... newer stories
Samstag, 18. September 2021
Klage und Trost
c. fabry, 15:28h
Wird schon wieder. - Nach Sonne kommt Regen. - Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. - Wo Licht ist, ist auch Schatten. - Kommen auch wieder bessere Tage. - Irgendwie hat alles sein Gutes.
Können Sie das auch nicht mehr hören? Bringen diese abgedroschenen Kalendersprüche Sie auch auf die Palme? Wenn man gerade ganz unten ist, traurig, krank, verzweifelt, voller Schmerzen, ohne Perspektive, verlassen oder gedemütigt, sind solche schlichten Durchhalteparolen das Letzte, das einem weiterhilft. Was man dann braucht, sind offene Ohren, Anteilnahme, Anerkennung des eigenen Leidens, praktische Hilfen, Solidarität und Präsenz.
Aber die Sprüche sind auch keine Ausgeburten unendlicher Dummheit, sie sind verkürzte, vereinfachte Zusammenfassungen dessen, was in vielen biblischen Texten (und sicher auch in anderen Religionen und Philosophien) ausführlich beschrieben wird. So auch im Predigttext für den 16. Sonntag nach Trinitatis, in den Klageliedern des Jeremia im 3. Kapitel:
22 Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, 23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. 24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. 25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. 26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.... 31 Denn der Herr verstößt nicht ewig; 32 sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.
Nichts liegt mir ferner, als zum Beispiel den Menschen nach der Flutkatastrophe oder denen, die in Afghanistan festsitzen, derartige Bibelsprüche um die Ohren zu hauen. Aber sie jetzt zu lesen, wo es mir gut geht, im Nachhinein schwierige Zeiten, die hinter mir liegen, so zu betrachten, dass jedes Leiden vorüber geht und nicht das absolute Ende bedeuten muss, das hilft mir dann, wenn es mal wieder hart und bitter ist, nicht vollends zu verzweifeln, sondern die Situation wahrzunehmen wie einen Heimweg mit dem Fahrrad durch strömenden Regen in der Gewissheit, dass ein warmes, trockenes Zuhause auf mich wartet und eine heiße Dusche. Oder das Tragen eines schweren Rucksacks, ohne zu wissen, wann man endlich am Zielort ankommt, aber das man schon nicht unter der Last zusammenbrechen wird. Oder eine unter schmerzen durchwachte Nacht nach einer Operation, von der man weiß, dass in ein paar Stunden die Sonne wiederkommt und auch die Schmerzen nachlassen werden.
Das Leiden gehört zum Leben, aber es ist nicht ewig. Es gibt selten Tage, an denen nicht irgendetwas passiert, über das man sich freuen kann. So ist das Leben, so lange wie es dauert. Und irgendwann ist es dann eben vorbei. Ob dann ein neues und besseres Leben auf uns wartet, wissen wir nicht. Wenn nicht, ist es auch egal, dann tut ja auch nichts mehr weh, aber so lange wir atmen, ist das unsere Hoffnung. Das Leben jedenfalls, geht auch ohne uns weiter, zumindest so lange diese Erde besteht.
Können Sie das auch nicht mehr hören? Bringen diese abgedroschenen Kalendersprüche Sie auch auf die Palme? Wenn man gerade ganz unten ist, traurig, krank, verzweifelt, voller Schmerzen, ohne Perspektive, verlassen oder gedemütigt, sind solche schlichten Durchhalteparolen das Letzte, das einem weiterhilft. Was man dann braucht, sind offene Ohren, Anteilnahme, Anerkennung des eigenen Leidens, praktische Hilfen, Solidarität und Präsenz.
Aber die Sprüche sind auch keine Ausgeburten unendlicher Dummheit, sie sind verkürzte, vereinfachte Zusammenfassungen dessen, was in vielen biblischen Texten (und sicher auch in anderen Religionen und Philosophien) ausführlich beschrieben wird. So auch im Predigttext für den 16. Sonntag nach Trinitatis, in den Klageliedern des Jeremia im 3. Kapitel:
22 Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, 23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. 24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. 25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. 26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.... 31 Denn der Herr verstößt nicht ewig; 32 sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.
