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Mittwoch, 31. Oktober 2018
501
c. fabry, 10:12h
Keine Schleichwerbung für US-amerikanische Drillichhosen. 501 Jahre. Nein nicht schon wieder die ultimative Luther-Lobhudelei zum Reformationsjubiläum, war ja direkt ein Overkill im vergangenen Jahr, endlich ist wieder alles normal und die Reformations-Tradition geht wieder im Halloween-Getöse unter.
Reformations-Tradition. Ist das nicht ein Antagonismus? Sowie Patriarchats-Feminismus oder Weiß-Schwärzung? Aber so machen wir Evangelen es immer noch: Liturgie, bisschen Mittelalterkitsch und das Absingen vom Luther-Schlager par excellence: Ein feste Burg.
Nein, jetzt tue ich vielen Pfarrer*innen, Gemeindepädagog*innen und Ehrenamtlichen unrecht. Gibt da viel Engagement, Neues zu probieren. Wird aber kaum registriert. Ist auch kein Wunder, denn die Kirche erneuert sich ja nicht und sie spielt auch keine Heldenrolle in diesen schrecklichen Zeiten. Na ja, schrecklich sind die Zeiten eigentlich immer.
Andererseits: Ohne die Kirchen gäbe es keinen Armutsbericht. Und viel christliches Engagement passiert leise und unbemerkt, aber hoch wirksam. Nur hilft das gegen die Despoten, die sich gerade auf der ganzen Welt ausbreiten wie Kopfläuse auf einem jungen, duftenden Haarschopf?
Vielleicht. Denn eines hilft sicher nicht: zu den Waffen greifen und Kriege erklären. Es nützt auch nichts, sich vor den Mächtigen zu fürchten und in Schockstarre zu verfallen, auch wenn man unmittelbar nichts gegen sie ausrichten kann, so klein und unbedeutend und ohnmächtig wie man da vor sich hin stoffwechselt.
Als kleines, ohnmächtiges Mäuschen kann man nur eines tun: es möglichst gut machen.
Für sich selbst und für die sorgen, die einem nahe stehen.
Die Augen auch vor dem Elend derer nicht verschließen, die einem nicht nahe stehen, denen man aber helfen kann und das dann auch tun.
Solange man eine Wahl hat, wählen gehen, selbst wenn es nur das kleinere Übel ist.
Diese Erde nicht unnötig zumüllen und ihre Geschenke nicht verschwenden. Verantwortung übernehmen, auch beim Einkaufen.
Mit anderen reden, auch wenn man sie nicht nett findet. Versuchen, sie zu verstehen und sie wenn nötig vom Gegenteil überzeugen.
Nicht aufhören, nach den richtigen Antworten zu suchen und sie dann laut aussprechen und danach handeln.
Je mehr Leute das tun, umso schwerer haben es die Demagogen und Diktatoren, die Kriegstreiber und Mörder. Und am Ende werden sie sich als das entpuppen, was sie sind: bedeutungslose Kopfläuse, gierige Parasiten. Und dann können sich Heiler daran machen, wieder das aus ihnen zu machen, was sie sie einmal waren: Menschen.
Abschließen möchte ich nun doch mit einem Zitat aus dem Jahr 1529, von Martin Luther, es ist die dritte Strophe des berühmten Reformationsliedes „Ein feste Burg ist unser Gott“:
Und wenn die Welt voll Teufel wär'
und wollt' uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es sollt' uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie sau'r er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht':
ein Wörtlein kann ihn fällen.
Reformations-Tradition. Ist das nicht ein Antagonismus? Sowie Patriarchats-Feminismus oder Weiß-Schwärzung? Aber so machen wir Evangelen es immer noch: Liturgie, bisschen Mittelalterkitsch und das Absingen vom Luther-Schlager par excellence: Ein feste Burg.
Nein, jetzt tue ich vielen Pfarrer*innen, Gemeindepädagog*innen und Ehrenamtlichen unrecht. Gibt da viel Engagement, Neues zu probieren. Wird aber kaum registriert. Ist auch kein Wunder, denn die Kirche erneuert sich ja nicht und sie spielt auch keine Heldenrolle in diesen schrecklichen Zeiten. Na ja, schrecklich sind die Zeiten eigentlich immer.
Andererseits: Ohne die Kirchen gäbe es keinen Armutsbericht. Und viel christliches Engagement passiert leise und unbemerkt, aber hoch wirksam. Nur hilft das gegen die Despoten, die sich gerade auf der ganzen Welt ausbreiten wie Kopfläuse auf einem jungen, duftenden Haarschopf?
