Samstag, 15. Juni 2024
Die Verlorenen
Wenn man die Gleichnisse vom verlorenen Schaf, dem verlorenen Geldstück oder dem verlorenen Sohn liest (hinlänglich bekannt, aber bei Bedarf hier nachzulesen: https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Lukas15 ) gibt es eine klassische Auslegung: Gerade die Abtrünnigen, Zweifelnden und Unentschlossenen sind Gott besonders wichtig, er bemüht sich um sie, darum soll man sie nicht verachten und wenn man selbst zu den Abtrünnigen gehört, nicht glauben, man sei für immer verloren.

Was tut man aber mit diesen Texten, wenn man mit dem personifizierten Gottesbild gar nichts anfangen kann? Wenn man bestenfalls an gute und schlechte Energien glaubt, die in dieser Welt wirken, die man teilweise beeinflussen kann, denen man aber auch manchmal machtlos ausgeliefert ist?

Ich finde auch dann haben diese Gleichnisse eine Menge zu sagen. Ich glaube ja, dass die göttliche Energie in jedem von uns schlummert und durch jeden von uns ihre Wirkung entfalten kann.

1. Wir alle sind aufgerufen, die vermeintlich Verlorenen nicht aufzugeben:
- die Menschen, die sich politisch radikalisiert haben
- Leute, die in der Arbeitswelt nicht mehr Fuße fassen können
- Süchtige, die sich selbst aufgegeben haben
- Freund:innen, die unser Vertrauen verspielt haben
- Kinder, die mit ihren Eltern gebrochen haben
- Kriminelle, denen nach abgebüßter Haftstrafe niemand mehr vertrauen mag

Das wird nicht immer ein glückliches Ende nehmen, aber man muss das Risiko des Scheiterns in Kauf nehmen, wenn man etwas erreichen will. Man muss es nur wollen.

2. Wir sind alle eingeladen, umzukehren, wenn wir uns verlaufen haben und darauf zu vertrauen, dass Menschen da sind, die uns eine zweite Chance geben. Dabei können wir ebenfalls scheitern. Aber es wird schon Menschen geben, die den göttlichen Funken in sich entfachen, wenn wir um Hilfe, Vergebung oder Vertrauen bitten. Wir müssen es nur tun.

Gönnen Sie sich einen ruhigen Sonntag, wenn Sie nicht arbeiten müssen.

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Samstag, 8. Juni 2024
Runter vom Sofa
Ja, genau, am 09.06.24 findet die Wahl zum Europaparlament statt. Ist Ihnen an christlichen Werten gelegen oder zumindest an humanistischen Werten, die den christlichen zum Verwechseln ähnlich sehen? Oder sind Sie anderweitig tiefreligiös? Oder radikal säkular, weil Sie jede Art der Bevormundung entschieden ablehnen?

Dann müssen Sie Sonntag wählen gehen! (Es sei denn, Sie haben das bereits per Briefwahl erledigt).

Nun gibt es ja bei Kirchens auch betont unpolitische Strömungen. Schließlich erwiderte Jesus von Nazareth auf die empörte Beschwerde über römische Steuern: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist." Er ließ sich von seinen antiimperialistischen Landsleuten nicht vor den Karren spannen. Die große Politik interessierte ihn nicht, er fand sie unwesentlich.

Es wäre aber ein Fehler, daraus zu schließen, dass wir nur alle milde lächelnd voller Nächstenliebe umher wandeln sollen und bei Wahlen und politischen Konflikten mit den Schultern zucken.

Wir tragen Verantwortung für uns selbst, unsere Mitmenschen und diese Welt. Unser Handeln oder Nichthandeln hat Folgen. Es kann nicht im Sinne christlicher (und ähnlich gesinnter) Menschen sein, in einer Welt zu leben, in der Leute an der Macht sind, die die Rechte anderer mit Füßen treten. Darum gehen Sie hin und wählen Sie demokratisch!

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Sonntag, 2. Juni 2024
Wiesu denn blus?
Also eigentlich ist der Predigttext für heute spannend, ebenso die biblischen Begleittexte, aber mir geht etwas ganz Anderes im Kopf herum:

Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

Kennen sie die Rumpelwichte aus Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter?“ Diese unschuldigen, schlichten Wesen, die einfach nicht verstehen, warum jemand ihre Welt kaputt macht? So fühle ich mich gerade. Es gibt viele Ereignisse, bei denen ich diese Frage stellen möchte, aber was ich aktuell noch gar nicht fassen kann ist der gut eine Woche alte Sylt-Skandal, sie wissen schon, nicht der mit unserem Finanzminister, sondern der mit den reichen Nazi-Schnöseln im Pony.

Meine Frage: Warum machen die das?

Exkurs: Ich verstehe, wenn unterprivilegierte Jugendliche oder auch Erwachsene, die in einer lieblos dahin gerotzten Wohnbebauung viele ungute Erfahrungen mit ebenso unterprivilegierten Menschen aus anderen Kulturkreisen machen und zu der Fehldiagnose gelangen, die seien Schuld an ihrem Unglück. Ich habe mit dieser Zielgruppe gearbeitet und ich kann ihr Neingefühl nachvollziehen, wenn ich auch so manche menschenverachtende Schlussfolgerung nicht billige.

Und nun nochmals meine Frage: Welches Problem haben reiche, privilegierte Menschen, die in idyllischer Lage wohnen, unter optimalen Bedingungen arbeiten (wenn sie nicht einfach von irgendwelchen Zinsen leben) und vermutlich keinen Kontakt zu armen, bildungsfernen Menschen haben, seien sie nun Biodeutsche oder Einwanderer in 1., 2, oder 3. Generation? Wovor haben die Angst? Warum blöken die trotz Abitur, Studium und goldenen Löffeln so ein strunzdummes Fascho-Gwäsch?

Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

Mein Antwortversuch: Sie teilen nicht gern und sie bekommen nie genug. Sie sind Macht- und Reichtum-adipös. So wie schwer an Adipositas erkrankte Menschen, deren Darmbakterien sie zwingen, immer weiter zu fressen, auch wenn sie wissen, dass es sie krank macht, aber sie können nicht aufhören, der Drang ist zu stark, die Sucht nach Zucker, ungesunden Fetten und Kohlehydraten ist stärker als ihr Wille und sie werden dicker und dicker.
So können die Reichen und Mächtigen nicht aufhören Reichtum und Macht zu verschlingen, immer mehr und mehr für sich zu beanspruchen, und in Verlustangst zu leben, sogar dann, wenn sie immer reicher werden und ihre Minderheitenpartei Klientelpolitik für sie betreibt und dreist und vehement ihre Interessen durchsetzt.
Gibt es eine Therapie?

Oder was meinen Sie, was da abgeht?

Ich kann mich immer nur schütteln und wieder und wieder fragen: Wiesu tun sie su? Wiesu denn blus?

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