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Samstag, 3. Oktober 2020
Erntedankfest
c. fabry, 14:06h
Der Predigttext für den kommenden Sonntag steht bei Markus 8,1-9 – Jesus gibt einer großen Menschenmenge zu essen – nachzulesen hier: https://www.bibleserver.com/NG%C3%9C/Markus8
Die Geschichte kommt einem vor wie ein billiges Remake der Speisung der 5000. Im Luthertext ist von 4000 die Rede. Die Zahl der Fische und Brote weicht ab, die Geschichte ist kürzer und weniger dramatisch.
Sonntag ist Erntedankfest und diese Geschichte steht nicht zufällig im Programm. Es geht darum, dass Gott für uns sorgt, und dass genug für alle da ist, auch wenn es knapp wird. Es kommt darauf an, auch dann miteinander zu teilen, wenn berechtigte Sorge besteht, dass am Ende für einen selbst zu wenig übrig bleibt.
Für mich wird durch diese Erzählung deutlich: Wer Jesus nachfolgt, der wird von Gott versorgt.
Jesus nachfolgen bedeutet nicht, kreuz und quer durch Palästina einem Guru hinterher zu latschen. Jesus nachfolgen verstehe ich so: Sich Jesus zum Vorbild nehmen, auch wenn es unerreichbar ist, aber so nah wie man es schafft, da heran zu kommen. Für andere da sein, Zeit und Dinge teilen, Verantwortung übernehmen, nicht wegsehen, wenn etwas falsch läuft.
Die Leute in der Geschichte haben einen weiten Weg auf sich genommen, auf Zeit zum Geld verdienen verzichtet, um mit Jesus zu reden, vielleicht, um bessere Menschen zu werden. Und Jesus sagt: wer sich so anstrengt, den kann ich doch nicht im Stich lassen, den muss ich versorgen.
Brot und Fisch oder andere Lebensmittel fallen nicht einfach vom Himmel, weil wir gute Menschen sind. Aber so läuft es in der Geschichte ja auch nicht. Natürlich müssen wir auch selbst für uns sorgen, sonst würde alles zusammenbrechen. Aber wenn wir in der Sorge um andere unser eigenes Wohlergehen für kurze Zeit vernachlässigen, dann findet sich meistens jemand, der uns diese Verantwortung abnimmt und für uns sorgt.
Die Geschichte kommt einem vor wie ein billiges Remake der Speisung der 5000. Im Luthertext ist von 4000 die Rede. Die Zahl der Fische und Brote weicht ab, die Geschichte ist kürzer und weniger dramatisch.
Sonntag ist Erntedankfest und diese Geschichte steht nicht zufällig im Programm. Es geht darum, dass Gott für uns sorgt, und dass genug für alle da ist, auch wenn es knapp wird. Es kommt darauf an, auch dann miteinander zu teilen, wenn berechtigte Sorge besteht, dass am Ende für einen selbst zu wenig übrig bleibt.
Für mich wird durch diese Erzählung deutlich: Wer Jesus nachfolgt, der wird von Gott versorgt.
Jesus nachfolgen bedeutet nicht, kreuz und quer durch Palästina einem Guru hinterher zu latschen. Jesus nachfolgen verstehe ich so: Sich Jesus zum Vorbild nehmen, auch wenn es unerreichbar ist, aber so nah wie man es schafft, da heran zu kommen. Für andere da sein, Zeit und Dinge teilen, Verantwortung übernehmen, nicht wegsehen, wenn etwas falsch läuft.
Die Leute in der Geschichte haben einen weiten Weg auf sich genommen, auf Zeit zum Geld verdienen verzichtet, um mit Jesus zu reden, vielleicht, um bessere Menschen zu werden. Und Jesus sagt: wer sich so anstrengt, den kann ich doch nicht im Stich lassen, den muss ich versorgen.
Brot und Fisch oder andere Lebensmittel fallen nicht einfach vom Himmel, weil wir gute Menschen sind. Aber so läuft es in der Geschichte ja auch nicht. Natürlich müssen wir auch selbst für uns sorgen, sonst würde alles zusammenbrechen. Aber wenn wir in der Sorge um andere unser eigenes Wohlergehen für kurze Zeit vernachlässigen, dann findet sich meistens jemand, der uns diese Verantwortung abnimmt und für uns sorgt.
