Samstag, 21. September 2024
Inklusion für alle
Geht es Ihnen wie mir? Machen Faschisten sie wütend? Ekeln Sie sich vor denen? Geht Ihnen schon der Draht aus der Mütze, wenn Jugendliche gedankenlose Bemerkungen machen wie diese: „Klimakleber, einfach mit dem Trecker rüber fahren. Problem gelöst.“
Es ist zum Verzweifeln, wie diese Welt zunehmend in der Dunkelheit versinkt. Ich fühle mich so hilflos. Überall fallen die Wählenden auf Populist:innen herein, verramschen ihre Freiheit und ihren Wohlstand auf hohle, egomanische Brüllaffen. Und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.

Dann habe ich den Predigttext von diesem Sonntag gelesen:

https://www.bibleserver.com/HFA/Galater3%2C26-29

Jesus von Nazareth hat das Judentum reformiert und für alle Menschen geöffnet. Den Exklusivitätsanspruch des auserwählten Volkes hat er damit für nichtig erklärt und Paulus, der das Judentum glühend verteidigte gegen die wachsende Sekte der Christ:innen ist nun zu der Überzeugung gelangt, dass der inklusive Ansatz der Bessere ist. Eine schöne Entwicklung (wenn ich persönlich auch an der Lauterkeit seiner Motive zweifle).

Wäre das nicht phantastisch? Wenn all jene, die stets eifrig bemüht sind, andere auszugrenzen, weil sie sich für eine wie auch immer geartete Elite halten, damit aufhörten und stattdessen mit dem gleichen Eifer für Inklusion einträten? Sie müssen ja nicht gleich eine Christus-Erscheinung haben und danach drei Tage lang blind fasten. Es würde reichen, wenn sie überzeugende Erfahrungen mit wohlwollenden Menschen machen.

Stellen Sie sich vor, Sie schaffen es, mindestens einmal in der Woche bei einem Menschen, der Ihnen besonders garstig und ausgrenzend erscheint, für eine gute Erfahrung zu sorgen, die ihm zeigt, wie schön Inklusion ist (ich meine dabei nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch mit Migrationshintergrund, prekärer Finanzlage, Bildungsdefizit, befremdlicher Religionszugehörigkeit…)
Wenn das alle schaffen, die sich Christ:innen nennen und den Anspruch haben, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen und wenn das auch Nicht-Christ:innen versuchen, die den Anspruch haben, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen, dann machen in jeder Woche hunderte Millionen unangenehmer Menschen angenehme Erfahrungen. Und wenn dies bei einem Prozent einen Sinneswandel zur Folge hat, sind das schon ein paar Millionen, die ihrerseits mitwirken, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wäre das nicht eine schöne Perspektive?

Schauen Sie doch einmal, ob Sie es irgendwo ausprobieren können. Ich versuche es auch. Und nutzen Sie den Sonntag ganz für sich.

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Samstag, 14. September 2024
Sonntagsgesang einer Kirchenmaus
frei nach Psalm 19
(Predigttext am 15.09.24) – Kann man singen zur Meldie von „The Times They Are A‘Changin“ von Bob Dylan

GUT VERSORGT

Wir leben in einer düsteren Zeit
Trotzdem hält jeder Tag Glück und Freude bereit
Es gibt etwas Großes, das trägt mich und hält
Das Universum, mein Gott, große Mutter, die Welt
Wie du es nennst ist völlig gleich
Doch es lässt dich spüren, dein Leben ist reich.

Scheinheilige, Mächtige, Herren der Welt
Ihr habt diese Mächte des Himmels verprellt
Euch aus diesem Universum „befreit“
Ein eignes erschaffen voll Schmerz und voll Leid
Habt die Werte und Regeln verhunzt und verdreht
Blutvergießen, Vernichtung ist, wofür ihr steht.

Da mach ich nicht mit, so will ich nicht sein.
Für eure Kreise bin ich mir zu fein
Und eure Versprechen sollen mich nicht verführn
Ich möchte mein Mitgefühl niemals verlier‘n
Was nützen die Euros, die Straßen, der Lack,
Wenn die Welt erstickt unter all eurem Kack?

Mein Leben steht unter dem leuchtenden Stern
Eines Glaubens an das Bild eines schützenden Herrn
Oder auch einer Herrin, darauf kommt es nicht an
Doch es hat mein Schicksal gelenkt in die Bahn
Eines schönen Lebens, das schmerzt und das lacht
Eines schönen Berufs, so wie für mich gemacht.

Mein Glaube, beinhaltet auch diese Pfilcht:
Wer Hilfe braucht, dem verweiger sie nicht.
Auch Fremde Menschen schick nicht zurück
Auch wenn du Angst hast, sie bringen dir Glück
wenn du deine Ängste mit Liebe vertreibst
Und weiterhin menschlich und zugewandt bleibst.