Vielleicht. Denn eines hilft sicher nicht: zu den Waffen greifen und Kriege erklären. Es nützt auch nichts, sich vor den Mächtigen zu fürchten und in Schockstarre zu verfallen, auch wenn man unmittelbar nichts gegen sie ausrichten kann, so klein und unbedeutend und ohnmächtig wie man da vor sich hin stoffwechselt.
Als kleines, ohnmächtiges Mäuschen kann man nur eines tun: es möglichst gut machen.
Für sich selbst und für die sorgen, die einem nahe stehen.
Die Augen auch vor dem Elend derer nicht verschließen, die einem nicht nahe stehen, denen man aber helfen kann und das dann auch tun.
Solange man eine Wahl hat, wählen gehen, selbst wenn es nur das kleinere Übel ist.
Diese Erde nicht unnötig zumüllen und ihre Geschenke nicht verschwenden. Verantwortung übernehmen, auch beim Einkaufen.
Mit anderen reden, auch wenn man sie nicht nett findet. Versuchen, sie zu verstehen und sie wenn nötig vom Gegenteil überzeugen.
Nicht aufhören, nach den richtigen Antworten zu suchen und sie dann laut aussprechen und danach handeln.
Je mehr Leute das tun, umso schwerer haben es die Demagogen und Diktatoren, die Kriegstreiber und Mörder. Und am Ende werden sie sich als das entpuppen, was sie sind: bedeutungslose Kopfläuse, gierige Parasiten. Und dann können sich Heiler daran machen, wieder das aus ihnen zu machen, was sie sie einmal waren: Menschen.
Abschließen möchte ich nun doch mit einem Zitat aus dem Jahr 1529, von Martin Luther, es ist die dritte Strophe des berühmten Reformationsliedes „Ein feste Burg ist unser Gott“:
Und wenn die Welt voll Teufel wär'
und wollt' uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es sollt' uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie sau'r er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht':
ein Wörtlein kann ihn fällen.
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Samstag, 27. Oktober 2018
Das Fleisch ist willig, aber der Geist ist schwach ;-)
c. fabry, 17:04h
Dies ist der Predigttext für Sonntag, den 28.10.2018:
14 Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.
15 Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich.
16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist.
17 So tue ich das nicht mehr selbst, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
18 Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. WOLLEN HABE ICH WOHL, ABER DAS GUTE VOLLBRINGEN KANN ICH NICHT.
19 DENN DAS GUTE, DAS ICH WILL, DAS TUE ICH NICHT; SONDERN DAS BÖSE, DAS ICH NICHT WILL, DAS TUE ICH.
20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
21 So finde ich nun das Gesetz: Mir, der ich das Gute tun will, hängt das Böse an.
22 Denn ich habe Freude an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
23 Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Verstand und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.
24 ICH ELENDER MENSCH! WER WIRD MICH ERLÖSEN VON DIESEM LEIB DES TODES?
25 DANK SEI GOTT DURCH JESES CHRISTUS, UNSEREN HERNN!
So diene ich nun mit dem Verstand dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.
Römer 7,14-25
Ein irritierender Text, liest sich ein bisschen so, als hätte der Verfasser bei der Niederschrift einen über den Durst getrunken, lauter Wiederholungen, die nicht wie ein Stilmittel wirken, sondern einer extremen Unkonzentriertheit geschuldet zu sein scheinen. Das ist ja nicht ehrenrührig, aber anstrengend zu lesen und schwierig zu verstehen. Hätte ich den Auftrag, den Text auf das Essentielle zusammenzuschrumpfen, käme folgendes heraus:
Es gibt gute Gesetze, die ich kenne und die mir sagen, was richtig und was falsch ist, darum kenne ich den Unterschied zwischen gut und böse. Ich will ein guter Mensch sein und das Richtige tun, aber ich tue oft das Falsche und Böse. Das liegt daran, dass das Gesetz rational und spirituell ist, ich aber ein Mensch bin, der irrationalen, körperlichen Trieben ausgeliefert ist. Ich will es ja richtig machen, aber die Sünde in mir treibt mich immer wieder in die falsche Richtung. Ich arme Wurst. Wer befreit mich aus diesem Dilemma? Jesus Christus, unser Herr. Gott sei Dank! Also dient mein Verstand nun dem Gesetz Gottes, mein Körper bleibt aber der Sünde verfallen.