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Sonntag, 20. September 2020
Krone der Schöpfung
c. fabry, 01:41h
Der Predigttext für diesen Sonntag: https://www.bibleserver.com/LUT/1.Mose2%2C4-9.15 ist ausnahmsweise nicht besonders kompliziert. Es geht um die Schöpfung und die Erschaffung des Menschen als, sagen wir, Hausmeister. Dass der Mensch das „Bebauen und Bewahren“ etwas einseitig ausgelegt hat, die Erde beim Bebauen gern ausbeutet, sich aber mit dem Bewahren gepflegt zurückhält, ist schon zu Genüge ausgebreitet worden, alle wissen es und machen trotzdem weiter mit dem rücksichtslosen Ausbeuten.
Was ich mich frage: wie kamen die Verfasser des Schöpfungsberichtes eigentlich auf die irrwitzige Idee, der Mensch sei die Krone der Schöpfung? Okay: aufrechter Gang, beide Hände frei, große Kreativität, viel Gehirn und im Prinzip eine großartige Problemlösungskompetenz. Nur können die Ergebnisse sich nicht wirklich sehen lassen. Und was, wenn die Menschheit nur ein kurzer Hauch in der Erdengeschichte bleibt? Ein vorübergehender Befall des Himmelskörpers mit einem krank machenden Virus, gegen den der Planet gerade sämtliche Abwehrkräfte mobilisiert?
Nein, ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass es irgendwie weitergeht, nicht weil ich glaube, dass die Menschheit das Ruder noch herumreißen könnte, dafür bekommen wir das Problem mit der Gier einfach nicht hinreichend in den Griff. Aber vielleicht schlummern in dieser großartigen Schöpfung noch Potentiale, von denen wir gar nichts ahnen.
Ja, ich weiß, das ist naiv, aber was bleibt uns kleinen Erdenwürmern auch anderes übrig. Das, was wir wissen, ist nur ein Bruchteil dessen, was wir nicht wissen. Und vielleicht setzen die Klugen und Vorausschauenden sich am Ende doch durch und schaffen es, den Planeten zu retten. Und damit auch die Ehre des Menschen als Krone der Schöpfung.
Was ich mich frage: wie kamen die Verfasser des Schöpfungsberichtes eigentlich auf die irrwitzige Idee, der Mensch sei die Krone der Schöpfung? Okay: aufrechter Gang, beide Hände frei, große Kreativität, viel Gehirn und im Prinzip eine großartige Problemlösungskompetenz. Nur können die Ergebnisse sich nicht wirklich sehen lassen. Und was, wenn die Menschheit nur ein kurzer Hauch in der Erdengeschichte bleibt? Ein vorübergehender Befall des Himmelskörpers mit einem krank machenden Virus, gegen den der Planet gerade sämtliche Abwehrkräfte mobilisiert?
Nein, ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass es irgendwie weitergeht, nicht weil ich glaube, dass die Menschheit das Ruder noch herumreißen könnte, dafür bekommen wir das Problem mit der Gier einfach nicht hinreichend in den Griff. Aber vielleicht schlummern in dieser großartigen Schöpfung noch Potentiale, von denen wir gar nichts ahnen.
Ja, ich weiß, das ist naiv, aber was bleibt uns kleinen Erdenwürmern auch anderes übrig. Das, was wir wissen, ist nur ein Bruchteil dessen, was wir nicht wissen. Und vielleicht setzen die Klugen und Vorausschauenden sich am Ende doch durch und schaffen es, den Planeten zu retten. Und damit auch die Ehre des Menschen als Krone der Schöpfung.
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Mittwoch, 16. September 2020
Im Garten der Lust – eine Fabel
c. fabry, 14:29h
„Guten Morgen Krähe“, sagte die Kuh. „Ich habe in den letzten Tagen oft an dich gedacht, denn du weißt bestimmt Rat.“
„Worum geht es denn?“, fragte die Krähe, eifrig bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie geschmeichelt sie sich fühlte.
