Sonntag, 20. März 2022
Gotteskrieger - eine Nacherzählung zu 1. Könige 19, 1-14
Dies ist eine erweiterete literarische Nacherzählung des heutigen Predigttextes

1. Im Königspalast
"Ich bin immer noch fassungslos., stammelte Ahab. "Es ist so schrecklich, was dieser religiöse Fanatiker veranstaltet hat."
"Von wem sprichst Du?", fragte Isebel.
"Von Elijah, diesem Propheten. Er hat am Berg Karmel ein Kräftemessen zwischen dem Gott Israels und den Anhängern des Baal-Kultes betrieben. Allein durch ein Gebet sollte ein Feuer entzündet werden, um ein Brandopfer darzubringen. Deine Baalspriester waren wohl ziemlich erfolglos. Elijah dagegen hat sogar vorher Wasser auf das Opfertier gegossen und hat trotzdem angeblich durch pures Gebet ein infernalisches Feuer entzündet."
"Und was ist daran so schlimm?"
"Das Feuer ist nicht schlimm. Aber Elijah hat den Ausgang des Wettbewerbs als Rechtfertigung benutzt, ein Massaker zu veranstalten. 400 Priester hat er selbst abgeschlachtet oder von seinen Unterstützern abschlachten lassen. Das Wasser des Baches Kischon färbte sich dunkelrot von all dem Blut."
"Er hat 400 Priester ermordet? Gute Männer meines Volkes einfach abgeschlachtet? Ich werde diesem israelitischen Gotteskrieger einen Boten schicken. Er soll sich nicht mehr sicher fühlen bis zu seinem letzten Atemzug!"
Königin Isebel trug dem Boten folgende Worte auf: "Die Götter sollen mir antun, was immer sie wollen, wenn ich deinem Leben nicht ein Ende setze! Morgen um diese Zeit soll es dir ergehen wie den Propheten, die du getötet hast."

2. Flucht
Der Bote machte Elijah ausfindig. Er sagte seinen Spruch auf und verschwand. Elijah war zunächst verblüfft. Er hatte nie darüber nachgedacht, dass seine Gewalt Gegengewalt erzeugen könnte. Nun bekam er plötzlich große Angst.
"Was soll ich nur tun? Isebel ist die Königin, die Gattin des Ahab, die beiden werden mich jagen und mich finden und mir bestimmt Schlimmeres antun, als mich mit einem Schwert zu durchbohren. Isebel ist bekannt für ihre Erbarmungslosigkeit. Bestimmt denkt sie sich einen besonders grausamen, schmerzhaften und langsamen Tod für mich aus."
Seine Gedanken rasten. Schließlich sagte er seinem Diener: "Wir müssen sofort von hier verschwinden. Man will uns ermorden. Pack das Nötigste zusammen und lass uns aufbrechen. Nur leichtes Gepäck, wir müssen schnell sein."
Elijah folgte seinem Überlebensimpuls und rannte, er rannte um sein Leben. Er musste das Land verlassen, den Einflussbereich Ahabs und Isebels. Er rannte nach Süden, an die Grenze zum Reich Juda. Bei Beerscheba ließ er seinen Diener zurück. Hier war er sicher, aber Elijah ging noch weiter, tief in die Wüste hinein.

