Samstag, 22. Januar 2022
Let the story begin at the end - Matthäus 8, 5-13
"Ich war von einem Moment auf den anderen wieder fit."
"Und was hat Sie geheilt?"
"Wenn ich das wüsste. Mein Chef hat da angeblich irgendwas gedreht, aber ich habe gar nicht mitbekommen, was er da eigentlich gemacht hat. Frag ihn doch mal."

"Ach, ich war beim Heilpraktiker und der hat gesagt, geh zurück zu deinem Angestellten. Der wird wieder. Das hat er Dir zu verdanken. Du hast dich an den Richtigen gewandt."
"Wie, der hat den Kranken geheilt, ohne ihn anzusehen?"
"Ja, einfach so, per Ferndiagnose"
"War Ihnen das vorher klar?"
"Ja. Ich wusste, dass der das hinbekommt."
"Warum wussten Sie das?"
"Er ist Profi, genau wie ich. Er weiß was er tut. Ich bin Top Manager und wenn ich einem von meinen Leuten sage, kümmere dich um diesen Kunden oder bring jenes Projekt voran, dann tut er es. Er ist erfolgreicher Heilpraktiker, also bin ich zu ihm, um ihn um Rat zu fragen. Sein Ruf eilt ihm voraus."
"Haben Sie ihn denn nicht konsultiert, damit er sich Ihren Angestellten ansieht?"
"Das war gar nicht nötig. Ich wollte ihn nicht von der Arbeit abhalten. Ich konnte ja die Symptome genau beschreiben. Was sollte er sich da extra auf den Weg machen?"
"Wollte er denn einen Hausbesuch machen?"
"Doch, ja, er hat es direkt angeboten."

In der alten Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum geht es um bedingungsloses Vertrauen. Das passt vielleicht nicht immer, aber es kann ein gutes Rezept für den Umgang mit anderen sein. Um Hilfe bitten, anderen vertrauen, dass sie etwas hinbekommen, jemandem etwas zutrauen, einen Vertrauensvorschuss geben. In der Pädagogik mit Kindern und Jugendlichen eine vielfach bewährte Methode, den Heranwachsenden zu helfen, die eigenen Stärken zu entdecken und zu entwickeln. Doch auch für Menschen im fortgeschrittenen Alter kann diese Methode hilfreich sein, nicht immer alles allein hinbekommen wollen, sich Unterstützung holen und anderen die Chance geben, zu zeigen, was in ihnen steckt.

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Samstag, 15. Januar 2022
D'accord
"Wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan." (Lukas 11,10)

Aber: Wer sich einfach nimmt, was er will, kriegt eins auf die Mütze; wer sich keine Mühe gibt, wird ignoriert; wer hereinplatzt wird raus geschmissen. (C. Fabry, 15.01.22)

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Samstag, 8. Januar 2022
Gamechanger
Vor einem Jahr kam es in den USA zum Sturm auf das Capitol. Auf telegram rufen Faschisten dazu auf, Politiker zu ermorden, in mehr als 250 Fällen in einem Zeitraum von nur zwei Monaten, unwidersprochen auch in Chats mit mehr als 50000 Mitgliedern. Rechtsextremisten versuchen wie vor hundert Jahren durch brutale Einschüchterung gewaltsam die Macht an sich zu reißen und der Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen. Ich wünsche mir einen Staat, der ihnen entschieden entgegentritt. Keinen Fußbreit den Faschisten. Null Toleranz.

Ja, ich glaube wirklich, dass man ihnen entschieden entgegentreten muss. Nur muss man sich davor hüten, die Situation eskalieren zu lassen. Das ist nicht einfach. Ich wünsche mir einen Gamechanger. Ein Ereignis, eine Bewegung, irgendwas. Ich gebe zu, dass auch Gewaltphantasien dabei eine Rolle spielen, weil ich so empört bin, mich so ohnmächtig fühle, denn ich kann niemanden verhaften, verprügeln, einsperren, verbannen. Ist bestimmt auch besser so.

Was wäre der richtige Weg? Die Peitsche schwingen? Auslachen? Ignorieren? Ich weiß es nicht. Aber die Gegengewalt, die sich in meinen Phantasien aufdrängt, ist es sicher nicht. Im Predigttext für den 1. Sonntag nach Epiphanias, in dem der Prophet Jesaja beschreibt, wie Gott seinen ersten Diener vorstellt, stehen zwei umwerfende Verse:

"Er schreit nicht und ruft nicht laut. Seine Stimme schallt nicht durch die Straßen. Ein geknicktes Schilfrohr zerbricht er nicht. Einen glimmenden Docht löscht er nicht aus."
(Jesaja 42, 2f)

Wir brauchen Intelligenz. Humor. Phantasie. Empathie. Sensibilität. Liebe. Mut und Kraft. Und wir müssen drüber reden. Immer wieder.

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