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Samstag, 23. Mai 2020
Sense And Sensibility – Jeremia 31, 31-34
c. fabry, 16:04h
Der Text, um den es geht, steht hier: https://www.bibleserver.com/LUT/Jeremia31%2C31-34
Ich glaube, ich weiß schon, was mein Lieblingspfarrer am morgigen Sonntag dazu predigen wird. Ich vermute, er wird sich auf Vers 33 b konzentrieren: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.“ Herz und Sinn, Gefühl und Verstand, sense and sensibility, das muss beides im Glauben eine Rolle spielen. Das Herz nicht verhärten, Mitgefühl entwickeln, andere unterstützen und bei aller Frömmigkeit nicht das Gehirn ausschalten, sich dem exakten biblischen Wortlaut nicht sklavisch unterordnen, selber denken, kritisch bleiben.
Diesen Teil der Auslegung kann ich auf jeden Fall unterschreiben.
Aber in diesem Text steckt natürlich noch mehr. Da ist die Rede von einem neuen Bund mit dem Haus Juda und dem Haus Israel, ein Bund der besser halten soll, als der vergangene, der bei der Flucht aus der ägyptischen Zwangsarbeit geschlossen worden und von den Menschen gebrochen worden war. Ein Bruch, der teuer bezahlt wurde mit einer Spaltung des Volkes und der Verschleppung in eine neue Gefangenschaft.
Der alte Bund, das waren Gesetze, die das Zusammenleben erleichtern sollten, die zehn Gebote. Doch das hatte nicht funktioniert. Vielleicht fehlte den Menschen die innere Bereitschaft, vielleicht auch der Verstand, zu differenzieren, wann es wirklich auf die Einhaltung einer Regel ankommt und wann man sie vielleicht auch mal an eine besondere Situation anpassen muss. Jedenfalls hatten sie es nicht geschafft mit dem friedlichen Miteinander.
Noch befinden sie sich in einer schweren Zeit, aber die bahnbrechende Veränderung ist in Sicht, eine Hoffnung auf bessere Zeiten
Zeiten, in denen nicht einer den anderen zurechtweist, sondern in denen jeder von selbst erkennt, wenn er einen Fehler gemacht hat und in einem solchen Klima fällt es auch nicht schwer, Fehler zu verzeihen. Unverzeihlich sind neben unerträglichen Grausamkeiten nur die falschen Handlungen und Entscheidungen, die trotz offensichtlichen Störungspotentials bis aufs Blut gerechtfertigt werden, in uneinsichtiger, starrsinniger Selbstgerechtigkeit.
Und so schließt sich der Kreis. Denn wer sein Herz öffnet, Gefühle zulässt, auch die düsteren, wer dann einen Platz findet für Empathie und Nächstenliebe und bei all dem seinen Verstand wach hält, die Wissenschaft ernst nimmt, aber auch kritisch hinterfragt, der kann es aushalten, Fehler einzugestehen und Fehler zu vergeben.
Ich glaube, ich weiß schon, was mein Lieblingspfarrer am morgigen Sonntag dazu predigen wird. Ich vermute, er wird sich auf Vers 33 b konzentrieren: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.“ Herz und Sinn, Gefühl und Verstand, sense and sensibility, das muss beides im Glauben eine Rolle spielen. Das Herz nicht verhärten, Mitgefühl entwickeln, andere unterstützen und bei aller Frömmigkeit nicht das Gehirn ausschalten, sich dem exakten biblischen Wortlaut nicht sklavisch unterordnen, selber denken, kritisch bleiben.
Diesen Teil der Auslegung kann ich auf jeden Fall unterschreiben.
Aber in diesem Text steckt natürlich noch mehr. Da ist die Rede von einem neuen Bund mit dem Haus Juda und dem Haus Israel, ein Bund der besser halten soll, als der vergangene, der bei der Flucht aus der ägyptischen Zwangsarbeit geschlossen worden und von den Menschen gebrochen worden war. Ein Bruch, der teuer bezahlt wurde mit einer Spaltung des Volkes und der Verschleppung in eine neue Gefangenschaft.