3. Zweifel
Nach einem Tag ließ er sich unter einem weiß blühenden Strauch nieder, der ein wenig Schatten spendete. Was wollte er noch? Wofür hatte er sein Leben gerettet? Um in der Wüste zu verschmachten? Wo sollte er bleiben, worin bestand der Sinn für ein weiteres Leben. Er war zutiefst überzeugt gewesen, das Richtige zu tun, aber wenn er nun gründlich nachdachte, stellte er fest, dass er keinen Deut besser war, als das blasphemische Königspaar. Wenn er ehrlich war, machte Ahab alles richtig. Er ließ nichts unversucht, damit Juden und Anhänger der älteren Religionen gut miteinander auskamen. Ein friedliches Nebeneinander, Leben und Leben Lassen, so lautete seine Devise. Elijah war immer überzeugt davon gewesen, dass die Gottlosigkeit des Königspaares Schuld an der großen Dürre und der daraus folgenden Hungersnot gewesen war. Aber was, wenn er im Irrtum war? Was hatte er nur getan? 400 Männer getötet, hunderte von Frauen zu Witwen und noch mehr Kinder zu Halbwaisen gemacht. Und das alles, weil er sich einbildete, für seinen Gott streiten zu müssen. War Gott wirklich so eitel und eifersüchtig? Hatte er das überhaupt nötig? War es nicht vielmehr Elijahs eigene Eitelkeit, sein Stolz, seine Geltungssucht, die ihn angetrieben hatten? Er schämte sich. Wie sollte er mit dieser Schuld weiterleben? Er war ein Monster, ein Massenmörder, ein Wahnsinniger. Er wollte nur noch, dass es aufhörte. "Es ist genug!", schrie er, "Beende mein Leben, Gott, ich bin keinen Deut besser als die, denen ich es zeigen wollte."
Er weinte und zitterte und brach schließlich erschöpft zusammen und fiel in einen bleiernen Schlaf.

4. Ermutigung
Nach einer Weile schreckte er auf. Jemand berührte ihn an der Schulter. Er zuckte ängstlich zusammen, sah dann aber in ein freundliches Gesicht. Der Mensch sagte: "Steh auf und iss!", dann war er so plötzlich verschwunden, wie er aufgetaucht war.
Elijah sah sich um und entdeckte etwas frisches Fladenbrot und einen Krug mit Wasser. Da meinte es jemand gut mit ihm. Er aß und trank, schließlich war sein Körper vollkommen ausgezehrt nach der langen Wegstrecke. Dann legte er sich wieder schlafen, denn er war vollkommen erschöpft und auch sein Lebenswillen war nicht zurück gekehrt.

Dann kam der Mensch - oder war es ein Engel? - erneut und weckte ihn. Diesmal sagte er: "Steht auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir!"
Elijah setzte sich auf, aß und trank und spürte, wie die Kräfte zurückkehrten und noch etwas anderes: Ein Gefühl, dass da noch etwas auf ihn wartete, dass es noch etwas für ihn zu tun gab, dass es eine Chance gab, auf eine Gelegenheit, das Schuldenkonto wieder auszugleichen, auch wenn dies angesichts von 400 Mordopfern unglaublich schien.

5. Aufbruch
Er ging. Vierzig Tage und vierzig Nächte war er unterwegs, lebte von dem Wenigen, das die Wüste hergab, bis er den heiligen Berg Horeb erreichte, der auch den Namen Sinai trug und an dem Mose die zehn Gebote erhalten hatte. Er suchte eine Höhle auf, um darin zu übernachten. Kaum hatte er sich hingelegt, hörte er die Stimme Gottes in seinem Kopf. War er jetzt vollkommen verrückt geworden oder sprach Gott wirklich zu ihm? Die Stimme fragte: "Was tust du hier, Elijah?"
Er antwortete: "Ich habe für dich sämtliche Grenzen überschritten, habe alles getan, was mir möglich war, für dich, meinen Gott. Es erschien mir unbedingt notwendig, denn ausgerechnet die, mit denen du dich seit der Zeit des Moses verbündet hast, haben den Vertrag gebrochen und sich nicht mehr an das gehalten, was du einmal mit ihnen vereinbart hast. Sie haben deine Altäre erschlagen und deine Fürsprecher ermordet. Ich bin der Einzige, den sie bisher nicht erwischt haben. Und jetzt sind sie auch hinter mir her."
"Komm nach draußen.", sagte die Stimme Gottes. "Stell dich auf den Berg und tritt deinem Gott gegenüber."