114 Wörter statt 229
Wenn man Das Kapitel, dem der Predigttext für diesen Sonntag entnommen ist, von Anfang an liest, erfährt man, dass Paulus sich mit dem Gesetz, man könnte auch sagen mit christlichen Lebensregeln auseinandersetzt. Er war ja vorher auch ein religiöser Eiferer, beschreibt sein Dasein aber als das eines naiven Gesetzlosen, der nicht wusste, was er tat, der ausschließlich seinen sündhaften Trieben gehorchte. Durch das Begreifen der Sinnhaftigkeit göttlicher Gesetze wird er vom Tier zum Mensch. Der Verstand und damit der Mensch ringt nun mit dem inneren Tier, aber er gewinnt nicht immer.
Zum Beispiel?
Ich weiß nicht, welche dunkeln Geheimnisse dem Paulus auf dem Gewissen lasteten, aber ich kenne etliche aus meinem eigenen Leben:
Ich kaufe Schokolade, die nicht aus fairem Handel ist, weil ich die gerade lecker finde und die einzige fair gehandelte Sorte, die es im Supermarkt gibt, mir nicht so zusagt. (Okay, wenigstens Ferrero habe ich gestrichen, die kaufen Kakao von Unternehmen, die Kinder entführen, die sie auf ihren Plantagen zu Tode schinden.)
Ich fahre mit dem Auto, obwohl es mit dem Fahrrad locker zu schaffen wäre, aber ich habe gerade keine Lust, will Zeit sparen, es ist ein bisschen kalt und nass...
Ich heize das Haus mit einem Kaminofen, weil das so eine schöne Wärme macht, obwohl ich weiß, dass das klimaschädlicher ist als die Zentralheizung, die über eine Gastherme läuft.
Ich bade statt zu duschen, weil mich das so schön entspannt, obwohl ich doch Wasser und Energie damit verschwende.
Mit großer Freude lästere ich über die Unzulänglichkeiten, Dummheiten und Missgeschicke meiner mir unsympathischen Mitmenschen, weil es so viel Spaß macht, Dampf abzulassen und nichts verbindender ist als gemeinsame Abscheu. Dabei weiß ich, wie schlimm es ist, selbst Gegenstand solcher Lästereien zu sein.
Ich beschimpfe und demütige Menschen, die mich wütend machen, obwohl ich weiß, dass ich damit nur das Gegenteil von dem erreiche, was ich erreichen will, aber es fühlt sich so gut an, auszuteilen.
Ich finde immer wieder Ausreden, sehr kranke, mir bekannte Menschen nicht zu besuchen, weil das so viel Kraft kostet und Lebenszeit dazu, dabei weiß ich, wie wichtig es für Kranke ist, dass die Gesunden Anteil nehmen und sie mittragen.
Ich gebe dem Bettler an der Ecke nichts, weil ich gerade keine Lust habe, mein Portemonnaie rauszuholen oder weil ich schon drei anderen etwas gegeben habe, dabei weiß ich doch, wie sehr der Mensch auf Spender angewiesen ist und für mich ist es keine große Sache.
Ich lasse die Frau bei Nachtfrost auf der Parkbank liegen, ohne sie zu fragen, ob sie heute Nacht in meiner Wohnung schlafen will, damit sie nicht erfriert, weil ich keine Lust auf Besuch habe, meine Ruhe haben will, mich nicht verantwortlich fühle, Angst habe, bestohlen zu werden oder mir jemanden in die Wohnung zu holen, mit dem es dann ernste Probleme gibt. Wie scheiße bin ich eigentlich?
Ich plaudere Geheimnisse aus, weil die Geschichten mich so beschäftigen, dass ich sie unbedingt jemandem erzählen muss, obwohl ich doch weiß, wie furchtbar es ist, selbst Opfer von Indiskretionen zu sein.
Ich esse Fleisch – nicht täglich und nicht viel, aber immer noch, dazu noch nicht einmal Bio, das ist dann zu umständlich, bis zum Biohof zu fahren und ich weiß doch, dass der Fleischkonsum eine wesentliche Ursache für den weltweiten Hunger und den Klimawandel ist. Aber ich hab' Eisenmangel und es ist doch so lecker.
Jeder mag für sich diese Liste im Stillen vervollständigen und seiner Phantasie darüber freien Lauf lassen, was der Paulus wohl zu beichten hatte.
