Samstag, 25. April 2020
Blinder Gehorsam - Gedanken zu einem Predigttext, den ich am liebsten aus dem biblischen Kanon kicken würde
Der Predigttext für den 26.04. steht im 1. Petrusbrief im 2. Kapitel, Verse 21-25
https://www.bibleserver.com/LUT/1.Petrus2%2C21-25

Vor allem bei den vorausgehenden Versen, wo Sklaven zu widerspruchslosem Gehorsam gegenüber ihren Herren aufgefordert werden, insbesondere dann, wenn die Herren ihnen ungerechtfertigter Weise, eventuell nur aus einer Laune heraus, Leid zu fügen, spüre ich ein überdeutliche Entrüstung.
Unrecht, das einem angetan wird, geduldig ertragen? Sich despotischen Vorgesetzten oder Regierenden klaglos unterordnen? Wozu?
Der Petrusbrief richtete sich an in Kleinasien versprengte Judenchristen. Eine Minderheit, die in einer fremden Kultur zurechtkommen musste, die argwöhnisch betrachtet und beobachtet wurde. Jedes Fehlverhalten schadete der gesamten Gemeinschaft, etwa so, als wenn heute bei uns eine Person muslimischen Glaubens einen Fehler macht und dieser sofort auf die ganze muslimische Gemeinschaft übertragen wird. Der Autor verlangt vorbildliches, deeskalierendes Verhalten. Durch duldsames, widerstandsloses Ertragen jeder Schmach sollen die Täter beschämt werden. Sie sollen dadurch mit der Unangemessenheit ihres Verhaltens konfrontiert werden. Vielleicht fühlen sie sich dadurch erst recht provoziert, noch eins drauf zusetzen, weil es sie reizt, wenn man ihnen den Spiegel vorhält. Und auch hier sollen die Christen durchhalten, denn durch Beharrlichkeit in Güte und Gehorsam kann auch der härteste Despot zur Vernunft kommen.
Eine schöne Theorie. Aber angesichts von populistischen Regierungschefs, die nicht nur ihre eigenen Länder nachhaltig ruinieren, von heuschreckenartigen Großkonzernen, die ihre Lohnsklaven nicht persönlich kennen, von Amateuren in Führungspositionen, die ihrer Aufgabe nicht einmal im Ansatz gerecht werden… was soll das für eine Wirkung auf meinen Peiniger haben, wenn ich das Unrecht still ertrage und er nicht einmal etwas davon mitbekommt? Die modernen Sklavenhalter und Herrenmenschen lassen sich nicht beschämen. Wer sie verunsichert wird ausgeschaltet, weggeklickt oder anderweitig ignoriert. Also lasst Euch um Gottes und um der Menschheit willen nicht alles gefallen!
Was ich aber mitnehme aus diesem Text, ist eine gewisse Bereitschaft, etwas auszuhalten, vor allem schwierige Menschen, nicht nur die die mir Befehle erteilen, sondern auch die, mit denen ich etwas aushandeln muss, seien es Nachbar*innen, Kolleg*innen oder einfach nur Leute, die mit mir in der Schlange an der Supermarktkasse stehen.
Auf hämische, abwertende oder ironische Bemerkungen verzichten, ruhig bleiben und versuchen zu verstehen, welche inneren Nöte die Person gerade antreiben. Ja das ist schwierig, wenn zum Beispiel gerade jemand versucht, sich auf meine Kosten einen Vorteil zu verschaffen. Wenn ich dann denke: Das wirfst du doch jetzt nur in die Runde, damit du besser da stehst als alle anderen und du deinen Willen bekommst und dazu jede Menge Anerkennung und die ganze Aufmerksamkeit. Und während ich das denke, kommt mir die Galle hoch und ich möchte Gift verspritzen, damit ich keine Magengeschwüre bekomme.
Aber wenn ich das dann tatsächlich tue, habe ich nichts erreicht. Ich verschärfe den Konflikt. Löse kein einziges Problem und mache mich außerdem unbeliebt. Nicht, dass ich hier falsche verstanden werde: Nicht jedes absonderliche Verhalten von Mitmenschen muss man geduldig und unwidersprochen ertragen, aber vielleicht vor der Reaktion einen Moment in den Leerlauf gehen, das eigene Bauchgrummeln als das erkennen, was es ist: die eigene dunkle Seite, für die mein Gegenüber nicht verantwortlich ist. Man kann schon kommunizieren, dass man von einem Verhalten befremdet ist, angestrengt, dass man es nicht versteht und so weiter. Nur der Abwertung sollte man sich enthalten, denn jeder Mensch ist liebenswert, auch wenn es schwerfällt.
Und ach, ich weiß schon jetzt, wie schwer mir das fallen wird und dass ich gelegentlich scheitern werde, was sage ich, mehrmals täglich. Leider.

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Dienstag, 21. April 2020
Pest und Corona


War alles schon mal da.
Ist heute noch zu sehen.
Das Leben.
Das Sterben.
Heute warm und weich.
Morgen kalt und hart,
zu Stein erstarrt.
Schrecklich und schön.
Wir kommen.
Wir bleiben.
Wir gehn.
Aus Fehlern lernen,
das wäre schön.

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Montag, 20. April 2020
Gestern bin ich - wie ich es im Kommentarblog bei Dreadpan angekündigt hatte, in den Wald gegangen, um mich an Landart nach dem Vorbild des Künstlers Andy Goldsworthy zu versuchen. Ein Star, an den ich niemals heranreichen werde, aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, nach draußen zu gehen, in die Natur, etwas zu machen, mit dem, was man findet, sich auszudrücken, ohne etwas einzuschleppen oder mitzunehmen. Man baut mit dem, was da ist und überlässt es dem Verfall. Ich baute also folgenden Turm:



Anders als beim Turmbau zu Babel (er reicht ja auch kaum bis zu den Wipfeln der Bäume, geschweige denn bis zu den Wolken) war die Folge nicht Sprachverwirrung sondern Kommunikation: Mit einer vierköpfigen Familien über die etwas Fahrradunfreundliche Unwegsamkeit des hiesigen Waldwegs und mit dem Jagdpächter über die Bestände von Füchsen, Waschbären, Rehen, Hasen, Fasanen und Rebhühnern. Über Spuren im Schlamm und die Unfähigkeit der Fähe (Mutter Füchsin), ihre Jungen zu zählen, so dass sie viel zu viel jagt, auch wenn der Jäger die Bestände der Jungtiere reduziert hat. Und um Wildschweinrotten ging es, die in einer Nacht einen Feldschaden im Wert von 8000 € anrichten können. Und schließlich um Gegner der Jagd, die aber ohne mit der Wimper zu zucken Fleisch aus domestizierter Tierhaltung in sich reinschaufeln. War alles sehr spannend. Mein Turm war Nebensache. Ich habe noch ein bisschen weiter in der Natur herumgebastelt. Auf dem Rückweg war mein unwichtiger Babelsturm dann auch schon zusammengebrochen.

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