Das Zweifeln, die Angst haben auch ihre Zeit,
Die Wut auf den Missbrauch der Gastfreundlichkeit
Doch mein Glaube, seine Regeln erinnern mich dran
Bleib menschlich und gütig, darauf kommt es an
Und rauben mir Ängste und Sorgen den Schlaf
Hilft beten mir manchmal, nicht stets aber oft
.
Ich fühl‘ mich, so singe ich in diesem Lied,
Aufgefangen, getragen, egal was geschieht
Das hilft gegen die Angst und in düsterer Zeit
Auch oft gegen die Handlungsunfähigkeit
Da sammel ich Kräfte und schöpf‘ neuen Mut
Ich bin Teil eines Großen und das tut mir gut.

Auch mein Leib ist versorgt, und alles ist fein
Ich hab‘ großes Glück, hier geboren zu sein
Ich spüre das Leben, vor mir liegt die Zeit.
Sie dankbar empfangen, dazu bin ich bereit
Da kommt noch viel Gutes, so oder so.
Das kann ich spüren und das macht mich froh

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Samstag, 7. September 2024
Versorgungssicherheit
Wenn du nur auf Gott vertraust und Dir Mühe gibst, nach seinen Geboten zu leben, musst du dir keine Sorgen um ein Dach über dem Kopf, Nahrung und Kleidung machen. Er wird schon für dich sorgen.
Das fasst m. E. den Predigttext des morgigen Sonntags zusammen. Nachzulesen bei Matthäus 6, 25-34.
https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Matth%C3%A4us6%2C25-34

Große Worte. Ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn ich einem Menschen mit knappem Einkommen, drohender Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit so einen Text präsentieren würde. Das klingt zynisch in meinen Ohren. Erst recht für Menschen die in Kriegsgebieten, Krisenregionen, Dürregebieten oder überfluteten Orten leben. Menschen die hungern, frieren nirgendwo einen Platz zum Leben finden.
Was also soll dieser Text? Ignorieren? Von der Festplatte löschen?

Kann man machen. Man könnte aber auch berücksichtigen, in welchem Kontext er entstanden ist und worin seine mögliche Intention bestand.
Es war eine Welt, in der Konsumgüter tatsächlich knapp waren. Es war schon sinnvoll, sich um seine täglichen Lebensmittel und Kleidung zu sorgen, sonst wäre man verhungert und erfroren oder von der Sonne verbrannt.. Aber sich sorgen ist nicht dasselbe wie sich versorgen. Sich sorgen heißt, dass die Gedanken ständig darum kreisen, ob es wohl reicht, wie man noch mehr Vorräte anlegen kann, damit es es ein bisschen länger reicht, und noch ein bisschen länger, und immer so weiter, damit man ein sorgenfreies Leben führen kann.

Und hier stellte Jesus die provokative Frage: Macht das denn ein sorgenfreies Leben aus, wenn Lebensmittel und Kleidung im Überfluss verfügbar sind? Und was ist mit Frreundschaft, Liebe, Solidarität, Gemeinschaft und den vielen besonderen Momenten im Leben, die so gar nichts mit Konsum zu tun haben, uns aber glücklich und stark machen?

Wenn die Gedanken immer nur um die eigene wirtschaftliche Existenz kreisen, verlieren Menschen den Blick fürs Wesentliche, für die Beziehungen, die ihnen Halt geben. Wer mehr Kraft in Beziehungen und die Gemeinschaft investiert, wird versorgt werden, auch wenn es bei ihm selbst einmal knapp wird.

Und natürlich hatte Jesus auch die Spiritualität im Blick. Zeit für innere Einkehr, Stille, Gebet, um durch die Verbindung mit der Schöpfung innere Kräfte zu mobilisieren, für sich selbst und für andere.

Vielleicht hat Jesus diese Rede auch darum gehalten, weil er seine Jünger bei der Stange halten wollte. Dass die einfach ihre Familien verließen und zusammen mit Jesus von Luft und Liebe lebten, ist ja auch so ein Thema für sich. Tatsächlich kümmerten sie sich nicht um ihre Versorgung. Das fand sich. Nun ja, es waren wohl die Jüngerinnen, die die Lebensmittel ranschafften.

Doch ich finde auch in unserer Gegenwart besitzt der Text etwas Mahnendes, das ich durchaus ernst nehme. Ich gehöre wie viele in meinem Kulturkreis zu den Privilegierten der Menschheit: ein auskömmliches Gehalt für würdiges Wohnen, vernünftige Kleidung, reichlich hochwertige Lebensmittel, hin und wieder Kultur und Urlaub. Im globalen Durchschnitt bin ich stinkreich. Trotzdem kreisen viele Gedanken um das Halten dieses Lebensstandards. Dabei gibt es so viel Wertvolleres: Familie, Freundschaften, Mußestunden.

In meinem Umfeld beobachtete ich, wie gutsituierte Menschen unersättlich dem Konsum von Kurztrips, Events, Genussmitteln und vielfältigen Anschaffungen hinterherhetzen. Sie sind gestresst von all den großartigen Erlebnissen, die sie sich Woche für Woche verordnen, total erledigt von der harten Arbeit bei der permanenten Optimierung ihrer Wohnumgebung, statt das Gras einmal wachsen zu lassen, die Wolken zu beobachten und die Gedanken auf Reise zu schicken. Wäre auch besser fürs Klima.

Machen Sie morgen doch einfach mal nichts :-)

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