Samstag, 23. April 2022
Ostern befreit
Jetzt ist das Osterfest vorbei, aber die österliche Zeit hat gerade angefangen. Auch der Predigttext vom 24.04. befasst sich mit der Osterbotschaft.

https://www.bibleserver.com/HFA/Kolosser2%2C12-15

Diese Sündentilgung durch den Kreuzestod Jesu finde ich immer irgendwie schwierig, auch wenn ich dazu eine Erklärung habe, mit der ich leben kann, dazu habe ich mich in diesem blog zu früherer Zeit sicher schon einmal ausführlich ausgelassen.
Was mich am vorliegenden Text fesselt, ist das Bild von dem Schuldschein, der zusammen mit Jesus ans Kreuz genagelt wird und damit getilgt ist, Jesus nimmt ihn mit ins Grab. Der Schuldschein bleibt auf ewig in der Gruft, während Jesus ins Leben zurückkehrt.

Wie schuldig werden wir gerade wieder in diesen Tagen? Klar, die Entscheidung treffen die gewählten Volksvertreter*innen, aber versuche ich alles, um deren Entscheidung zu beeinflussen? Und wie steht es mit der gelebten Solidarität? Auf Energie verzichten, als Statement? Bin ich bereit, Gasmangel in Kauf zu nehmen um den russischen Aggressoren den Geldhahn zuzudrehen? Teile ich meinen Wohnraum? Habe ich mich irgendwo eingesetzt, Geflüchtete von der Grenze abgeholt, eine Hilfsorganisation mit meiner Zeit und Arbeitskraft unterstützt? Das muss ich alles verneinen. Ich schaffe das nicht, zumindest nicht gegenwärtig, ich bin viel zu erschöpft. Aber sind andere das nicht auch? Rede ich mich nicht nur heraus?

Mit unseren Konfirmand*innen vollziehen wir jedes Jahr ein Ritual: Wir lesen zusammen die gesamte Passionsgeschichte, überlegen, welche Figuren der Erzählung mit ihrem Verhalten welchen Beitrag zur Ermordung Jesu geleistet haben.
Und dann geht es um die eigene Schuld. Was belastet mein Gewissen? Wo habe ich anderen weh getan und würde es am liebsten ungeschehen machen? Aber auch: Wer steht in meiner Schuld, hat mich verletzt, mir so weh getan, dass es immer noch schmerzt, sich daran zu erinnern?
Das wird auf handlichen Zetteln notiert, zusammengefaltet und an ein Holzkreuz genagelt. Das Last wird abgegeben. Dann geht es mit der ganzen Gruppe zu einer großen, feuerfesten Glaslaterne, in der die Notizen verbrannt werden. Gemeinsam sehen alle dabei zu, lassen los, die eigene Schuld und den eigenen Schmerz, der, bevor er schwächer wird, noch einmal ins Bewusstsein gerät. Das ist sehr berührend, manchmal fließen Tränen. Die Sache mit dem Opfertod ist dabei gar nicht so wichtig. Natürlich sind auch immer etliche dabei, die nur pro Forma mitmachen, an denen die Aktion vorbeirauscht. Man ist ja auch nicht immer in der passenden Stimmung. Aber einige nutzen diesen Raum für sich, erfahren Ostern am eigenen Leib, lassen sich das mit der Vergebung unter die Haut gehen und eine Last von den Schultern nehmen.

Ich glaube, wir Erwachsenen dürfen das auch.

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