„Ach weißt du“, erklärte die Kuh, „mir ist aufgefallen, dass meine Schwestern und Tanten mich so kritisch beäugen, wenn ich meine Kameradin ablecke, so als täte ich etwas Unanständiges, dabei fühlt es sich so schön an, über ihr warmes, glattes Fell zu lecken und wenn ihre Zunge über meinen Hals gleitet, dann prickelt es unter meiner Haut und ich hätte es am liebsten, sie würde nie wieder damit aufhören. Aber was ist falsch daran?“
„Daran ist nichts falsch.“, antwortete die Krähe. „Wie kommst du darauf?“
„Weil die anderen so komisch gucken.“, meinte die Kuh.
„Kühe gucken immer blöd.“, antwortete die Krähe. „Das hat nichts mit dir zu tun, das bildest du dir nur ein.“
„Aber der Stier steht immer wutschnaubend am Zaun und schnauft: ‚Wenn ich erst auf eure Weide gelassen werde, dann werde ich dir diese Schweinereien schon austreiben.‘“
„Dann ist er wohl eifersüchtig.“
„Vielleicht. Aber er meint auch, es sei gegen die Natur. Aber wie kann etwas gegen die Natur sein, das so viel Freude bereitet?“
„Nun“, sagte die Krähe, „ich werde Nachforschungen anstellen und der Sache auf den Grund gehen.“
Gern sonnte die Krähe sich im Glanz der rückhaltlosen Bewunderung für ihre große Weisheit und ihr schier grenzenloses Wissen. Tatsächlich wusste die Krähe keine Antwort auf die Frage ob es nun falsch oder richtig war, wenn sich die Kühe ihren gegenseitigen Zärtlichkeiten hingaben. Eigentlich konnte daran nichts falsch sein, aber sicher gab es auch Gründe für die Vorbehalte der anderen Kühe und vielleicht war der Stier nicht nur eifersüchtig. So beschloss sie, möglichst vielen die Frage zu stellen, ob etwas, das Spaß, Freude und Genuss bereitete, falsch sein konnte.
Als erstes traf sie die Katze, die sich lüstern in der Sonne räkelte. Also fragte die Krähe: „Sag mir Katze, kann es falsch sein, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet?“
„Auf keinen Fall.“, antwortete die Katze entschieden. „Es ist eine Schande, auf irgendetwas zu verzichten. Die warme Maus will verputzt werden, die stehen gelassene Sahne geschleckt, der süße Kater vernascht und das weiche Bett belagert werden. Aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
Die Katze zuckte mit den Schultern und rollte sich auf dem Rücken hin und her. Aus der war nichts weiter herauszubekommen, sicher hatte sie einen rolligen Kater gewittert.
So flog die Krähe weiter und kam zum Hund.
„Guten Tag Hund.“, begrüßte ihn die Krähe. „Ich bin auf der Suche nach Antworten auf die Frage, ob es falsch sein kann, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet.“
„Aber natürlich kann das falsch sein.“, antwortete der Hund entschieden. „Das Allerwichtigste im Leben ist die Pflichterfüllung, die Treue gegenüber dem Anführer, der für das Futter sorgt und den sicheren Schlafplatz. Die Freuden, die er mit gönnt, darf ich natürlich genießen, aber einfach tun, was ich will? Niemals! Das wäre grober Ungehorsam. Ich habe schon auf so manchen knackigen Knochen verzichtet und so vielen bildschönen Hündinnen hinterhergeschaut. So ist das Leben. Man kriegt nicht, was man begehrt, sondern das, was einem zugeteilt wird. - Aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
„In ihrem Garten.“
„Und wo ist der Garten?“
„Woher soll ich das wissen? Ich bin doch schließlich nur ein Hund und kann hier nicht weg.“
„Ja, das hast du wohl Recht“, erwiderte die Krähe, „aber trotzdem danke.“
Und so flog sie ein Stück weiter, bis sie an einen See kam. Dort thronte ein stolzer, weißer Schwan auf dem Wasser.