Nichts liegt mir ferner, als zum Beispiel den Menschen nach der Flutkatastrophe oder denen, die in Afghanistan festsitzen, derartige Bibelsprüche um die Ohren zu hauen. Aber sie jetzt zu lesen, wo es mir gut geht, im Nachhinein schwierige Zeiten, die hinter mir liegen, so zu betrachten, dass jedes Leiden vorüber geht und nicht das absolute Ende bedeuten muss, das hilft mir dann, wenn es mal wieder hart und bitter ist, nicht vollends zu verzweifeln, sondern die Situation wahrzunehmen wie einen Heimweg mit dem Fahrrad durch strömenden Regen in der Gewissheit, dass ein warmes, trockenes Zuhause auf mich wartet und eine heiße Dusche. Oder das Tragen eines schweren Rucksacks, ohne zu wissen, wann man endlich am Zielort ankommt, aber das man schon nicht unter der Last zusammenbrechen wird. Oder eine unter schmerzen durchwachte Nacht nach einer Operation, von der man weiß, dass in ein paar Stunden die Sonne wiederkommt und auch die Schmerzen nachlassen werden.
Das Leiden gehört zum Leben, aber es ist nicht ewig. Es gibt selten Tage, an denen nicht irgendetwas passiert, über das man sich freuen kann. So ist das Leben, so lange wie es dauert. Und irgendwann ist es dann eben vorbei. Ob dann ein neues und besseres Leben auf uns wartet, wissen wir nicht. Wenn nicht, ist es auch egal, dann tut ja auch nichts mehr weh, aber so lange wir atmen, ist das unsere Hoffnung. Das Leben jedenfalls, geht auch ohne uns weiter, zumindest so lange diese Erde besteht.
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 12. September 2021
Kurzgebet
c. fabry, 19:51h
Danke für diesen Sonnensonntag voller Gnade,
Doch wünsche ich dies jedem, dass niemand mehr klage,
Zu viel Leid, Kriege, Hunger, wenn auch menschengemacht,
Sowas müsste Gott schaffen, das wär doch gelacht!
Doch gibt's auch so viele Fehler, die auf mein Konto gehen,
Zu viel Konsum, bin zu passiv, lasse alles geschehen.
Oh ihr Mächte des Himmels, ich flehe Euch an.
Helft, dass wir's besser machen, jeder sage: Ich kann!
Jede sage: Ich will! Alle fangen wir an
Und hörn nicht mehr auf, bis alles getan.
Ja, so soll es sein, so wäre es schön.
Lass uns nicht allein und hilf uns.
Amen!
Doch wünsche ich dies jedem, dass niemand mehr klage,
Zu viel Leid, Kriege, Hunger, wenn auch menschengemacht,
Sowas müsste Gott schaffen, das wär doch gelacht!
Doch gibt's auch so viele Fehler, die auf mein Konto gehen,
Zu viel Konsum, bin zu passiv, lasse alles geschehen.
Oh ihr Mächte des Himmels, ich flehe Euch an.
Helft, dass wir's besser machen, jeder sage: Ich kann!
Jede sage: Ich will! Alle fangen wir an
Und hörn nicht mehr auf, bis alles getan.
Ja, so soll es sein, so wäre es schön.
Lass uns nicht allein und hilf uns.
Amen!
... link (0 Kommentare) ... comment
Samstag, 4. September 2021
Mehr! - Gedanken zum Monatsspruch im September
c. fabry, 12:35h
Übergewicht, Schuldenberge, Zivilisationskrankheiten, Plastik-Inseln...
Werdet reicher, erfolgreicher, kauft ein größeres Auto, brillantere Bildschirme, exklusivere Lebensmittel, räumt mehr Follower auf Insta ab, lauft schneller, weiter, seht blendender aus...
Das sind die unausgesprochenen Worte der Propheten unserer Zeit. Das ist aber gar nicht so neu. Das prangerte schon der Prophet Haggai im Jahr 520 vor Christus an. In der Zeit nach dem babylonischen Exil bestand ein Dissens darüber, ob der zerstörte Jerusalemer Tempel sofort in alter Pracht wieder aufgebaut werden sollte oder ob die knappen Ressourcen angesichts einer wirtschaftlich desolaten Lage für die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen eingesetzt werden sollten.
Insofern bin ich persönlich eher bei Jesaja und Jeremia, die lieber in das Wohl der Menschen als in heilige Steine investieren wollten. Haggai erinnert mich an hemdsärmelige Kirchmeister, die sich mit Bauwerken ein persönliches Denkmal setzen wollen, die nicht abstrahieren können und Bleibendes nur im Materiellen sehen, nicht aber in der Liebe, die erfahren und weitergegeben wird.
Trotzdem liegt im Monatsspruch eine Wucht, der ich mich nur schwer entziehen kann:
"Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch und könnt euch doch nicht erwärmen; und wer Geld verdient, der legt's in einen löchrigen Beutel." (Haggai, 1,6)
Haggai vermutete, dass alle Mühe, sich aus dem wirtschaftlichen Elend zu befreien, vergeblich sei, solange man sich nur auf Weltliches beschränkte. Ohne den Segen Gottes konnte nichts gelingen. Er meinte, ein strahlendes Heiligtum in der Mitte der Gläubigen sei die Grundlage jeder vorteilhaften Entwicklung. Ein Fundament, ohne das jedes Bauwerk sofort zusammenbricht.