Ich mag den Paulus ja nicht, bin aber sehr überrascht, wie freimütig er zugibt, dass er das kleine Arschloch in seinem Inneren nach wie vor nicht unter Kontrolle hat. Vor allem doziert er nicht als Oberlehrer und Besserwisser, sondern legt ein öffentliches Geständnis ab, erklärt anhand seiner eigenen Unzulänglichkeit die göttliche Gnade. Ja, auch ich lasse mich zu unmoralischem Verhalten hinreißen, ich stehe nicht über euch, aber ich freue mich, euch mitteilen zu können, wir müssen alle keine Angst vor üblen Strafen haben, Jesus versteht uns, Gott liebt uns, auch wenn wir Fehler machen. Ich habe mich entschieden, immer das Richtige zu tun, aber ich muss bekennen, ich werde meinem Vorsatz nicht gerecht.
Klingt ein bisschen nach volksnahem Katholizismus: Im Karneval die Sau rauslassen, alles ficken, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und dann bekennen, okay war falsch, habe mich durch die Sünde regieren lassen, aber ist ja egal, Hauptsache, ich weiß, dass es falsch war, Jesus zieht das schon wieder glatt. Einmal Beichten, drei mal Credo, 7 Vaterunser, 10 Ave Maria und das Sündenkonto ist wieder ausgeglichen.
Hat der Verfasser sicher nicht so gemeint. Vielleicht wollte er den Gescheiterten Mut machen: Wir sind alle Opfer unserer Triebe, können nicht über unseren Schatten springen, bauen Mist, auch wenn wir wissen, dass es falsch ist. Niemand schafft es, perfekt nach christlichen Maßstäben zu leben. Jetzt aber nicht die Flinte ins Korn werfen und sagen, dann hat es wohl keinen Zweck, da kann ich auch gleich wieder zum Vollarschloch werden. Auf die Haltung kommt es an, das Gute und Richtige wenigstens zu wollen und immer wieder an sich zu arbeiten.
14 Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.
15 Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich.
16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist.
17 So tue ich das nicht mehr selbst, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
18 Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. WOLLEN HABE ICH WOHL, ABER DAS GUTE VOLLBRINGEN KANN ICH NICHT.
19 DENN DAS GUTE, DAS ICH WILL, DAS TUE ICH NICHT; SONDERN DAS BÖSE, DAS ICH NICHT WILL, DAS TUE ICH.
20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
21 So finde ich nun das Gesetz: Mir, der ich das Gute tun will, hängt das Böse an.
22 Denn ich habe Freude an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
23 Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Verstand und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.
24 ICH ELENDER MENSCH! WER WIRD MICH ERLÖSEN VON DIESEM LEIB DES TODES?
25 DANK SEI GOTT DURCH JESES CHRISTUS, UNSEREN HERNN!
So diene ich nun mit dem Verstand dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.
Römer 7,14-25
Ein irritierender Text, liest sich ein bisschen so, als hätte der Verfasser bei der Niederschrift einen über den Durst getrunken, lauter Wiederholungen, die nicht wie ein Stilmittel wirken, sondern einer extremen Unkonzentriertheit geschuldet zu sein scheinen. Das ist ja nicht ehrenrührig, aber anstrengend zu lesen und schwierig zu verstehen. Hätte ich den Auftrag, den Text auf das Essentielle zusammenzuschrumpfen, käme folgendes heraus:
Es gibt gute Gesetze, die ich kenne und die mir sagen, was richtig und was falsch ist, darum kenne ich den Unterschied zwischen gut und böse. Ich will ein guter Mensch sein und das Richtige tun, aber ich tue oft das Falsche und Böse. Das liegt daran, dass das Gesetz rational und spirituell ist, ich aber ein Mensch bin, der irrationalen, körperlichen Trieben ausgeliefert ist. Ich will es ja richtig machen, aber die Sünde in mir treibt mich immer wieder in die falsche Richtung. Ich arme Wurst. Wer befreit mich aus diesem Dilemma? Jesus Christus, unser Herr. Gott sei Dank! Also dient mein Verstand nun dem Gesetz Gottes, mein Körper bleibt aber der Sünde verfallen.
114 Wörter statt 229
Wenn man Das Kapitel, dem der Predigttext für diesen Sonntag entnommen ist, von Anfang an liest, erfährt man, dass Paulus sich mit dem Gesetz, man könnte auch sagen mit christlichen Lebensregeln auseinandersetzt. Er war ja vorher auch ein religiöser Eiferer, beschreibt sein Dasein aber als das eines naiven Gesetzlosen, der nicht wusste, was er tat, der ausschließlich seinen sündhaften Trieben gehorchte. Durch das Begreifen der Sinnhaftigkeit göttlicher Gesetze wird er vom Tier zum Mensch. Der Verstand und damit der Mensch ringt nun mit dem inneren Tier, aber er gewinnt nicht immer.