„Hey, Schwan“, rief die Krähe. „Komm doch mal bitte zu mir ans Ufer, ich würde dich gern etwas fragen.“
Der Schwan näherte sich höflich und fragte: „Womit kann ich dir helfen?“
„Wie siehst du das?“, fragte die Krähe, „Kann etwas falsch sein, das Spaß, Freude und Genuss bereitet?“
„Im Prinzip nein.“, erwiderte der Schwan. „Gutes Essen, entspannter Schlaf, ein ausgiebiges Bad und vor allem die Liebe, nein das ist alles gut, es sei denn...“
„Es sei denn was?“
„Ich kann es nicht erklären.“, sagte der Schwan. „Aber das Vergnügen der Paarung, das geht nicht ohne Liebe und Liebe geht nicht ohne Treue. Keine Ahnung warum, aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
„In ihrem Garten.“
„Und wo ist der Garten?“
„Im Osten.“
Unschlüssig flog die Krähe gen Osten und flog und flog und flog bis sie an einen breiten, klaren Fluss gelangte. Dort entdeckte sie einen großen, silbern glänzenden Fisch im Wasser.
„Lieber Fisch“, sagte die Krähe, „findest du, dass es falsch ist, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet?“
„Was soll das sein?“, fragte der Fisch.
„Ich weiß nicht.“, antwortete die Krähe. „Gutes Essen, Behaglichkeit, Liebe, Paarung.“
„Das macht man.“, antwortete der Fisch unbewegt.
„Und das macht doch Spaß oder ist ein Genuss, oder?“, fragte die Krähe.
„Nö“, erwiderte der Fisch und eine dicke, runde Blase stieg auf und zerplatzte an der Wasseroberfläche.
„Was gefällt dir denn?“, fragte die Krähe.
„Nichts.“, sagte der Fisch. „Ich bin. Das muss reichen. Aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
„In ihrem Garten.“
„Und wo ist der Garten?“
„Im Osten.“
„Ich bin im Osten. Aber wo genau finde ich ihn?“
„Flieg weiter flussabwärts, bis du den Ozean sehen kannst. Dann lass deinen scharfen Blick schweifen und du wirst den Garten wohl finden.“
Und so flog die Krähe flussabwärts und als sie in der Ferne das tiefe Blau des Ozeans erkannte, ließ sie ihren Blick schweifen und entdeckte alsbald einen üppigen, grünen Fleck voller Tupfer in allen Farben des Regenbogens. Sie flog den Garten direkt an und ließ sich auf dem Zweig eines Kirschbaumes nieder und weil sie hungrig und durstig war, labte sie sich an den köstlichen Früchten.
Schon wenig später entdeckte sie einen Vogel, eine Krähe wie sie, nur nicht schwarz sondern mit schillernd buntem Gefieder.
„Hallo Krähe.“, empfing sie der Vogel. „Was führt dich zu mir?“
„Bist du Frau Lust?“, fragte die Krähe.
„Die bin ich.“
„So viele Tage und Wochen bin ich herumgeflogen.“, stöhnte die Krähe. „Dabei suche ich nur eine Antwort. Zuerst habe ich die Katze getroffen, die geradezu eine Sklavin des Genusses ist, danach den Hund, das krasse Gegenteil, für ihn stehen Pflicht und Gehorsam an erster Stelle, danach traf ich den Schwan, für den Liebe und Treue das höchste Gut sind und schließlich den Fisch, der gar nicht weiß was Freude und Genuss bedeuten. Die Frage lautete: Ist es falsch, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet? Alle verwiesen mich an dich. Wer hat denn nun Recht?“
Frau Lust wartete höflich, ob die Krähe noch etwas hinzufügen wollte. Dann antwortete sie: „Es ist ganz einfach. Wer von mir ergriffen wird, den lasse ich nicht mehr los, er muss sich ganz ergeben.
Mancher ist schon vom Geist der Treue besessen und von der Romantik beseelt, dann muss ich eben da anknüpfen.
Manche sind ganz vom Pflichtgefühl besessen, da habe ich nur selten eine Chance und manche haben einfach keinen Platz für mich.“
„Aber was ist richtig und was ist falsch?“, fragte die Krähe beharrlich.
