Samstag, 4. Februar 2023
Die miesesten Pharisäer sind wir selbst
Aber wer ist wir? Ich meine die Mitglieder evangelischer Kirchengemeinden. Wir sind eine ganz schön exklusive Gruppe. Wir reden davon, dass jede und jeder willkommen ist, aber bitte die Kultivierten, die wissen, was sich gehört, auch mal ein gutes Buch lesen, die sich politisch nicht bei den Extremist:innen wiederfinden, frei von Suchtproblematik (ausgenommen Kaffee, störungsfrei konsumierter Tabak und sozial verträglicher Alkoholismus), und bitte die psychisch Stabilen, zumindest Verhaltensunauffälligen, bestenfalls ein kleines bisschen Neurotischen. Und bitte keine Evangelikalen, die der Wissenschaft abgeschworen haben und ihre erotischen Impulse in Geistlichkeit zu transformieren suchen. Oh Jesus! Ich will dich in mir spüren!

Ich bin da nicht besser. Ich will mich in meiner Arbeit auch nicht mit verstrahlten Jesus-People auseinandersetzen oder gar deren geistliche Kultur bedienen. (Dabei sind die meisten keine gefährlichen Religionsfaschisten, sondern junge Menschen auf der Suche nach Halt und Orientierung.)
Und wenn ein paar harte Jungs rauchend vor der Kirchentür abhängen und Fick-deine-Mutter-Rap hören, habe ich auch ein Nein-Gefühl. Dann erkläre ich, dass wir so ein sexistisches Zeug hier nicht hören wollen, dass das hier Kirche und kein öffentliches Gelände ist und dass ich mich auch nicht bei ihnen in den Garten stelle und ihnen was von ihrer Mutter vorsinge. Und dass es hier um Respekt geht. Das verstehen sie dann auch. Aber ich habe es versäumt, sie herein zu bitten oder wenigstens einen Kaffee anzubieten. Dabei bin ich sogar im Recht, denn die Kommune zahlt nicht mehr für offene Arbeit. Aber moralisch ist es Moppelkotze.

Im Predigttext für den 05.02. bekomme ich den Spiegel vorgehalten:
https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Matth%C3%A4us9%2C9-13

Und nicht nur Christ:innen sollten hier beschämt sein. Unsere gesamte Gesellschaft zeichnet sich aus durch Ausgrenzung und Exklusivität. Mit denen, die anders sind, will man nichts zu tun haben. Viel zu anstrengend. Wo man es doch so nett hat, wenn man unter sich bleibt. Und mit denen, die auf der sozialen Leiter weiter unten stehen, hat man es schon einmal gar nicht. Nachher wird man in den gleichen Sumpf hinab gezogen.

Ja, so sind wir Menschen. Aber wir können auch anders, auch wenn es anstrengend ist. Jesus hat es vorgemacht.

Schönen Sonntag!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 28. Januar 2023
Viele Fragen und eine Antwort
Heute verlinke ich den Predigttext für Sonntag mal nicht sondern stelle ihn als Text ein:

Drei Jünger werden Zeugen der Herrlichkeit Jesu
1 Sechs Tage später nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich und stieg mit ihnen auf einen hohen Berg, wo sie allein waren. 2 Dort veränderte sich vor ihren Augen sein Aussehen. Sein Gesicht begann zu leuchten wie die Sonne, und seine Kleider wurden strahlend weiß wie das Licht. 3 Auf einmal erschienen Mose und Elia; die Jünger sahen, wie die beiden mit Jesus redeten[1]. 4 Da ergriff Petrus das Wort. "Herr", sagte er zu Jesus, "wie gut ist es, dass wir hier sind! Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen[2], eine für dich, eine für Mose und eine für Elia." 5 Während er noch redete, kam plötzlich eine leuchtend helle Wolke und warf ihren Schatten auf sie[3], und aus der Wolke sprach eine Stimme: "Dies ist mein geliebter Sohn. An ihm habe ich Freude, und auf ihn sollt ihr hören!" 6 Die Stimme versetzte die Jünger so sehr in Schrecken, dass sie sich zu Boden warfen, mit dem Gesicht zur Erde. 7 Jesus aber trat zu ihnen, berührte sie und sagte: "Steht auf! Ihr braucht euch nicht zu fürchten." 8 Und als sie aufblickten, sahen sie niemand mehr außer Jesus.
9 Während sie den Berg hinunterstiegen, sagte Jesus zu den drei Jüngern: "Sprecht mit niemand über das, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist!"