Der alte Bund, das waren Gesetze, die das Zusammenleben erleichtern sollten, die zehn Gebote. Doch das hatte nicht funktioniert. Vielleicht fehlte den Menschen die innere Bereitschaft, vielleicht auch der Verstand, zu differenzieren, wann es wirklich auf die Einhaltung einer Regel ankommt und wann man sie vielleicht auch mal an eine besondere Situation anpassen muss. Jedenfalls hatten sie es nicht geschafft mit dem friedlichen Miteinander.
Noch befinden sie sich in einer schweren Zeit, aber die bahnbrechende Veränderung ist in Sicht, eine Hoffnung auf bessere Zeiten
Zeiten, in denen nicht einer den anderen zurechtweist, sondern in denen jeder von selbst erkennt, wenn er einen Fehler gemacht hat und in einem solchen Klima fällt es auch nicht schwer, Fehler zu verzeihen. Unverzeihlich sind neben unerträglichen Grausamkeiten nur die falschen Handlungen und Entscheidungen, die trotz offensichtlichen Störungspotentials bis aufs Blut gerechtfertigt werden, in uneinsichtiger, starrsinniger Selbstgerechtigkeit.
Und so schließt sich der Kreis. Denn wer sein Herz öffnet, Gefühle zulässt, auch die düsteren, wer dann einen Platz findet für Empathie und Nächstenliebe und bei all dem seinen Verstand wach hält, die Wissenschaft ernst nimmt, aber auch kritisch hinterfragt, der kann es aushalten, Fehler einzugestehen und Fehler zu vergeben.
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Mittwoch, 20. Mai 2020
Zurückbleiben – private Gedanken zum Himmelfahrtstag
c. fabry, 15:44h
In den letzten Tagen und Wochen haben jüngste Erfahrungen noch einmal meinen ganz persönlichen Blick auf die Himmelfahrtsgeschichte geschärft. Wer noch einmal den Bibeltext lesen möchte, voilà:
https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.HFA/Apostelgeschichte1%2C3-12
Mir geht es bei meiner Sicht nicht so sehr um Jesus von Nazareth, sondern um einen Menschen, durch den mir dieser Jesus in besonderer Weise begegnet ist.
Wir haben etwa zehn Jahre zusammengearbeitet, die letzten beiden davon besonders intensiv und vertrauensvoll, als Team in einem Klima der gegenseitigen Wertschätzung und Unterstützung. Ein Sonnenschein ist er, einer der viel Konstruktives beizutragen hat, der mit seinem ansteckenden Humor den schwierigen Situationen die Schärfe nimmt, der es versteht, heilsam zu trösten, wo es gebraucht wird, der aktiv zuhört, nachdenkt, reagiert, ohne sein Gegenüber mit übergestülptem Rat zu erschlagen. Einfühlsam ist er und erfüllt von einer ansteckenden Nächstenliebe. Sehr vielen Menschen ist er ans Herz gewachsen, gibt ihnen Halt, macht sie fröhlich, mutiger, motivierter. Man hört ihm gern zu, denn er hat oft Dinge zu sagen, die gut tun und hilfreich sind. Ein Mensch fast wie Jesus. Kein Heiliger, einer der auch Fehler macht, durchaus auch mal andere verletzt, der genervt und wütend ist, wenn es zu viel wird, der die Nase rümpft, wenn sich einer allzu blöd anstellt oder zu sehr auf dicke Hose macht. Ein Mensch eben, kein Gott, auch kein Jesus von Nazareth, aber einer, der diesem großen Vorbild besonders nahe kommt.
Und dieser großartige Mensch verlässt uns jetzt, weil es Zeit für ihn ist, weil etwas Neues dran ist. Wir würden ihn alle gern dabehalten, uns weiter an ihn anlehnen, Kraft von ihm schöpfen, und er würde gern bleiben, da sein für die Menschen, mit denen ihn so viel verbindet. Alle sind traurig – er am allermeisten – alle müssen loslassen, ohne ihn auskommen, erwachsen werden.
Aber er stirbt ja nicht, bleibt in dieser Welt, wird sich auch mal wieder sehen lassen. Und das Wichtigste: Allen, die sich so schweren Herzens von ihm trennen, hat er etwas mit auf den Weg gegeben: Den Appell, Herz und Verstand eingeschaltet zu lassen und einen Segen, einen guten Wunsch und vor allem die guten Momente, die man mit ihm hatte, auch die schwierigen. All die gemeinsamen Erfahrungen, die einen klüger, stärker, heiler gemacht haben, die einem niemand mehr nehmen kann und die man für den Rest des Lebens im Herzen behält. Und wenn es auch gerade wehtut: Ein Mensch, der einen so tief berührt hat, den behält man für immer bei sich, und wenn man am wenigsten damit rechnet, aber ihn am nötigsten braucht, dann wird er da sein und einen stützen, stärken und trösten oder zum Lachen bringen.
