Samstag, 16. Juli 2022
Anfangen!
Ein Text aus dem Alten Testament, einer der vordergründig die Wurzeln des Judentums erklärt, aber es steckt mehr drin:

https://www.bibleserver.com/HFA/1.Mose12%2C1-4

Lies diesen Text doch einmal so:
Der HERR sagt zu Dir: "Gib ein paar von deinen Gewohnheiten auf, lass vertraute Abläufe und ein paar bekannte Gesichter hinter dir und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zum/zur Schöpfer*in großer Ideen machen und dir viel Gutes tun; du wirst dauerhafte Spuren hinterlassen. Durch dich werden auch andere Menschen am Segen teilhaben. 3 Wer dir Gutes wünscht, den werde ich segnen. Wer dir aber Böses wünscht, den werde ich verfluchen! Alle Völker der Erde sollen durch dich gesegnet werden."
4 Und jetzt gehorche und mache dich auf den Weg!

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Freitag, 8. Juli 2022
Bemalt doch mal einen Stein
Um Steine geht es im Predigttext am 10. Juli 22. Steine als Waffe, als Henkerswerkzeug.
Hier nachzulesen oder in der folgenden Erklärung.

Https://www.bibleserver.com/HFA/Johannes8%2C3-12

Als ich ein Teenager war, war das meine Lieblingsgeschichte: Schriftgelehrte und Pharisäer brachten eine Frau zu Jesus, die beim Ehebruch erwischt worden war. Ob sie nun selbst unverheiratet, ihr Sexualpartner ledig oder beide verheiratet waren, wird nicht erwähnt. Die Frau wurde in die Mitte eines Platzes gestellt, quasi an den Pranger und nun stellten die Bescheidwisser Jesus auf die Probe, in der Hoffnung, dass er diesmal in die Falle tappte. Sie sagten: "Nach dem Gesetz des Mose (das für die Anwesenden ja unverbrüchliche Gültigkeit besaß), muss diese Frau gesteinigt werden. Was sagst du dazu, Jesus?"
Warum fragten sie? Weil sie längst ahnten, dass Jesus niemanden wegen eines alten Gesetzes zum Tode verurteilen würde. Weil er lieber Menschen rettete, statt sie hinzurichten. Weil seine Liebe größer war, als ihre Buchstaben-Gerechtigkeit.

Es ist heute noch so: Als vor ein paar Jahren eine Presbyterin als Domina enttarnt wurde, war das ein Grund, sie zu feuern. Für Presbyter*innen gilt das Gebot, des vorbildlichen Lebenswandels. Komisch, wenn anstelle von Sperma Blut an ihren Händen geklebt hätte, weil sie mit Billigprodukten aus menschenunwürdigen Verhältnissen gehandelt hätte, hätte das niemanden interessiert.

Aber nicht nur bei Kirchens gibt es diese himmelschreiende Selbstgerechtigkeit. Das Internet ist voll davon: Poltikerschelte, Vorverurteilungen, Cancel-Culture. Die Regeln werden immer komplizierter und wenn das manche schlichte Gemüter überfordert, werden sie schnell in die Schmuddelecke gestellt, statt geduldig immer und immer wieder zu erklären, warum wir heute vieles anders machen als noch vor ein paar Jahren.

Als die angesehenen Männer Jesus nun diese Falle stellten, hockte er sich hin und kritzelte im Staub herum. Teilnahmslos, desinteressiert, gelangweilt, als wolle er sagen: "Wo fährt der Bus ab, mit den Leuten, die das interessiert?"

Dann stellte er sich hin und sagte nur einen Satz: "Wer von euch frei von Schuld ist, der soll den ersten Stein werfen."
Danach setzte er sich wieder hin und kritzelte weiter.

Da ging er ein mächtiges Risiko ein. Ich hätte gewettet, dass mindestens einer von den Selbstgerechten von der Reinheit seiner Seele so überzeugt war, dass er das Feuer eröffnet hätte.
Stattdessen ging einer nach dem anderen beschämt nach Hause. Wir sind alle schnell mit einem Urteil bei der Hand, aber jeder von uns hat auch Dreck am Stecken und eigentlich hat kein Mensch das Recht, andere zu verurteilen.

Am Ende blieb Jesus mit der Frau allein zurück. Er fragte sie: "Wo sind sie alle? Hat dich keiner verurteilt?"
"Nein, keiner.", antwortete die Frau
"Dann verurteile ich dich auch nicht.", sagte Jesus. "Geh, und tu so etwas nicht wieder."