Zum Beispiel?
Ich weiß nicht, welche dunkeln Geheimnisse dem Paulus auf dem Gewissen lasteten, aber ich kenne etliche aus meinem eigenen Leben:
Ich kaufe Schokolade, die nicht aus fairem Handel ist, weil ich die gerade lecker finde und die einzige fair gehandelte Sorte, die es im Supermarkt gibt, mir nicht so zusagt. (Okay, wenigstens Ferrero habe ich gestrichen, die kaufen Kakao von Unternehmen, die Kinder entführen, die sie auf ihren Plantagen zu Tode schinden.)
Ich fahre mit dem Auto, obwohl es mit dem Fahrrad locker zu schaffen wäre, aber ich habe gerade keine Lust, will Zeit sparen, es ist ein bisschen kalt und nass...
Ich heize das Haus mit einem Kaminofen, weil das so eine schöne Wärme macht, obwohl ich weiß, dass das klimaschädlicher ist als die Zentralheizung, die über eine Gastherme läuft.
Ich bade statt zu duschen, weil mich das so schön entspannt, obwohl ich doch Wasser und Energie damit verschwende.
Mit großer Freude lästere ich über die Unzulänglichkeiten, Dummheiten und Missgeschicke meiner mir unsympathischen Mitmenschen, weil es so viel Spaß macht, Dampf abzulassen und nichts verbindender ist als gemeinsame Abscheu. Dabei weiß ich, wie schlimm es ist, selbst Gegenstand solcher Lästereien zu sein.
Ich beschimpfe und demütige Menschen, die mich wütend machen, obwohl ich weiß, dass ich damit nur das Gegenteil von dem erreiche, was ich erreichen will, aber es fühlt sich so gut an, auszuteilen.
Ich finde immer wieder Ausreden, sehr kranke, mir bekannte Menschen nicht zu besuchen, weil das so viel Kraft kostet und Lebenszeit dazu, dabei weiß ich, wie wichtig es für Kranke ist, dass die Gesunden Anteil nehmen und sie mittragen.
Ich gebe dem Bettler an der Ecke nichts, weil ich gerade keine Lust habe, mein Portemonnaie rauszuholen oder weil ich schon drei anderen etwas gegeben habe, dabei weiß ich doch, wie sehr der Mensch auf Spender angewiesen ist und für mich ist es keine große Sache.
Ich lasse die Frau bei Nachtfrost auf der Parkbank liegen, ohne sie zu fragen, ob sie heute Nacht in meiner Wohnung schlafen will, damit sie nicht erfriert, weil ich keine Lust auf Besuch habe, meine Ruhe haben will, mich nicht verantwortlich fühle, Angst habe, bestohlen zu werden oder mir jemanden in die Wohnung zu holen, mit dem es dann ernste Probleme gibt. Wie scheiße bin ich eigentlich?
Ich plaudere Geheimnisse aus, weil die Geschichten mich so beschäftigen, dass ich sie unbedingt jemandem erzählen muss, obwohl ich doch weiß, wie furchtbar es ist, selbst Opfer von Indiskretionen zu sein.
Ich esse Fleisch – nicht täglich und nicht viel, aber immer noch, dazu noch nicht einmal Bio, das ist dann zu umständlich, bis zum Biohof zu fahren und ich weiß doch, dass der Fleischkonsum eine wesentliche Ursache für den weltweiten Hunger und den Klimawandel ist. Aber ich hab' Eisenmangel und es ist doch so lecker.
Jeder mag für sich diese Liste im Stillen vervollständigen und seiner Phantasie darüber freien Lauf lassen, was der Paulus wohl zu beichten hatte.
Ich mag den Paulus ja nicht, bin aber sehr überrascht, wie freimütig er zugibt, dass er das kleine Arschloch in seinem Inneren nach wie vor nicht unter Kontrolle hat. Vor allem doziert er nicht als Oberlehrer und Besserwisser, sondern legt ein öffentliches Geständnis ab, erklärt anhand seiner eigenen Unzulänglichkeit die göttliche Gnade. Ja, auch ich lasse mich zu unmoralischem Verhalten hinreißen, ich stehe nicht über euch, aber ich freue mich, euch mitteilen zu können, wir müssen alle keine Angst vor üblen Strafen haben, Jesus versteht uns, Gott liebt uns, auch wenn wir Fehler machen. Ich habe mich entschieden, immer das Richtige zu tun, aber ich muss bekennen, ich werde meinem Vorsatz nicht gerecht.