Ich wünsche jedem von Euch und Ihnen mindestens einen solchen Menschen, der immer seinen Platz behält.
Und über mehr solcher Geschichten würde ich mich sehr freuen.
https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.HFA/Apostelgeschichte1%2C3-12
Mir geht es bei meiner Sicht nicht so sehr um Jesus von Nazareth, sondern um einen Menschen, durch den mir dieser Jesus in besonderer Weise begegnet ist.
Wir haben etwa zehn Jahre zusammengearbeitet, die letzten beiden davon besonders intensiv und vertrauensvoll, als Team in einem Klima der gegenseitigen Wertschätzung und Unterstützung. Ein Sonnenschein ist er, einer der viel Konstruktives beizutragen hat, der mit seinem ansteckenden Humor den schwierigen Situationen die Schärfe nimmt, der es versteht, heilsam zu trösten, wo es gebraucht wird, der aktiv zuhört, nachdenkt, reagiert, ohne sein Gegenüber mit übergestülptem Rat zu erschlagen. Einfühlsam ist er und erfüllt von einer ansteckenden Nächstenliebe. Sehr vielen Menschen ist er ans Herz gewachsen, gibt ihnen Halt, macht sie fröhlich, mutiger, motivierter. Man hört ihm gern zu, denn er hat oft Dinge zu sagen, die gut tun und hilfreich sind. Ein Mensch fast wie Jesus. Kein Heiliger, einer der auch Fehler macht, durchaus auch mal andere verletzt, der genervt und wütend ist, wenn es zu viel wird, der die Nase rümpft, wenn sich einer allzu blöd anstellt oder zu sehr auf dicke Hose macht. Ein Mensch eben, kein Gott, auch kein Jesus von Nazareth, aber einer, der diesem großen Vorbild besonders nahe kommt.
Und dieser großartige Mensch verlässt uns jetzt, weil es Zeit für ihn ist, weil etwas Neues dran ist. Wir würden ihn alle gern dabehalten, uns weiter an ihn anlehnen, Kraft von ihm schöpfen, und er würde gern bleiben, da sein für die Menschen, mit denen ihn so viel verbindet. Alle sind traurig – er am allermeisten – alle müssen loslassen, ohne ihn auskommen, erwachsen werden.
Aber er stirbt ja nicht, bleibt in dieser Welt, wird sich auch mal wieder sehen lassen. Und das Wichtigste: Allen, die sich so schweren Herzens von ihm trennen, hat er etwas mit auf den Weg gegeben: Den Appell, Herz und Verstand eingeschaltet zu lassen und einen Segen, einen guten Wunsch und vor allem die guten Momente, die man mit ihm hatte, auch die schwierigen. All die gemeinsamen Erfahrungen, die einen klüger, stärker, heiler gemacht haben, die einem niemand mehr nehmen kann und die man für den Rest des Lebens im Herzen behält. Und wenn es auch gerade wehtut: Ein Mensch, der einen so tief berührt hat, den behält man für immer bei sich, und wenn man am wenigsten damit rechnet, aber ihn am nötigsten braucht, dann wird er da sein und einen stützen, stärken und trösten oder zum Lachen bringen.
Ich wünsche jedem von Euch und Ihnen mindestens einen solchen Menschen, der immer seinen Platz behält.
Und über mehr solcher Geschichten würde ich mich sehr freuen.
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Corona-Perlen – nur noch mit Maske
c. fabry, 15:05h
Bevor ich morgen (oder schon heute Abend) etwas zum Himmelfahrtstag veröffentliche, möchte ich Euch oder Sie teilhaben lassen an einer netten kleinen Erfahrung am Vortag.