„Richtig ist, so zu leben, wie es dir entspricht.“, antwortete Frau Lust. „Falsch wäre, wenn die lüsterne Katze sich zu Gehorsam und Pflichterfüllung zwingen würde. Das würde sie krank machen.
Falsch wäre, wenn der Fisch sich eine Lebenspartnerin suchte, sie würde ihn so nerven, dass er sie umbrächte.
Falsch wäre, wenn der Hund sich seinen Trieben auslieferte, er würde vor Scham sterben und die strafende Zurückweisung seines Anführers nicht ertragen. Genauso falsch wäre es, würde er ganz auf Spaß verzichten, das würde ihm die Lebensfreude nehmen.
Und wenn der Schwan sich der Lust enthielte, würde er vor Kummer sterben. Wenn er aber die Stimme seines Herzens überhörte und sich wild mit vielen Schwänen paarte, würde sein Herz erkalten und mit der Lust wäre es dann auch vorbei.
Die Kuh soll sich lecken mit wem sie will und der Stier darf sie begehren. Das ist alles richtig und gut. Ein weiser Mensch hat einmal aufgeschrieben: „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.“ *
Und dann war Frau Lust plötzlich verschwunden. Die Krähe schlug sich den Bauch mit den leckeren Kirschen voll, machte ein langes Schläfchen in den schattigen Zweigen und als sie ausgeruht und wieder bei Kräften war, stärkte sie sich ein letztes Mal an allerlei Köstlichkeiten im Garten und machte sich dann auf den Heimweg.
Als sie zur Kuh kam, fand sie diese dabei vor, wie sie sich gerade vom Stier decken ließ. Höflich wartete die Krähe, bis der Liebhaber von ihr abließ, dann berichtete sie von ihren Abenteuern und der Antwort von Frau Lust.
Da freute sich die Kuh, auch darauf, dass morgen wieder zärtliche Stunden mit ihrer Freundin auf sie warteten. Von der Lust an der bevorstehenden Brutpflege ahnte sie noch nichts.
* !. Timotheus 4, 4
„Worum geht es denn?“, fragte die Krähe, eifrig bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie geschmeichelt sie sich fühlte.
„Ach weißt du“, erklärte die Kuh, „mir ist aufgefallen, dass meine Schwestern und Tanten mich so kritisch beäugen, wenn ich meine Kameradin ablecke, so als täte ich etwas Unanständiges, dabei fühlt es sich so schön an, über ihr warmes, glattes Fell zu lecken und wenn ihre Zunge über meinen Hals gleitet, dann prickelt es unter meiner Haut und ich hätte es am liebsten, sie würde nie wieder damit aufhören. Aber was ist falsch daran?“
„Daran ist nichts falsch.“, antwortete die Krähe. „Wie kommst du darauf?“
„Weil die anderen so komisch gucken.“, meinte die Kuh.
„Kühe gucken immer blöd.“, antwortete die Krähe. „Das hat nichts mit dir zu tun, das bildest du dir nur ein.“
„Aber der Stier steht immer wutschnaubend am Zaun und schnauft: ‚Wenn ich erst auf eure Weide gelassen werde, dann werde ich dir diese Schweinereien schon austreiben.‘“
„Dann ist er wohl eifersüchtig.“
„Vielleicht. Aber er meint auch, es sei gegen die Natur. Aber wie kann etwas gegen die Natur sein, das so viel Freude bereitet?“
„Nun“, sagte die Krähe, „ich werde Nachforschungen anstellen und der Sache auf den Grund gehen.“
Gern sonnte die Krähe sich im Glanz der rückhaltlosen Bewunderung für ihre große Weisheit und ihr schier grenzenloses Wissen. Tatsächlich wusste die Krähe keine Antwort auf die Frage ob es nun falsch oder richtig war, wenn sich die Kühe ihren gegenseitigen Zärtlichkeiten hingaben. Eigentlich konnte daran nichts falsch sein, aber sicher gab es auch Gründe für die Vorbehalte der anderen Kühe und vielleicht war der Stier nicht nur eifersüchtig. So beschloss sie, möglichst vielen die Frage zu stellen, ob etwas, das Spaß, Freude und Genuss bereitete, falsch sein konnte.
