Samstag, 12. Januar 2019
Über den Jordan – Ist Gott Darwinist?
Der Predigttext für den 1. Sonntag nach Epiphanias steht unter diesem Beitrag, ebenso ein paar Erklärungen.
Eigentlich mag ich die Geschichten aus dem alten Testament lieber als die aus dem Neuen, sie sind wilder, archaischer und unberechenbarer . Aber sie sind auch oft Ausdruck einer kruden, unreflektierten Denkweise.
Wie kommen die Israeliten dazu, sich anzumaßen, Anspruch auf ein Land zu haben, das längst bewohnt ist? Warum will Gott die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Persiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter vertreiben?
Ich kann damit leben, dass es ein auserwähltes Volk gibt, das berufen ist, in besonderer Weise mit diesem Gott verbunden zu sein und seine Botschaft in die Welt zu tragen. Warum nicht? Nur kein Neid.
Aber diese „Hoppla, jetzt komm ich!“-Geschichten erregen meinen Widerspruch. Was ist denn mit den Menschen, deren Frieden gestört wird, nur weil sie eine andere Kultur haben und diejenigen, die gerade unterwegs sind, scharf auf ihr Land sind? Warum ist Gott auf der Seite der Aggressoren?

Josua 3, 5-11.17
5 Und Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. 6 Und zu den Priestern sprach er: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her.
7 Und der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 8 Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen.
9 Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! 10 Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: 11 Siehe, die Lade des Bundes des Herrschers über alle Welt wird vor euch hergehen in den Jordan. 17Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.

Zur Erklärung, falls das jemanden interessiert:

JOSUA ist der Nachfolger des Mose, der das Volk Israel aus Ägypten befreite und 40 Jahre durch die Wüste führte. Er durfte das gelobte Land noch vom Gipfel eines Berges aus sehen, die Besiedelung aber nicht mehr erleben.
Die Geschichte des Buches Josua beschreibt die gewaltsam Landnahme Israels, die sich mit den dort ansässigen Völkern bekriegten. Diese kriegerischen Auseinandersetzungen haben so wohl gar nicht stattgefunden, es erfolgte vielmehr eine weitestgehend friedliche Besiedelung erst aus den später sich entwickelnden Konflikten entstanden die Legenden von uralter Feindschaft.

DIE BUNDESLADE war ein Kasten mit Tragegriffen oder Tragestangen, in dem die Gesetzestafeln mit den 10 Geboten aufbewahrt wurden. Diese Tafeln hatte Mose höchstselbst auf dem Berg Sinai nach Gottes Anweisung angefertigt oder direkt von Gott erhalten. Sie galten als Heiligtum und wurden während der Wanderung durch die Wüste in diesem Kasten mitgeführt. Der Kasten stand in einem eigens dafür bestimmten Zelt, der sogenannten Stiftshütte, eine Art mobiler Tempel. Später stand sie im Jerusalemer Tempel in einer Nische, die von einem Vorhang verhüllt war. Der Raum durfte nur vom Priester betreten werden. In der Stunde des Todes Jesu, zerriss dieser Vorhang, wie zum Zeichen, dass nun alle Menschen Zugang zum Heiligtum haben und mit dem Opfer Jesu alle Hierarchie innerhalb der Religionsgemeinschaft hinfällig ist.

DIE ÜBERQUERUNG DES JORDAN trockenen Fußes ist eine Wiederholung der Geschichte vom Zug durch das Rote Meer. Hier teilte Mose die Fluten, um den Verfolgern zu entkommen und spätestens seit diesem Zeitpunkt galt er seinen Leuten als mächtiger Prophet. Josua muss sich noch beweisen, ist noch grün hinter den Ohren und Gott selbst verhilft ihm zu der nötigen Autorität, damit er die Eroberungszüge erfolgreich anführen kann.

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Seit meiner ersten Bibellektüre bin ich der Meinung, ein Gott, der solche ethnischen Säuberungen befiehlt, kann mein Gott nicht sein. Im Übrigen hat Jesus den Juden mal Teufelsanbetung vorgeworfen, von daher ist die Frage, ob der Gott, den Jesus als Vater bezeichnet, und jener, den die Juden anbeten, die gleiche Gottheit sein können.

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Wo hat Jesus den Juden denn Teufelsanbetung vorgeworfen? Habe ich das verdrängt? Ich bin ja einigermaßen Bibelfest, aber an diese Stelle erinnere ich mich nicht, was nicht heißt, dass Sie nicht existiert. Können Sie mich erhellen?

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OK, streng genommen war es nicht Anbetung. In Johannes 8:44 heißt es:

44 Denn ihr seid Kinder des Teufels. Und deshalb tut ihr bereitwillig das, was euer Vater wünscht. Der war schon von Anfang an ein Mörder und stand nie auf der Seite der Wahrheit, denn sie ist ihm völlig fremd. Sein ganzes Wesen ist Lüge, er ist der Lügner schlechthin – ja, der Vater jeder Lüge.

Zwischen seinem Vater und dem Vater der Juden macht Jesus an der Stelle jedenfalls einen klaren Unterschied.

