Samstag, 11. August 2018
Scheiß auf Gesetze – Entscheidend ist die Haltung
Zum Predigttext am 12.08.18 – Galater 2, 16-21

Zum Verständnis worum es im Predigttext geht: Paulus ereifert sich wegen eines gewissen Kephas, der in Antiochien die Gesellschaft von „Heiden“ suchte, also mit ihnen gegessen und vermutlich auch gefeiert hat, statt akribisch nach jüdisch-christlichen Regeln zu leben. Das hätte er vielleicht noch verzeihlich gefunden, als aber mehrere jüdische Christen in der Stadt ankommen, heuchelt Kephas den Gesetzestreuen und mit ihm auch ein gewisser Barnabas. Weil beide sich vor Konsequenzen fürchten, kehren sie den „Heiden“ einerseits den Rücken, verfolgen aber den Plan sie zu einem Leben nach jüdischen Regeln zu zwingen. Paulus fragt, wie ausgerechnet sie dazu kommen, Menschen die jüdische Lebensweise aufzuzwingen, die dies nicht von Klein auf gelernt haben, während Kephas und Barnabas ja in der jüdischen Tradition erzogen wurden und sich, wenn es ihnen gerade passt, auch nicht an die Regeln halten. Im Predigttext erklärt Paulus, was er davon hält und ich versuche nun, es Vers für Vers in meine Sprache zu übertragen, obwohl ich wahrlich kein Fan von Paulus bin, dem alten Separatisten, aber ein wohlwollender Blick auf seine ambitionierten Texte eröffnet manchmal neue Perspektiven.

16 Wir wissen, dass niemand ein guter Mensch wird, der die richtigen Entscheidungen trifft, indem er sich an die geltenden Gesetze hält. Vielmehr hat der Glaube an Jesus Christus das Potential, uns zu besseren Menschen zu machen. Unser Glaube hilft uns, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Strenge Gesetze überzeugen keinen Menschen zu einer veränderten Haltung.

17 Wenn wir, also diejenigen, die versuchen, durch Jesus Christus bessere Menschen zu werden, zugeben müssen, dass wir unverbesserliche Sünder sind – ist Jesus Christus dann ein Diener der Sünde? Das ist natürlich Quatsch!

18 Wenn ich den Mist, den ich gebaut habe, zwar beseitige, direkt danach aber wieder denselben Mist baue, dann liegt dieses Fehlverhalten allein in meiner Verantwortung.

19 Eher sterbe ich durch Gesetze, weil ich „ja“ zu dem Leben sage, das Jesus mir empfohlen hat. Ich habe meine bürgerliche Existenz aufgegeben, um ein Leben nach neuen Maßstäben anzufangen.

20 Ich lebe, aber nicht als eitles Ego, sondern als Gefäß, in dem Christus weiterlebt. Denn mein körperliches Leben, in dem ich atme, mich bewege, verdaue, spreche, schlafe und träume, das lebe ich in dem Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich geopfert hat.

21 Diese Gnade Gottes werfe ich nicht einfach weg. Denn wenn Gesetze reichen würden, um die Menschheit warmherziger, einfühlsamer, gerechter und liebevoller zu machen, dann wäre Christus umsonst gestorben.


Bevor ich zur Sache komme, möchte ich zwei Aspekte abhaken, die mich an dem Text stören:
1. Dieses ewige Rumgeeier, dass man sich nicht mit „Heiden“ an einen Tisch setzen soll, weil die einen zu einem unlauteren Leben verführen könnten. Was ist das für ein Glaube, der schon von ein bisschen Party mit den „Ungläubigen“ erschüttert wird? Das hat einfach Null mit dem christlichen Menschenbild zu tun. Da ziehen sie durch die Lande und missionieren sich einen Wolf, aber wenn die Zielgruppe nicht gleich begeistert auf die Knie sinkt, behandeln sie sie wie Aussätzige. Das waren damals natürlich andere Zeiten, trotzdem möchte ich mich von einer solchen Denkweise entschieden abgrenzen.
2. Die bedingungslose Selbstaufgabe (Verse 19 und 20) ist ja eine weit verbreitete christliche Tradition, erscheint mir aber höchst ungesund, zumindest, wenn man so etwas predigt und andere Gläubige damit moralisch unter Druck setzt. Wer sich für Selbstaufgabe entscheidet und das lebt, kann als Vorbild andere anregen, es hier und da auch einmal auszuprobieren. Dann kann ein Mensch in so eine Lebensweise hineinwachsen – oder eben nicht, wenn er das nicht will.

Nun aber zu dem, was mich beflügelt:
An diesem Sonntag steht das Evangelium nach Lukas auf dem Plan und zwar Kapitel 18, 9-14. Da erzählt Jesus ein Gleichnis von einem Zöllner und einem Pharisäer, die beide im Tempel beten und der Pharisäer dankt Gott, dass er ein anständiger Kerl ist und nicht so ein räudiger Hund wie dieser Zöllner. Der Zöllner dagegen bittet um Gnade und Vergebung für seine Sünde.

