Samstag, 18. September 2021
Klage und Trost
Wird schon wieder. - Nach Sonne kommt Regen. - Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. - Wo Licht ist, ist auch Schatten. - Kommen auch wieder bessere Tage. - Irgendwie hat alles sein Gutes.

Können Sie das auch nicht mehr hören? Bringen diese abgedroschenen Kalendersprüche Sie auch auf die Palme? Wenn man gerade ganz unten ist, traurig, krank, verzweifelt, voller Schmerzen, ohne Perspektive, verlassen oder gedemütigt, sind solche schlichten Durchhalteparolen das Letzte, das einem weiterhilft. Was man dann braucht, sind offene Ohren, Anteilnahme, Anerkennung des eigenen Leidens, praktische Hilfen, Solidarität und Präsenz.

Aber die Sprüche sind auch keine Ausgeburten unendlicher Dummheit, sie sind verkürzte, vereinfachte Zusammenfassungen dessen, was in vielen biblischen Texten (und sicher auch in anderen Religionen und Philosophien) ausführlich beschrieben wird. So auch im Predigttext für den 16. Sonntag nach Trinitatis, in den Klageliedern des Jeremia im 3. Kapitel:
22 Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, 23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. 24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. 25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. 26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.... 31 Denn der Herr verstößt nicht ewig; 32 sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Nichts liegt mir ferner, als zum Beispiel den Menschen nach der Flutkatastrophe oder denen, die in Afghanistan festsitzen, derartige Bibelsprüche um die Ohren zu hauen. Aber sie jetzt zu lesen, wo es mir gut geht, im Nachhinein schwierige Zeiten, die hinter mir liegen, so zu betrachten, dass jedes Leiden vorüber geht und nicht das absolute Ende bedeuten muss, das hilft mir dann, wenn es mal wieder hart und bitter ist, nicht vollends zu verzweifeln, sondern die Situation wahrzunehmen wie einen Heimweg mit dem Fahrrad durch strömenden Regen in der Gewissheit, dass ein warmes, trockenes Zuhause auf mich wartet und eine heiße Dusche. Oder das Tragen eines schweren Rucksacks, ohne zu wissen, wann man endlich am Zielort ankommt, aber das man schon nicht unter der Last zusammenbrechen wird. Oder eine unter schmerzen durchwachte Nacht nach einer Operation, von der man weiß, dass in ein paar Stunden die Sonne wiederkommt und auch die Schmerzen nachlassen werden.

Das Leiden gehört zum Leben, aber es ist nicht ewig. Es gibt selten Tage, an denen nicht irgendetwas passiert, über das man sich freuen kann. So ist das Leben, so lange wie es dauert. Und irgendwann ist es dann eben vorbei. Ob dann ein neues und besseres Leben auf uns wartet, wissen wir nicht. Wenn nicht, ist es auch egal, dann tut ja auch nichts mehr weh, aber so lange wir atmen, ist das unsere Hoffnung. Das Leben jedenfalls, geht auch ohne uns weiter, zumindest so lange diese Erde besteht.

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