Als erstes traf sie die Katze, die sich lüstern in der Sonne räkelte. Also fragte die Krähe: „Sag mir Katze, kann es falsch sein, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet?“
„Auf keinen Fall.“, antwortete die Katze entschieden. „Es ist eine Schande, auf irgendetwas zu verzichten. Die warme Maus will verputzt werden, die stehen gelassene Sahne geschleckt, der süße Kater vernascht und das weiche Bett belagert werden. Aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
Die Katze zuckte mit den Schultern und rollte sich auf dem Rücken hin und her. Aus der war nichts weiter herauszubekommen, sicher hatte sie einen rolligen Kater gewittert.
So flog die Krähe weiter und kam zum Hund.
„Guten Tag Hund.“, begrüßte ihn die Krähe. „Ich bin auf der Suche nach Antworten auf die Frage, ob es falsch sein kann, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet.“
„Aber natürlich kann das falsch sein.“, antwortete der Hund entschieden. „Das Allerwichtigste im Leben ist die Pflichterfüllung, die Treue gegenüber dem Anführer, der für das Futter sorgt und den sicheren Schlafplatz. Die Freuden, die er mit gönnt, darf ich natürlich genießen, aber einfach tun, was ich will? Niemals! Das wäre grober Ungehorsam. Ich habe schon auf so manchen knackigen Knochen verzichtet und so vielen bildschönen Hündinnen hinterhergeschaut. So ist das Leben. Man kriegt nicht, was man begehrt, sondern das, was einem zugeteilt wird. - Aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
„In ihrem Garten.“
„Und wo ist der Garten?“
„Woher soll ich das wissen? Ich bin doch schließlich nur ein Hund und kann hier nicht weg.“
„Ja, das hast du wohl Recht“, erwiderte die Krähe, „aber trotzdem danke.“
Und so flog sie ein Stück weiter, bis sie an einen See kam. Dort thronte ein stolzer, weißer Schwan auf dem Wasser.
„Hey, Schwan“, rief die Krähe. „Komm doch mal bitte zu mir ans Ufer, ich würde dich gern etwas fragen.“
Der Schwan näherte sich höflich und fragte: „Womit kann ich dir helfen?“
„Wie siehst du das?“, fragte die Krähe, „Kann etwas falsch sein, das Spaß, Freude und Genuss bereitet?“
„Im Prinzip nein.“, erwiderte der Schwan. „Gutes Essen, entspannter Schlaf, ein ausgiebiges Bad und vor allem die Liebe, nein das ist alles gut, es sei denn...“
„Es sei denn was?“
„Ich kann es nicht erklären.“, sagte der Schwan. „Aber das Vergnügen der Paarung, das geht nicht ohne Liebe und Liebe geht nicht ohne Treue. Keine Ahnung warum, aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
„In ihrem Garten.“
„Und wo ist der Garten?“
„Im Osten.“
Unschlüssig flog die Krähe gen Osten und flog und flog und flog bis sie an einen breiten, klaren Fluss gelangte. Dort entdeckte sie einen großen, silbern glänzenden Fisch im Wasser.
„Lieber Fisch“, sagte die Krähe, „findest du, dass es falsch ist, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet?“
„Was soll das sein?“, fragte der Fisch.
„Ich weiß nicht.“, antwortete die Krähe. „Gutes Essen, Behaglichkeit, Liebe, Paarung.“
„Das macht man.“, antwortete der Fisch unbewegt.
„Und das macht doch Spaß oder ist ein Genuss, oder?“, fragte die Krähe.
„Nö“, erwiderte der Fisch und eine dicke, runde Blase stieg auf und zerplatzte an der Wasseroberfläche.
„Was gefällt dir denn?“, fragte die Krähe.
„Nichts.“, sagte der Fisch. „Ich bin. Das muss reichen. Aber was weiß ich schon? Frag doch Frau Lust.“
„Und wo finde ich Frau Lust?“
„In ihrem Garten.“
„Und wo ist der Garten?“
„Im Osten.“
„Ich bin im Osten. Aber wo genau finde ich ihn?“
„Flieg weiter flussabwärts, bis du den Ozean sehen kannst. Dann lass deinen scharfen Blick schweifen und du wirst den Garten wohl finden.“
Und so flog die Krähe flussabwärts und als sie in der Ferne das tiefe Blau des Ozeans erkannte, ließ sie ihren Blick schweifen und entdeckte alsbald einen üppigen, grünen Fleck voller Tupfer in allen Farben des Regenbogens. Sie flog den Garten direkt an und ließ sich auf dem Zweig eines Kirschbaumes nieder und weil sie hungrig und durstig war, labte sie sich an den köstlichen Früchten.
