Samstag, 10. April 2021
Hallo Jesus - welches Schweinerl hätten's denn gern?
Kennen Sie noch "Was bin ich?", das heitere Beruferaten mit Robert Lemke? Nein? Dann sind Sie wohl zu jung. Alle die über fünfzig sind, werden es noch kennen. Und es hieß immer: "Machen Sie eine typische Handbewegung.", danach begann der Ratespaß mit diversen Alternativfragen. Für jedes "Nein" bekam der Studiogast 5 Mark in das Sparschwein gesteckt, das er oder sie sich ausgesucht hatte.

Im Predigttext für den 1. Sonntag nach Ostern geht es auch um ein heiteres Personenraten. Die Erzählung vom Auferstandenen am See Tiberias findet sich im Johannes-Evangelium, Kapitel 21, 1-14.

Ich konnte lange überhaupt nichts mit der Ostergeschichte anfangen. Als Kind fand ich das Märchen vom Auferstandenen Jesus toll, ein Happyend, wo doch eigentlich alles den Bach runter gegangen war, eine unglaubliche Wendung, ein Wunder.
Später fragte ich mich, welchen Sinn es denn nun hatte, dass einer einen grausamen Tod erleiden musste, dass sein Körper begann, sich nach allen Regeln der Naturgesetze zu zersetzen und dass er plötzlich nach drei Tagen wieder Stoffwechsel hatte, um sich nach vierzig weiteren Tagen endgültig in den Himmel abzusetzen. Was soll das?

Es hieß immer, Jesus habe den Tod besiegt. Aber das stimmt doch gar nicht. Es wird immer noch gestorben und keiner kommt zurück. Was soll ich in dieser Auferstehungsgeschichte erkennen, worin besteht die frohe Botschaft? Und selbst wenn es funktioniert hätte und sich genauso zugetragen hätte, wie es in den Evangelien erzählt wird, was hat das mit mir zu tun oder mit irgend jemandem, der oder die heute lebt?

Sicher, ich könnte an die allgemeine Auferstehung am Jüngsten Tag glauben, an ein Gericht, wo ich zu den Gewinner*innen gehöre, weil ich zu Lebzeiten, die richtige Entscheidung getroffen habe. Aber derartig naive Vorstellungen beleidigen meine Intelligenz. Sorry, wer es glauben möchte, soll gern daran festhalten, aber ich sehe mich dann doch eher vor den Toren der Stadt, wo Heulen und Zähneklappen den Ton angeben.

Irgendwann fiel es mir schließlich auf: Genauso wie in den beiden vorangegangenen Ostergeschichten des Johannes (Jesus erscheint Maria von Magdala und Jesus sucht die Jünger in ihrem Versteck auf), sowie in der Emmaus-Geschichte (Mk 16,12-13 und Lk 24, 13-35) wird Jesus nicht an seinem Gesicht oder seiner Gestalt erkannt sondern an einer für ihn typischen Handlung. In dieser Geschichte ist es das Remake vom Fischzug des Petrus. Erst als sie auf die Anweisung des Fremden die Netze noch einmal ins vermeintlich leer gefischte Wasser werfen und sie kurz danach berstend vor Fischen wieder herausziehen, erkennen sie, dass Jesus am Ufer des Sees steht; der Mann mit dem sie vor einer Woche noch täglich zusammen waren, drei Jahre lang ohne Unterbrechung.

Es geht nicht um Personenkult. Die Jünger neigten dazu, waren Kinder ihrer Zeit, rannten einem Rabbi hinterher und vergötterten ihn, begaben sich in die totale emotionale Abhängigkeit von Jesus. Er hatte schon oft versucht, ihnen klar zu machen, dass die Kunst nicht darin bestand, ihm wie ein Hündchen hinterher zu laufen, sondern das umzusetzen, was sie von ihm gelernt hatten.

Für mich ist der atmende Jesus mit Puls und Nagelmalen ein Symbol. Ein Symbol dafür, dass großartige Menschen zwar von den Mächtigen ermordet werden können, dass sie aber immer nur das Gefäß der revolutionären Ideen vernichten - den Inhalt können sie nur auslöschen, wenn niemand die Fackel weiterträgt. Die Worte, Ideen, Anregungen, Ratschläge und Anweisungen des Jesus von Nazareth sind auferstanden und leben ewig weiter. Und die Hoffnung, dass es der Menschheit eines Tages gelingen wird, eine richtig gute und gerechte Welt zu bauen, in der alle entspannt und fröhlich leben können. Und dann ist Ostern.

https://www.bibleserver.com/LUT/Johannes21%2C1-14

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Der Auferstandene am See von Tiberias mit Kommentaren
"1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias. Er offenbarte sich aber so: 2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger."

Acht Jünger Judas hat sich erhängt, aber wo sind die anderen drei? Und wer sind die anderen drei? Und warum werden sechs namentlich genannt und zwei nicht? Gehören die zu den Fünfen, die nicht so wichtig sind? Die Punks im Gefolge des Heilands, die nicht so ganz mit dem Herzen bei der Sache sind? Die dann doch nebenbei noch halbseidene Geldgeschäfte machen, Frauen anflirten, einen über den Durst trinken, raue Reden führen und die Römer endgültig rausschmeißen wollen aus Palästina? Oder geht es es nur um die Zahl ACHT? Die ACHT steht für Unendlichkeit, Ewigkeit, Vollkommenheit - nicht nur in der christlichen Zahlensymbolik, auch im daoistischen Feng Shui. Also das Kernteam, plus zwei Namenlose um die Magische Zahl voll zu machen?