Die Sache mit dem Ehebruch fand Jesus nicht okay. Sie sollte das lassen. Aber er hatte Verständnis und wusste, dass Menschen manchmal Dinge tun, die andere verletzen, weil ihre eigenen Sehnsüchte stärker sind. Jesus hat auch nicht immer alles richtig gemacht, hat Äußerungen bereut und Entscheidungen revidiert (so z.B. bei der Geschichte von der kanaanäischen Frau).

Diese Empathie für die Schwäche und Anfälligkeit des menschlichen Charakters hat mich als Heranwachsende besonders beeindruckt, war ein wesentlicher Teil meines Glaubens. Ich wollte immer versuchen, mein Gegenüber zu verstehen, nach Motiven und Begleitumständen fragen.

Später fiel mir auf, dass zum Ehebruch immer mindestens zwei gehören. Wo ist eigentlich der männliche Delinquent? Oder ist es eine lässliche Verfehlung, ein Kavaliersdelikt, eine kleine Schwäche, die eben in der Natur des Mannes liegt?
Ja, die Zeiten waren frauenfeindlicher als heute. Offiziell galt das Gesetz der Steinigung bei Ehebruch auch für den Mann, aber in der praktischen Auslegung, konnten die Männer sich meistens herauswinden. Vielleicht war auch das ein Grund, warum Jesus so reagiert hat. Ich finde auf jeden Fall noch heute, dass es eine sehr coole Reaktion war. Ein Vorbild und eine Mahnung.

Steine muss man gar nicht werfen. Man kann sie auch bemalen.

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Samstag, 2. Juli 2022
Mut zur Zukunft
Da gibt einem der Prophet Hesekiel am 3. Sonntag nach Trinitatis reichlich zu denken.

https://www.bibleserver.com/LUT/Hesekiel18%2C1-4.21-24.30-32

Wer saure Trauben isst (oder frischen Spinat, mit der vollen Oxalsäure) bekommt stumpfe Zähne. Die Säure raut den Zahnschmelz auf. Das wird eigentlich nicht von Eltern auf ihre Kinder übertragen. In einem alten jüdischen Sprichwort ist aber genau davon die Rede.
Ich muss beim Lesen dieses Verses immer denken: Genau! Die vergangen Generationen haben falsche Entscheidungen getroffen und zu gierig gelebt und die kommenden Generationen müssen damit fertig werden. Passt doch. Unsere Eltern haben sich mit sauren Trauben vollgestopft, als gäbe es kein Morgen, wir und erst recht unsere Kinder haben jetzt die stumpfen Zähne. Klimawandel, Ressourcen-Knappheit, Überbevölkerung, Demokratie-Zersetzung, Wettrüsten, Kriege überall.
Nur sind die gebeutelten Stumpfzähne von heute meistens die Traubenfresser von morgen. In jeder Generation gibt es eine überwiegend nicht so nachhaltige Mentalität.

Man könnte meinen, Gott will uns mit dem Klimawandel für die Sünden unserer Eltern und Großeltern bestrafen. Aber der Prophet Hesekiel verkündet eine ganz andere Gottesgerechtigkeit. Niemand soll für die Fehler seiner Eltern zur Rechenschaft gezogen werden, nur für die eigenen.
Wer es gut macht, soll dabei bleiben, wer es bisher vergeigt hat, soll sich umorientieren, dann besteht immer die Chance, das Ruder herum zu reißen.
Und das ist das schöne an diesem Gottesbild: Kein grausamer, rachsüchtiger Gott, der gern mal etwas totschlägt, sondern einer, der das Leben um jeden Preis erhalten will, es aber nicht kann, wenn Menschen alles tun, was dem Leben schadet. Darum sollen Menschen die Richtung wechseln, die alten Fehler hinter sich lassen und neu anfangen.

Das hört sich so einfach an, aber wie geht das eigentlich? Wie oft habe ich längst verstanden, was das Richtige wäre, aber dann dusche ich doch eine halbe Stunde, weil mich das so schön entspannt, grenze die Nervensäge aus, weil sie mir sonst den ganzen Spaß verdirbt, teile meinen Reichtum viel zu wenig, weil ich mein Leben genießen möchte.
Wie oft habe ich schreckliches Mitleid, mit Menschen, die Hilfe brauchen, weiß aber nicht, wie das am besten funktioniert, habe zu wenig Informationen und keinen guten Plan.
Nur einfühlsam zu sein reicht ebenso wenig aus wie nur besonders klug zu sein.

Ein neues Herz und ein neuer Geist ? beides zusammen, das ist wichtig: Gefühl und Verstand, Haltung und Vernunft. Nur wenn beides Hand in Hand geht und sich gemeinsam, aufeinander abgestimmt verändert, kann auch ein nachhaltiger Wandel stattfinden, zu einer Menschheit, die das Leben liebt und erhält. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass wir Teil von etwas Großem sind, das das Leben ebenso erhalten will, auch unseres.

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