Schon wenig später entdeckte sie einen Vogel, eine Krähe wie sie, nur nicht schwarz sondern mit schillernd buntem Gefieder.
„Hallo Krähe.“, empfing sie der Vogel. „Was führt dich zu mir?“
„Bist du Frau Lust?“, fragte die Krähe.
„Die bin ich.“
„So viele Tage und Wochen bin ich herumgeflogen.“, stöhnte die Krähe. „Dabei suche ich nur eine Antwort. Zuerst habe ich die Katze getroffen, die geradezu eine Sklavin des Genusses ist, danach den Hund, das krasse Gegenteil, für ihn stehen Pflicht und Gehorsam an erster Stelle, danach traf ich den Schwan, für den Liebe und Treue das höchste Gut sind und schließlich den Fisch, der gar nicht weiß was Freude und Genuss bedeuten. Die Frage lautete: Ist es falsch, etwas zu tun, das Spaß, Freude und Genuss bereitet? Alle verwiesen mich an dich. Wer hat denn nun Recht?“
Frau Lust wartete höflich, ob die Krähe noch etwas hinzufügen wollte. Dann antwortete sie: „Es ist ganz einfach. Wer von mir ergriffen wird, den lasse ich nicht mehr los, er muss sich ganz ergeben.
Mancher ist schon vom Geist der Treue besessen und von der Romantik beseelt, dann muss ich eben da anknüpfen.
Manche sind ganz vom Pflichtgefühl besessen, da habe ich nur selten eine Chance und manche haben einfach keinen Platz für mich.“
„Aber was ist richtig und was ist falsch?“, fragte die Krähe beharrlich.
„Richtig ist, so zu leben, wie es dir entspricht.“, antwortete Frau Lust. „Falsch wäre, wenn die lüsterne Katze sich zu Gehorsam und Pflichterfüllung zwingen würde. Das würde sie krank machen.
Falsch wäre, wenn der Fisch sich eine Lebenspartnerin suchte, sie würde ihn so nerven, dass er sie umbrächte.
Falsch wäre, wenn der Hund sich seinen Trieben auslieferte, er würde vor Scham sterben und die strafende Zurückweisung seines Anführers nicht ertragen. Genauso falsch wäre es, würde er ganz auf Spaß verzichten, das würde ihm die Lebensfreude nehmen.
Und wenn der Schwan sich der Lust enthielte, würde er vor Kummer sterben. Wenn er aber die Stimme seines Herzens überhörte und sich wild mit vielen Schwänen paarte, würde sein Herz erkalten und mit der Lust wäre es dann auch vorbei.
Die Kuh soll sich lecken mit wem sie will und der Stier darf sie begehren. Das ist alles richtig und gut. Ein weiser Mensch hat einmal aufgeschrieben: „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.“ *
Und dann war Frau Lust plötzlich verschwunden. Die Krähe schlug sich den Bauch mit den leckeren Kirschen voll, machte ein langes Schläfchen in den schattigen Zweigen und als sie ausgeruht und wieder bei Kräften war, stärkte sie sich ein letztes Mal an allerlei Köstlichkeiten im Garten und machte sich dann auf den Heimweg.
Als sie zur Kuh kam, fand sie diese dabei vor, wie sie sich gerade vom Stier decken ließ. Höflich wartete die Krähe, bis der Liebhaber von ihr abließ, dann berichtete sie von ihren Abenteuern und der Antwort von Frau Lust.
Da freute sich die Kuh, auch darauf, dass morgen wieder zärtliche Stunden mit ihrer Freundin auf sie warteten. Von der Lust an der bevorstehenden Brutpflege ahnte sie noch nichts.
* !. Timotheus 4, 4
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