"3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir.?

Männer. Die sind so. Auch heute noch. In der Kneipe sagt der eine: "Ich geh' pissen.", sagt der andere: "Ich komm' mit."


"Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts."

So ist es manchmal im Leben. Man macht alles richtig und steht am Ende trotzdem mit leeren Händen da. Schößlinge angezüchtet, den Boden aufbereitet, gepflanzt, gesät, gegossen gejätet - und am Ende erntet man 20 Erbsenschoten und einen Kürbis in Apfelgröße, alles andere verkümmert, abgefressen oder gar nicht erst aufgegangen.
So war auch die Situation der Jünger. Sie hatten alles stehen und liegen lassen, waren Jesus gefolgt, hatten auf ihn gehört, dann war er hingerichtet worden, alles aus. Wenig später stand er von den Toten auf, aber nichts war mehr so wie früher, er erschien kurz und war dann wieder weg. Er lebte, aber er war nicht mehr 24 Stunden täglich körperlich anwesend. Man konnte nicht mal eben nachfragen, wenn einen etwas beschäftigte. Sie mussten jetzt ohne ihn klarkommen. Und sie wussten nicht so recht, wie sie es anfangen sollten. Sie kannten zwar die Anweisungen, aber trotz allen Bemühend blieb der Erfolg aus. Sie mochten es wie Jesus, aber sie waren nicht Jesus. Sie konnten niemanden begeistern. Und so wird es sich angefühlt haben: dunkel, verzweifelt, ratlos.

"4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war."

Manchmal liegt die Lösung auf der Hand. Man hat den richtigen Dreh direkt vor Augen und erkennt trotzdem nichts, weil man zu sehr auf das eingeschossen ist, was man sich mit seinem begrenzten Horizont vorstellt.


"5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden."

Erfahrende Fischer befolgen gegen alle Regeln der Erfahrung den Rat eines Fremden. Sie haben das schon einmal getan, damals, vor drei Jahren, als sie Jesus kennenlernten. Es war eine weise Entscheidung gewesen, auf den Mann zu hören. Diese Reaktion weist hin auf große Offenheit und Experimentierfreude. Auf eine Bereitschaft, die Hoffnung nicht aufzugeben, sich anzustrengen und etwas zu riskieren, nicht zu verzweifeln oder zu resignieren, sondern zu handeln, immer wieder, bis es klappt.


"Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische."

Und wieder wird ihre Tatkraft belohnt. Genau wie damals.


"7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr!"

Johannes erinnert sich und erkennt den vermeintlich Fremden, der da am Ufer steht.


"Als Simon Petrus hörte: »Es ist der Herr«, da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich in den See."

Typisch Petrus. Immer gleich ganz großes Kino. Voller Inbrunst und Hingabe, darunter macht er es nicht. Er dürfte den anderen mächtig auf die Nerven gegangen sein mit seinem hündischen Verhalten - und Jesus vermutlich auch. Aber vielleicht gab Jesus ihm etwas, das er bis dahin schmerzlich vermisst hatte - sei es nun Wertschätzung, Orientierung, Bildung oder Gesprächsbereitschaft. Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall war Petrus Jesus größter Fan und Jesus hat ihn deswegen niemals ausgelacht, sondern die Kraft gesehen, die in dieser Liebe steckte und das Potential. Und er half Petrus, etwas daraus zu machen.


"8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen."

Ah, hier kommen die drei Jungs ins Spiel, die vorher gefehlt haben - was die ACHT allein nicht schafft, klappt wenn die DREI mit anfasst. Die DREI ist das Symbol für die göttliche Macht. Könnte aber auch eine Überinterpretation sein.


"9 Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!"

Männer, die sind so, die müssen immer grillen. Sogar Jesus. Backfisch und Toast - der antike Vorläufer von Fish & Chips. Jesus hat schon etwas vorbereitet, da kann man gleich nach der Arbeit anfangen zu essen und muss nicht erst warten, bis alles zubereitet ist. Drei Jahre lang hat der Heiland sich von den Jüngerinnen und Jüngern versorgen lassen. Während er heilte, stritt und predigte, sorgten sie für seinen Lebensunterhalt. Dieses mal revanchiert er sich.


"11 Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht."

Eine so konkrete Zahl hat zu zahlreichen theologischen Spekulationen geführt. Unter anderem gilt die Zahl 17 in der Zahlenmystik der jüdischen Tradition dem hebräischen Wort für "gut", wenn man die Zahlen von 1-17 addiert, ergibt sich 153 als Summe - also stehen die 153 Fische für die endgültige Erfüllung der guten Sache, die Jesus ins Rollen gebracht hat.
Außerdem blieb das Netz heil, obwohl es zum Bersten gefüllt war. Vielleicht, weil alle gemeinsam daran zogen, an vielen Stellen, so dass die Last gleichmäßig verteilt war, als Metapher für die schweren Aufgaben und Prüfungen, die allen bevorstanden, die sie nur unbeschadet überstehen konnten, wenn sie sich gegenseitig unterstützten. Ist eigentlich allgemeingültig.


"12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr. 13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch den Fisch. 14 Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war."

Und wieder machte Jesus "eine typische Handbewegung": gemeinsam essen, das Brot nehmen und teilen. Abendmahl. Feiern Christ*innen noch heute überall auf der Welt, zum Gedenken an das letzte Abendmahl, aber vor allem als Zeichen der Gemeinschaft und der Bereitschaft, sich gegenseitig zu unterstützen.

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