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Na, das muss man dann aber schon in einem größeren Kontext lesen. Es ist ja so, dass eine Fraktion traditioneller gläubiger Juden, Jesus zum Vorwurf macht, er diene dem falschen Gott und nun hält er ihnen den Spiegel vor, denn er predigt im Sinne der Essenzen der jüdischen Tradition, wird aber nicht verstanden. Er provoziert seine Herausforderer, lässt sich nicht in die Ecke des durchgeknallten Aufrührers stecken, er beharrt darauf Gottes Sohn, ja sogar Gott selbst zu sein. Das halten die frommen Männer verständlicherweise für eine eklatante Anmaßung und Gotteslästerung.
Meiner Einschätzung nach meint Jesus: Ihr glaubt, dass ihr Kinder des Gottes seid, der auch mein Gott ist, aber ihr denkt, fühlt und handelt wie Kinder des Satans. Und ihr merkt es noch nicht einmal.
Das Johannesevangelium ist aber auch sehr schwierig. Zwar auch sehr spannend, voller schöner Sprache, ausdruckstark und tief philosophisch, aber ich finde es oft unverständlich. Hier müsste sich vielleicht mal ein Volltheologe einmischen ;-)

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Vielleicht haben wir es hier ja mit einem fragmentarischen Fortleben des alten Polytheismus zu tun. Verschiedene Gottesnamen (Al Shaddai, Elohim Jehova) legen die Vermutung nahe, dass mit dem Paradigmenwechel zum einen Gott verschiedene Gottheiten gewissermaßen fusioniert wurden.

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Das klingt interessant. Muss ich mich mal länger drüber nachdenken und mit diversen Leuten bequatschen

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Elohim ist ja schon eine Pluralform, und in den älteren Genesis-Übersetzungen heißt es ja sinngemäß "Lasst uns Menschen machen nach unserem Ebenbilde".

Im Zweistromland, wo die ältere Version der Schöpfungsgeschichte herkommt, sind durchaus mehrere Götter zugange (Enki und Enlil), die auch eine unterschiedliche Politik befürworten, wie mit den neugeschaffenen Menschen zu verfahren sei. Ich habe vor Jahren mal eine interessante Abhandlung darüber gelesen, wie sich der Mehrgötterglaube in Spuren in der israelitischen Überlieferung der monotheistischen Doktrin erhalten hat. Und dass Jehova auch mal eine Göttergefährtin hatte, die noch zur Zeit der Propheten verehrt wurde (sehr zu deren Missfallen), gilt inzwischen auch als einigermaßen gesichert.

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Die Gefährtin war aber nicht die Lilith, oder?

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Nein, die war der Legende nach die erste Frau Adams.

Die weibliche Göttin, die in den Büchern Mose und Könige erwähnt wird, ist Astarte, auch Aschera genannt. Wobei Astarte bei umliegenden Völkern als Gefährtin des Baal verehrt wurde und Aschera als Gefährtin von JHVH verstanden wurde.

In der gnostischen Überlieferung wird der weibliche Aspekt Gottes Sophia genannt.

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Mark, ich bin begeistert,
Sie haben sich da ja richtig reingearbeitet. Von Lilith weiß ich noch, dass sie als Dämonin gilt und Adam sie wohl wegen ihres dunklen Charakters gegen Eva ausgetauscht hat. Die Angst vor Lilith taucht - wenn auch nicht namentlich erwähnt - zumindest im Buch Ruth noch einmal auf, als Ruth sich nachts auf der Tenne zu Boas legt und der sich zu Tode erschreckt, weil er sie für die Lilith hält und denkt, jetzt geht es an sein Leben. galt wohl als Männer mordende Hexe, sehr mächtig, sehr selbstbewusst, wird ja darum auch in feministischen Kontexten gern positiv besetzt.
Vom Astarte-Kult habe ich auch schon gehört, aber ich wusste nicht, dass er so stark in die jüdische Religion hineingewirkt hat.
Diese ganzen spannenden Details, gibt es da ein bestimmtes Buch, dass Sie empfehlen können oder muss man sich da durch eine halbe Bibliothek fressen?

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Über die Entstehung des Monotheismus und die Genese der jüdischen Religion gab es diverse Geschichten im Spiegel.

Allerdings war das wenigste davon für mich zu dem Zeitunkt wirklich neu, ich hatte zu der ganzen Thematik viel englischsprachiges Zeug im Netz gelesen. Mich haben ja immer vor allem die Querbezüge und Schnittstellen zwischen den Religionen interessiert. Ich dachte, vielleicht kommt man mit so einem komparatistischen Ansatz der eigentlichen Urreligion oder dem gemeinsamen Wesenskern aller Religionen etwas näher.

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Ja das glaube ich auch. Es gibt ja mittlerweile einen Studiengang namens komparative Theologie. Ich wäre auch für einen nicht konfessionsgebundenen Religionsunterricht an Schulen, das erweitert den Horizont und wirkt religiöser Verblendung entgegen. Aber ob ich das noch erlebe?
Dann sehe ich mir mal, wenn es draußen nicht mehr so schön ist Ihren Link an. Vielen Dank und einen schönen Sonntag.

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