Freitag, 6. August 2021
All exclusive
Eine von den Gastgebern versklavte Gruppe von Einwanderern tritt die Flucht an und wird vor den gierigen Sklavenhaltern, die sie zunächst noch verfolgen, gerettet. Nach einem Vierteljahr sitzt ihnen der Schreck noch immer in den Knochen - ja der Schreck wird sogar von Generation zu Generation weitergegeben, aber auch das Wissen um die Erfahrung, dass es sogar aus dem scheinbar ausweglosen Elend eine Rettung geben kann.
Durchatmen ist angesagt und in dieser Atempause erhält der Anführer stellvertretend für alle eine Zusage vom Schöpfer und Retter: Ihr seid etwas Besonderes, ein Volk von Priestern, euch habe ich mir ausgesucht, damit ihr von mir erzählt, ein gutes Beispiel gebt, nach meinen Regeln lebt.
Das ist ihnen wichtig, dass sie etwas Besonderes sind, die Besten, die Auserwählten, Papas Lieblinge. Warum ist das so? Vielleicht, weil sie so viel mitgemacht haben. Vielleicht muss man sich einreden, Teil einer Elite zu sein, wenn man über Generationen so ausdauernd getreten und gedemütigt wurde.

Die Sache mit dem auserwählten Volk finde ich schon lange problematisch. Als Kind habe ich das kritiklos so hingenommen, fühlte mich auch nicht ausgegrenzt, das Volk Gottes habe ich rückhaltlos verehrt.
Irgendwann verstand ich dann, dass Jesus dieses Auserwähltsein vom Geburtsrecht einer Volkszugehörigkeit auf die Entscheidung für den Glauben an den dreieinigen Gott übertragen hat.
Nicht mehr ganz so exklusiv, aber noch immer eine "Wir-hier-die-da-Mentalität". Gar nicht mal schön und auch nicht besonders förderlich für den Weltfrieden.

Obwohl man, wenn man den Predigttext aufmerksam liest, auch hier eine Bedingung findet für die Aufrechterhaltung eines besonderen Bundes zwischen Gott und Israel. In Vers 5 heißt es: "Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein."

Und wenn nicht? Davon erzählt das Alte Testament in einer Endlosschleife. Leid und Elend, Zeiten der Reue und Umkehr, Gottes Erbarmen, neue Bündnisse, bis zur nächsten Treulosigkeit.

Auch etwas, das meinen Widerspruch erregt: Diese Geschichten erwecken den Eindruck, dass Leid und Elend eine Strafe Gottes seien. Fehlverhalten wird geahndet, Wohlverhalten wird belohnt. Die Menschheit hat lange gebraucht, sich von diesem naiven Gottesbild zu lösen, was rede ich, sie befindet sich noch mitten im Prozess. Dabei steht im Evangelium für diesen Sonntag, was das Wichtigste ist: Dem einen Gott die Treue halten und nicht rumeiern und sich mit Esoterik und anderen magischen Kinkerlitzchen verzetteln und zweitens, für andere da sein und ihr Wohl nicht dem eigenen unterordnen. Das ist keine Garantie für allgemeines Wohlbefinden und die Abwesenheit von Unglück, aber das beste Rezept für ein inneres Gleichgewicht und eine bessere Welt.


Wer den Predigttext für den Israelsonntag und 10. Sonntag nach Trinitatis (2. Mose 19, 1-6) und das entsprechende Evangelium (Markus 12, 28-34) lesen mag, voilà:
https://www.bibleserver.com/EU/2.Mose19%2C1-6
https://www.bibleserver.com/EU/Markus12%2C28-34

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