1. Warum wählt Jesus aus dem Kreis seiner auserwählten Jünger einen konspirativen Inner Circle von drei Privilegierten aus? Was hat diese Exklusivität zu bedeuten?

2. Warum wird Jesus in der Abgeschiedenheit eines Berggipfels zum auferstandenen Gandalf? (Verfilmung von "Der Herr der Ringe")

3. Warum erscheinen die Geister von Mose und Elia? Ist es das, was Petrus vermutet, dass er mit ihnen in eine Reihe gestellt wird und damit als von Gott Erwählter legitimiert wird?

4. Was hat der Verfasser sich bei der Crossover-Szene mit der Wolke gedacht? (Die Wolke spielt eine Rolle, bei der Wanderung durch die Wüste auf dem Weg aus der Gefangenschaft, sie weist tagsüber den Weg und wird nachts zur Feuersäule. Die Stimme mit dem Satz "Dies ist mein geliebter Sohn..." stammt aus Jesu Taufe)

5. Warum erschrecken die Jünger vor der Stimme aus der Wolke, bleiben aber cool beim plötzlich fluoreszierenden Jesus und der Erscheinung der seit Jahrhunderten verstorbenen Propheten?

6. Warum sollen die Jünger bis zur Auferstehung Jesu Stillschweigen über das Erlebte bewahren? Oder ist das nur ein Kunstgriff, damit sie es erst recht überall herumerzählen?

Und hier eine Antwort: Meines Erachtens wird die Intention dieser zugegebenermaßen kruden Geschichte am Ende von Vers 5: "Auf ihn sollt ihr hören."

Eigentlich ganz einfach

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 21. Januar 2023
Nicht nur für Leistungsträger
Wer sich zum folgenden Predigttext
https://www.bibleserver.com/LUT/R%C3%B6mer1%2C13-17

gern etwas aufs Glatteis führen lassen möchte, mag bitte einmal hier lesen:
https://cristinafabry.blogger.de/

(Beitrag vom 20.01.23)

So kurz der Text auch ist, so viele Anknüpfungspunkte bietet er. Trotzdem, will ich mich nur auf einen konzentrieren: Auch wenn es hilfreich und gut ist, wenn man Bildung und Verstand hat, Probleme lösen und anderen helfen kann, ist es aus christlicher Sicht nicht das, worauf es bei einem Menschen ankommt. Denn wenn das so wäre, würde man die Ideologie der Nazis bedienen, dann gäbe es minderwertiges Leben, unbrauchbare Menschen, die nichts leisten, niemandem nützen, die anderen nur aufhalten bei ihrem Fortschritt, wohin auch immer.
Das Evangelium, also die Nachricht, dass alle Menschen wertvoll sind, dass niemand in die ewige Verdammnis gehört, dass gegenseitige Wertschätzung, Empathie und Zuwendung das höchste Gebot ist, diese Nachricht versteht wirklich jeder, egal wie intelligent oder gebildet, wie leistungsfähig oder talentiert jemand ist.

An dieser Sicht müssen wir arbeiten, gerade die Evangelen, mit ihrer vermaledeiten Arbeitsethik.

Natürlich ist es gut, sich anzustrengen, um Probleme zu lösen. Aber wertvoll ist jeder Mensch, auch die Luschen, die Schwachen, die Kranken, die Idioten, die Unmotivierten, Phantasielosen, die Gewaltbereiten, sogar die Despoten.

Letzteren müssen wir aber trotzdem Einhalt gebieten. Sonst geht es ja nicht.

... link (0 Kommentare)   ... comment