Klingt ein bisschen nach volksnahem Katholizismus: Im Karneval die Sau rauslassen, alles ficken, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und dann bekennen, okay war falsch, habe mich durch die Sünde regieren lassen, aber ist ja egal, Hauptsache, ich weiß, dass es falsch war, Jesus zieht das schon wieder glatt. Einmal Beichten, drei mal Credo, 7 Vaterunser, 10 Ave Maria und das Sündenkonto ist wieder ausgeglichen.
Hat der Verfasser sicher nicht so gemeint. Vielleicht wollte er den Gescheiterten Mut machen: Wir sind alle Opfer unserer Triebe, können nicht über unseren Schatten springen, bauen Mist, auch wenn wir wissen, dass es falsch ist. Niemand schafft es, perfekt nach christlichen Maßstäben zu leben. Jetzt aber nicht die Flinte ins Korn werfen und sagen, dann hat es wohl keinen Zweck, da kann ich auch gleich wieder zum Vollarschloch werden. Auf die Haltung kommt es an, das Gute und Richtige wenigstens zu wollen und immer wieder an sich zu arbeiten.
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Sonntag, 14. Oktober 2018
Und wofür sind Sie dankbar?
c. fabry, 11:28h
Am vergangenen Sonntag feierten Christen das Erntedankfest, ursprünglich ging es dabei vor allem um das Existenzielle, die Dankbarkeit, dass es etwas zu Ernten gegeben hatte, die Vorräte endlich wieder aufgefüllt und der Hunger erst einmal kein Thema mehr war.
In den westlichen Industrienationen erfährt Nahrung keine große Wertschätzung, denn sie ist reichlich vorhanden. Trotzdem ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist, genauso wenig wie so viele andere Dinge im Leben.
Ich bin dankbar für meine Familie, meine Haustiere, dass ich in einem schönen Haus wohnen darf und viel Platz habe, bin dankbar für meinen unbefristeten Job, der mir auch noch Spaß macht, wo ich immer wieder interessante und nette Menschen treffe, die mich auch für die entschädigen, die ich nicht ausstehen kann und die an meinen Nerven zerren. Ich bin dankbar dafür, dass ich weitestgehend gesund bin, für den blauen Himmel und das Vertrauen, dass auch wieder Regen fallen wird (auch wenn es in diesem Jahr alarmierend wenig war). Für den Wechsel der Jahreszeiten und all die guten und spannenden Erfahrungen in meinem Leben, entspannte, aber auch spektakuläre Urlaube. Ich bin dankbar, dass ich in einer Demokratie leben darf und in einem Land, das wirtschaftlich stark ist, auch wenn ich oft ein schlechtes Gewissen habe, dass das auf Kosten Anderer geht. Ich bin dankbar für fließend warm Wasser, das auch noch trinkbar und sauber ist und dass ich immer genug zu heizen habe. Und für die Kleidung. Und für all die Menschen, die ich liebe.
Und Sie oder Ihr?
In den westlichen Industrienationen erfährt Nahrung keine große Wertschätzung, denn sie ist reichlich vorhanden. Trotzdem ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist, genauso wenig wie so viele andere Dinge im Leben.
Ich bin dankbar für meine Familie, meine Haustiere, dass ich in einem schönen Haus wohnen darf und viel Platz habe, bin dankbar für meinen unbefristeten Job, der mir auch noch Spaß macht, wo ich immer wieder interessante und nette Menschen treffe, die mich auch für die entschädigen, die ich nicht ausstehen kann und die an meinen Nerven zerren. Ich bin dankbar dafür, dass ich weitestgehend gesund bin, für den blauen Himmel und das Vertrauen, dass auch wieder Regen fallen wird (auch wenn es in diesem Jahr alarmierend wenig war). Für den Wechsel der Jahreszeiten und all die guten und spannenden Erfahrungen in meinem Leben, entspannte, aber auch spektakuläre Urlaube. Ich bin dankbar, dass ich in einer Demokratie leben darf und in einem Land, das wirtschaftlich stark ist, auch wenn ich oft ein schlechtes Gewissen habe, dass das auf Kosten Anderer geht. Ich bin dankbar für fließend warm Wasser, das auch noch trinkbar und sauber ist und dass ich immer genug zu heizen habe. Und für die Kleidung. Und für all die Menschen, die ich liebe.
Und Sie oder Ihr?
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