Eben war ich an einer Lottoannahmestelle, einen Tippschein ausfüllen und abgeben. Die Frau an der Kasse legte den Kopf schief und sah mich an, als frage sie sich, ob sie mich von irgendwoher kenne. Wir laufen ja derzeit alle mit Unisex-Niqab in die Geschäfte und so blickte ich sie genauso fragend an und überlegte, ob sie mir bekannt vorkam. Dann sagte sie: „Ich muss ja doch genau hingucken, um sicherzugehen, dass Sie alt genug sind.“
Ich lachte laut auf, und meinte: „Die Krähenfüße sind doch aber ziemlich eindeutig zu erkennen, das kann nicht U 18 sein.“
„Ja, aber genau hingucken musste ich schon.“, sagte die Frau und lachte auch. Wenn ich nun als Ü50-Schachtel für potentiell U18 gehalten werde, dann sollte ich überlegen, ob ich nur noch mit Maske vor die Tür gehe. Aber ich will ja gar nicht aussehen wie ein Teenager, ich bin gern Ü50. Aber ein Kompliment war es schon :-)
Eben war ich an einer Lottoannahmestelle, einen Tippschein ausfüllen und abgeben. Die Frau an der Kasse legte den Kopf schief und sah mich an, als frage sie sich, ob sie mich von irgendwoher kenne. Wir laufen ja derzeit alle mit Unisex-Niqab in die Geschäfte und so blickte ich sie genauso fragend an und überlegte, ob sie mir bekannt vorkam. Dann sagte sie: „Ich muss ja doch genau hingucken, um sicherzugehen, dass Sie alt genug sind.“
Ich lachte laut auf, und meinte: „Die Krähenfüße sind doch aber ziemlich eindeutig zu erkennen, das kann nicht U 18 sein.“
„Ja, aber genau hingucken musste ich schon.“, sagte die Frau und lachte auch. Wenn ich nun als Ü50-Schachtel für potentiell U18 gehalten werde, dann sollte ich überlegen, ob ich nur noch mit Maske vor die Tür gehe. Aber ich will ja gar nicht aussehen wie ein Teenager, ich bin gern Ü50. Aber ein Kompliment war es schon :-)
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Sonntag, 17. Mai 2020
Alternatives Vaterunser – zum Predigttext am 17.05.2020
c. fabry, 01:34h
Vater unser,
wenn du wirklich im Himmel und allmächtig bist,
warum setzt du dann nicht durch, dass dein Name geheiligt wird?
Warum lässt du zu, dass die einen dich auslachen
und die anderen in deinem Namen unterdrücken, ausbeuten, ausgrenzen und sogar töten?
Kommt dein Reich noch oder ist es schon vorbei?
Ist es wirklich dein Wille, was in dieser Welt geschieht oder passiert das nur im Himmel?
Und wo ist der überhaupt?
Warum gibst du uns das tägliche Brot und lässt gleichzeitig ein Drittel der Weltbevölkerung hungern?
Und musst du wirklich jede Schuld vergeben?
Auch Völkermord und Kinderschändung?
Und müssen wir das auch?
Warum führst du uns in Versuchung, wenn wir ihr doch nicht erliegen sollen, statt uns für immer vom Bösen zu erlösen?
Denn wenn die Kraft dein ist, solltest du das können und uns deine Herrlichkeit gönnen.
Und zwar in Ewigkeit.
Amen.
https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.SLT/Matth%C3%A4us6%2C5-15
wenn du wirklich im Himmel und allmächtig bist,
warum setzt du dann nicht durch, dass dein Name geheiligt wird?
Warum lässt du zu, dass die einen dich auslachen
und die anderen in deinem Namen unterdrücken, ausbeuten, ausgrenzen und sogar töten?
Kommt dein Reich noch oder ist es schon vorbei?
Ist es wirklich dein Wille, was in dieser Welt geschieht oder passiert das nur im Himmel?
Und wo ist der überhaupt?
Warum gibst du uns das tägliche Brot und lässt gleichzeitig ein Drittel der Weltbevölkerung hungern?
Und musst du wirklich jede Schuld vergeben?
Auch Völkermord und Kinderschändung?
Und müssen wir das auch?
Warum führst du uns in Versuchung, wenn wir ihr doch nicht erliegen sollen, statt uns für immer vom Bösen zu erlösen?
Denn wenn die Kraft dein ist, solltest du das können und uns deine Herrlichkeit gönnen.
Und zwar in Ewigkeit.
Amen.
https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.SLT/Matth%C3%A4us6%2C5-15
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