Erwartungsvoll blickte Elijah aus der Höhle. Er hatte Gott noch nie gesehen. Niemand hatte das je getan. Er hörte manchmal seine Stimme ? oder glaubte sie zu hören, aber er konnte nicht behaupten, Gott begegnet zu sein. Wie er wohl war? Wie eine große Flamme oder wie ein großer Schatten? Ein Berg, eine Gestalt, ein Abgrund?
Draußen wehte ein gewaltiger Sturm. Felsbrocken stürzten in die Tiefe. Sollte das Gott sein? Elijah spürte, wie der Wind sogar hier drin an seinen Kleidern zerrte und seine Haare durcheinanderwirbelte, aber er spürte keine göttlich Kraft, nichts außer Wind und Kälte und Luftdruck und ein tosendes Heulen.
Der Wind ließ merklich nach, doch nun begann die Erde zu beben. Es donnerte und wackelte und wieder stürzten Felsbrocken in die Tiefe und Elijah blieb weiterhin drinnen, um nicht von einem erschlagen zu werden. Die Erschütterungen forderten seinen Gleichgewichtssinn heraus, verpassten ihm Schläge in die Knochen und er musste seinen ganzen Mut zusammen nehmen, um nicht vor Angst zu verzweifeln. Aber er spürte keinen göttlichen Funken in diesem Naturereignis.
Dann brach ein Gewitter über den Berg herein und man sagt ja, der liebe Gott schimpfe, wenn es blitzt und donnert, ganz besonders, wenn der Blitz einschlägt und etwas in Flammen setzt. Und genau das geschah, ein loderndes Feuer brach aus, die wenigen Büsche in Elijahs Umgebung brannten lichterloh und er spürte die Hitze, das Licht und die Macht der Zerstörung, aber von Gott war nichts zu spüren. Wollte er ihm zeigen, dass er ihn längst verlassen hatte?

6. Erkenntnis
Doch als das Feuer erstarb, wurde es plötzlich sehr still. Nur ein sanftes, leises Sausen war in der Luft, man musste konzentriert lauschen, um es überhaupt wahrzunehmen, wie ein Flüstern, ein geheimnisvolles Wispern.
Und plötzlich war er sich ganz sicher, dass Gott in diesem Augenblick hier war. Elijah bedeckte sein Gesicht mit dem Umhang, denn er fürchtete sich vor dem Anblick Gottes, man hatte ihm immer erklärt, dass kein lebender Mensch diesen Anblick ertragen könne. Er trat aus der Höhle heraus und stellte sich direkt neben den Eingang, so konnte er im Zweifelsfall schnell wieder nach innen fliehen, in den Schutz der dicken Steine und der Dunkelheit.
Er hörte eine Stimme, die sprach: "Was tust du hier Elijah?"
Und er wiederholte, was er schon in der Höhle gesagt hatte. Seine Rechtfertigungsrede, an die er selbst nicht mehr so recht glaubte. Hatte er das wirklich alles für Gott getan?

Gott kommt nicht mit Gewalt, mit Schwertern, Feuern, Bomben. Er ist kein rächender Feldherr, kein Abräumer, Aufräumer, der mit den Feinden abrechnet, so dass man sich zurücklegen und zufrieden die Hände reiben kann. Gott ist leise, still und unscheinbar. Gott versteckt sich und will gefunden werden. Er gibt uns Kraft, erteilt Ratschläge, gewährt Einsichten, aber handeln müssen wir Menschen selbst.

Elijah bekam den Auftrag, bessere Männer zum König zu salben, als diejenigen die gerade regierten und auch einen Nachfolger für sich selbst zu berufen. Außerdem die Zusage, dass genug Menschen des jüdischen Glaubens überleben würden, um die Tradition fortzusetzen. Das Leben würde weiter gehen, auch ohne Elijah, aber Elijah hatte die Gelegenheit, die Zeit, die ihm noch blieb, zu nutzen, um vieles zum Guten zu wenden.

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