Es sind nicht unbedingt die Gesetzestreuen, die Regeleinhalter, die blitzsauberen Leistungsträger, die ehrenamtlich Engagierten, die Leserbriefschreiber, die Weihnachtspäckchen-Packer, die Presbyter, die Ratsmitglieder, die Walretter, die Baumpaten..., die die Welt zu einem besseren Ort machen. Viele von ihnen tun das natürlich, aber was viel entscheidender ist, bei allem, was Menschen tun, ist ihre innere Haltung.

Wer bei der Tafel Essen austeilt und diejenigen, die sich da etwas abholen, im Grunde verachtet, der sät mehr Hass als Güte und Gerechtigkeit.
Wer sich aber von Gott geliebt weiß, auch weil er diese Liebe durch andere Menschen erfahren hat und nicht so streng mit sich selbst ist, der kann auch wohlwollender auf andere blicken. Und wer denjenigen, dem er helfen oder von etwas überzeugen will mit Liebe und Achtung begegnet, der hat viel größere Chancen, sein Gegenüber zu erreichen. Die Methode ist da gar nicht so entscheidend, auf die innere Haltung kommt es an.

Und dann kann ich auch dem superkorrekten, blitzsauberen Einfamilienhausbesitzer mit Reißbrett-Garten und mit der Nagelschere gestutzten Rasenkanten freundlich entgegentreten, vielleicht sogar, ohne mich zu verstellen. ;-)

Und – falls es nun jemand gelesen hat – Wie steht Ihr denn dazu?

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Ich weiß nicht ...

Ich merke immer öfter eine Verbitterung in mir, die mich immer weniger zu einem "Gutmenschen" werden lässt.
Im Endeffekt ists ja auch gleichgültig, ganz gleich was man tut und mit oder gegen wen.

Sowieso alles nur ne Zeitfrage und jedwedes Problem erledigt sich von selbst.

Leider rege ich mich zu häufig und zu schnell auf, um dieses "echte" Loslassen praktizieren zu können, aber irgendwann wird sich auch dies von selbst erledigt haben.

Ob mit oder ohne Gott, oder mit nix wird sich erst dann erfahren lassen.

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Das mit der Verbitterung geht mir auch oft so. Wenn ich so innerlich verhärtet bin, dann ist es oft die Begegnung mit Menschen, die mir zeigen, dass es auch einen anderen Weg gibt, mit all dem Ätzenden umzugehen. Die setzen dem einfach Freundlichkeit entgegen, Güte, Empathie und viel Humor und dann geht mir das Herz auf und auf einmal will ich etwas davon weitergeben und dann stelle ich fest, dass das funktioniert, zumindest hin und wieder, dass verhärtete Gesichter wieder lächeln, dass vermeintliche Egoisten auch an andere denken.

Wir können nur "gut" sein, wenn wir selbst Güte erfahren. Dazu habe ich mal einen Text gelesen, in dem ein tolles Bild entfaltet wurde:
Oft verlangt man von uns, dass wir wie ein Fluss, das Gute, das in uns hineinfließt, einfach direkt weitergeben. Aber dann kann es schnell passieren, dass wir austrocknen. Vielmehr sollten wir wie eine Schale sein, und erst wenn die Schale so voll ist, dass sie überläuft, sollten wir die Güte, die wir erfahren haben weitergeben. Dann tun wir das auch gern und von Herzen. Manchmal kommt einfach zu wenig Gutes rein, um etwas davon weiterzugeben und dann sollte man sich auch kein schlechtes Gewissen machen lassen.

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Der Vergleich liest sich ganz nett.
Aber ich weiß nicht, ob mir das Flussbett mit all seiner Macht und Strömungen und Masse und Leben drin, nicht doch lieber wäre.

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Geben ist seeligen denn nehmen, hat mein Vater auch schon immer gesagt und der musste das wissen, der war Boxer.

Aber im Ernst, seit ich las“ „wir lachen nicht, wenn wir glücklich sind, sondern wir sind glücklich, wenn wir lachen“ lauf ich nur noch debil grinsend durch die Straßen und mir schlägt soviel grinsen entgegen, kaum zu ertragen :) Seitdem mein Tagesziel: täglich eine mir unbekannte Person zum lachen zu bringen. Ging ich doch neulich, wegen meines geschrotteten PC in den Elektronik-Markt und fragte den Verkäufer als erstes: „Wo finde ich denn wohl Ventilatoren?“ Hahaha.

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Auch 'n Rezept ;-)

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und das kost noch nicht mal was, ausser etwas Überwindung. Das einzige was man zu verlieren hat, sind seine Ketten.

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