Aber warum ein Prunkbau?
Vielleicht meinte er, dies sei ein Ausdruck der Lebenshaltung, der Schöpfer und der Glaube an ihn rücken ins Zentrum des Lebens, des Denkens, des Alltags. Sie stehen an erster Stelle und der Prachtbau sorgt dafür, dass diese Haltung täglich bestätigt wird, der bloße Anblick prägt das Bewusstsein. Vielleicht nicht so dumm, wie es auf den ersten Blick erscheint. Aber schon sehr alte Schule.
Doch die Unersättlichkeit in unserer Überflussgesellschaft ist in diesem uralten Vers treffen beschrieben.
Wir können nicht gewinnen, kein Ziel erreichen, niemals zufrieden sein und nichts Bleibendes schaffen, wenn wir nur für den Konsum leben, für die Befriedigung oberflächlicher Bedürfnisse.
Wir müssen keine Kathedralen bauen, es gibt genug Orte zum Stillwerden, Horchen, Nachdenken. Wir müssen an einer gerechteren Welt bauen, die jeden versorgt und niemanden ausgrenzt. Wir müssen an stabilen,
menschlichen Beziehungen bauen: Heilen, trösten, zuhören, wertschätzen, loben, ermutigen und lieben. Dann wird sofort alles besser. Amen.
Werdet reicher, erfolgreicher, kauft ein größeres Auto, brillantere Bildschirme, exklusivere Lebensmittel, räumt mehr Follower auf Insta ab, lauft schneller, weiter, seht blendender aus...
Das sind die unausgesprochenen Worte der Propheten unserer Zeit. Das ist aber gar nicht so neu. Das prangerte schon der Prophet Haggai im Jahr 520 vor Christus an. In der Zeit nach dem babylonischen Exil bestand ein Dissens darüber, ob der zerstörte Jerusalemer Tempel sofort in alter Pracht wieder aufgebaut werden sollte oder ob die knappen Ressourcen angesichts einer wirtschaftlich desolaten Lage für die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen eingesetzt werden sollten.
Insofern bin ich persönlich eher bei Jesaja und Jeremia, die lieber in das Wohl der Menschen als in heilige Steine investieren wollten. Haggai erinnert mich an hemdsärmelige Kirchmeister, die sich mit Bauwerken ein persönliches Denkmal setzen wollen, die nicht abstrahieren können und Bleibendes nur im Materiellen sehen, nicht aber in der Liebe, die erfahren und weitergegeben wird.
Trotzdem liegt im Monatsspruch eine Wucht, der ich mich nur schwer entziehen kann:
"Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch und könnt euch doch nicht erwärmen; und wer Geld verdient, der legt's in einen löchrigen Beutel." (Haggai, 1,6)
Haggai vermutete, dass alle Mühe, sich aus dem wirtschaftlichen Elend zu befreien, vergeblich sei, solange man sich nur auf Weltliches beschränkte. Ohne den Segen Gottes konnte nichts gelingen. Er meinte, ein strahlendes Heiligtum in der Mitte der Gläubigen sei die Grundlage jeder vorteilhaften Entwicklung. Ein Fundament, ohne das jedes Bauwerk sofort zusammenbricht.
Aber warum ein Prunkbau?
Vielleicht meinte er, dies sei ein Ausdruck der Lebenshaltung, der Schöpfer und der Glaube an ihn rücken ins Zentrum des Lebens, des Denkens, des Alltags. Sie stehen an erster Stelle und der Prachtbau sorgt dafür, dass diese Haltung täglich bestätigt wird, der bloße Anblick prägt das Bewusstsein. Vielleicht nicht so dumm, wie es auf den ersten Blick erscheint. Aber schon sehr alte Schule.
Doch die Unersättlichkeit in unserer Überflussgesellschaft ist in diesem uralten Vers treffen beschrieben.
Wir können nicht gewinnen, kein Ziel erreichen, niemals zufrieden sein und nichts Bleibendes schaffen, wenn wir nur für den Konsum leben, für die Befriedigung oberflächlicher Bedürfnisse.
Wir müssen keine Kathedralen bauen, es gibt genug Orte zum Stillwerden, Horchen, Nachdenken. Wir müssen an einer gerechteren Welt bauen, die jeden versorgt und niemanden ausgrenzt. Wir müssen an stabilen,
menschlichen Beziehungen bauen: Heilen, trösten, zuhören, wertschätzen, loben, ermutigen und lieben. Dann wird sofort alles besser. Amen.
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories