu wenig Lob, zu wenig Anerkennung, zu wenig Wertschätzung, zu wenige Referrer, zu wenig Likes.

Dann beginnt vielleicht eine ungesunde Selbstkritik: Bin ich nicht originell genug? Habe ich mich nicht genug angestrengt? Habe ich zu wenig gelesen? Mache ich zu wenig Sport? Esse ich zu ungesund?
Und bei den religiösen Menschen sowie denjenigen, die sehr um soziale Werte bemüht sind heißt es dann vielleicht: Habe ich zu wenig zugehört, mich zu wenig gekümmert, waren meine Worte zu hohl?

Immer ist es nicht genug. Immer ist man defizitär. Wie sehr man sich auch bemüht. Und der Predigttext für diesen Sonntag macht es auch nicht besser.

Ich habe dieses Mal auch die beiden anderen Texte dazu genommen, die gelesen werden (nur den Psalm lasse ich weg). So habe ich leichter einen Zugang gefunden.

Den Text aus dem Alten Testament
https://www.bibleserver.com/GNB/Jeremia15%2C10-20
Würde ich für mich mit folgendem Satz auf den Punkt bringen:
Wer sich als Gottesbot*in verstehen will oder als Vertreter*in der eigenen Religion, sollte jede Äußerung vorher gut durchdenken und abwägen und nicht einfach sofort auswerfen, was gerade so im Kopf herumspukt.

Im Evangelium steht eine Geschichte von eitlen Brüdern, die Jesus um das Privileg bitten, in der Ewigkeit direkt an seiner Seite zu sitzen. Alle anderen Jünger finden das anmaßend:
https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Markus10%2C35-45

Ich würde diese Geschichte so auf den Punkt bringen: Ein übersteigertes Geltungsbedürfnis ist dumm. Wer darunter leidet, findet am ehesten und sinnvollsten Linderung, indem er / sie für andere da ist und die eigenen Wünsche hinten anstellt. Dann kommt der „Ruhm“ ganz von allein.

Und hier nun der Predigttext aus dem Hebräerbrief:
https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Hebr%C3%A4er5%2C1-10

Es geht darum, dass man sich nicht einfach selbst zum Priester macht, weil man gerade Lust darauf hat oder findet, die Welt habe auf einen gewartet, sondern, dass man von Gott berufen sein muss. Wie diese Berufung allerdings erfolgt, das wird nicht näher erklärt. Nur wie es bei Jesus gelaufen ist: Zuerst gab es da eine Stimme von oben. Danach musste er viel aushalten, sich erniedrigen und demütigen lassen. Aus diesem Aspekt der geistlichen Leidensfähigkeit ist ja nun leider viel Unrühmliches erwachsen. Demut, Gehorsam als spirituelle Übung für Noviz*innen, Schüler*innen, Waisen – das bedeutete oft die unkontrollierte Spielwiese für sadistische Würdenträger*innen.
Aber der Vers zwei, der ist mir wichtig:

"Er kann die verstehen, die aus Unwissenheit oder durch ein Versehen vom richtigen Weg abkommen, denn er kennt die menschliche Schwachheit aus eigener Erfahrung."

Egal ob jemand Pfarrer*in, sonstige Berufschrist*in, Ehrenamtliche*r mit Leitungsaufgaben oder einfach nur ein guter Mitmensch sein will: Es ist nicht verkehrt, Fehler gemacht zu haben, die man bereut, schwierige Erfahrungen gemacht zu haben, die man bewältigt hat, Schwächen an sich zu entdecken und Unzulänglichkeiten, zu denen man steht, auch wenn man dagegen angeht.
Das macht einen menschlicher, warmherziger und vor allem hilfreicher für diejenigen, die aktuell Unterstützung brauchen.

Seien Sie also nicht zu streng mit sich selbst.

... comment