Donnerstag, 10. Oktober 2019
Ausgerechnet an Jom Kippur - der Schlächter von Halle
Schlimm ist es, wenn Menschen töten. Besonders schlimm ist es, wenn sie andere Menschen ermorden. Ganz besonders schlimm ist es, wenn sie das aus rassistischen oder politisch verblendeten Motiven tun. Der Mörder von Halle hat noch eins oben drauf gesetzt, indem er ausgerechnet am Versöhnungstag seinen Mitmenschen so großes Leid zufügte.
In den Nachrichten ist schon wieder von einem Einzeltäter die Rede. Jedem, der nicht seiner Norm entspricht, verweigert er das Lebensrecht. Egal ob Juden oder Muslime, Menschen aus anderen Kulturkreisen.. und wenn kein Dönerladen zur Hand gewesen wäre, hätte es vielleicht Angehörige einer Subkultur oder politischen Gruppe getroffen, Skater, Gothics, Klimaaktivisten…
War wohl ein Verrückter. Tragisch. War wohl rechtsradikal. Eklig. Sterben ja nicht aus, die Faschisten.
Dass sie immer dreister, gewaltbereiter, widerwärtiger, schamloser, menschenverachtender auftreten, ist bei den Verantwortlichen immer noch nicht angekommen. Gern werden sie noch mit ein paar Baumhausbesetzern im Hambacher Forst auf eine Stufe gestellt. Irgendwie ist der Nazi immer noch salonfähiger als der sogenannte „linksversiffte Outlaw“. Kulturelle Nichtanpassung erscheint noch immer verdächtiger als Hetze und damit Anstiftung zum Mord.

Ausgerechnet am jüdischen Versöhnungsfest leistet ein deutscher Mörder seinen Beitrag zu erneuter Entzweiung. Und was wissen wir schon über Jom Kippur? Ich schäme mich mal wieder, deutsch zu sein.

Auch wenn die Scham niemandem nützt. Nur eins nützt: Flagge zeigen. Den Rechten entgegentreten, sich schützend vor diejenigen stellen, gegen die sich ihre Gewalt richtet. Wenigstens auf die Straße gehen, wenn ihnen mal wieder eine Kundgebung genehmigt wurde. Ihnen den Raum verweigern, den sie zu erobern suchen. Mit ihnen reden, wenn sie noch nicht ganz verwarzt im Kopf sind. Und immer wieder auslachen, denn Humor wirkt gegen so vieles: gegen Dummheit, gegen Angst und gegen Aggression.

Und Bildung ist wichtig, denn Angst nährt sich vor allem von Unwissenheit. Darum hier ein kleiner Exkurs zum Jom Kippur-Fest.

Jom Kippur ‚Tag der Sühne. Deutsch: zumeist Versöhnungstag oder Versöhnungsfest, ist der höchste jüdische Feiertag.
Er ist der letzte der 10 Tage der Reue und Umkehr, die mit dem jüdischen Neujahrsfest (Rosch ha-Schana) beginnen.
Zur Geschichte:
Man vermutet heute, dass es dieses Fest seit der Zeit gibt, in der die nach Babylonien verschleppten Israeliten in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Am ausführlichsten wird das Fest im 3. Buch Mose beschrieben: „Am zehnten Tage des siebenten Monats sollt ihr fasten und keine Arbeit tun, weder ein Einheimischer noch ein Fremdling unter euch. Denn an diesem Tage geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn.“ 3. Mose16,29–30, oder 3. Mose 23,26–32 und 4. Mose 29,7–11.)
Nur an diesem Tag durfte der Hohepriester das Allerheiligste im Tempel, den Raum in dem sich die Bundeslade befand, betreten, die er dann mit dem Blut zweier Opfertiere besprengte und auf diese Weise die Vergebung der Sünden des gesamten Volkes entgegennahm.
Außerdem wurde unter zwei Böcken gelost, welcher für welchen Zweck geopfert wurde: einer starb für Gott und die Reinigung des Tempels, der anderen für den gefallenen Engel Asasel, dem man mit dem Opfertier die Sünden zurücksandte, zu denen er die Menschen verführt hatte. Das Tier wurde über den Rand einer Bergklippe getrieben, wo es in den Tod stürzte. (Wer nachlesen will: 3. Mose 16,5–22)
Der Tag gilt als sinnlos, wenn man nicht bereit ist, seine Sünden zu gestehen und zu bereuen. Von den Sünden gegen Gott – z.B. am Feiertag ohne Not arbeiten - wird man dadurch freigesprochen. Wenn man einem anderen Menschen etwas angetan hat muss man ihn unbedingt um Verzeihung bitten. Darum ist es Tradition, am Vorabend des Festes allen Streit aus der Welt zu schaffen und sich wieder zu vertragen. Man gedenkt der Verstorbenen in der Synagoge, denn auch den Toten sollen ihre Sünden vergeben werden.
Jom Kippur heute
Jom Kippur ist der heiligste und feierlichste Tag des jüdischen Jahres.

Das Abendgebet beginnt vor Sonnenuntergang mit einem Sündenbekenntnis und
der Bitte um Vergebung.
Beim Morgengebet wird ein Abschnitt aus dem Buch Jesaja vorgelesen, in dem der biblische Prophet die Bedeutung des echten Fastens erläutert. (Jesaja 58,6–8) Der endgültige Abschluss von Jom Kippur wird mit dem Schofar (Horn) bekanntgegeben.


Für Frauen ab 12 und Männer ab 13 Jahren ist er ein Fastentag, an dem 25 Stunden
gefastet wird, d. h. von kurz vor Sonnenuntergang des Vortags bis zum nächsten
Sonnenuntergang wird weder flüssige noch feste Nahrung eingenommen. In Israel
In Israel haben nur arabische Restaurants und Cafés geöffnet. Die Grenzübergänge
sind dicht, die Straßen sind fast vollständig autofrei – wer sich bewegt tut das mit
dem Rad oder auf Inlinern - , nur Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei sind
unterwegs. Öffentliches Essen oder Musikhören wird als besonders unhöflich
empfunden.Es gibt weder Radio- noch Fernsehprogramme.
Im Oktober 1973 nutzen Ägypten und Syrien den kurzfristigen Stillstand um das nahezu wehrlose Israel zu überfallen und begannen den sogenannten Jom-Kippur-Krieg. Darum gibt es heute eine Bereitschaft von Radio und Fernsehen, im Notfall Nachrichten zu senden, man hält die Geräte eingeschaltet, im Normalfall senden sie aber nichts.

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